Essen. Die IGA 2027 soll das Ruhrgebiet im großen Stil eigentlich (noch) grüner machen. Nun aber steht das Großprojekt plötzlich vor einer Schrumpfkur.
Große Sorge um die Internationale Gartenschau IGA 2027: Keine vier Jahre vor der geplanten Eröffnung des größten Langzeitprojektes im Ruhrgebiet seit der Kulturhauptstadt 2010 wackelt die Finanzierung der auf Millionen Besucher hoffenden internationalen Leistungsschau des Garten- und Landschaftsbaus an entscheidenden Stellen. Inflation, hohe Material- und Baukosten, insbesondere aber der Fachkräftemangel im Garten- und Landschaftsbau bremsen die IGA-Planer derzeit empfindlich aus. In Kreisen der Landespolitik wurde nach WAZ-Informationen intern sogar über ein Scheitern des vom Regionalverband Ruhr angestoßenen Großprojekts spekuliert.
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„Unser Zeitplan steht“, betont dagegen der Chef der IGA-Gesellschaft, Horst Fischer, im Gespräch mit der WAZ. Auch die Bundesgartenschaugesellschaft als IGA-Lizenzgeber zeigt sich auf Nachfrage „zufrieden mit dem bisherigen Arbeitsstand“. IGA-Chef Fischer verweist allerdings auf „nicht gerade erfreulich Rahmenbedingungen“ für die Gartenschau. Besonders bei den drei bauintensiven IGA-Großstandorten in Dortmund, Duisburg und Gelsenkirchen droht demnach eine Kostenexplosion, die 20 bis 30 Prozent über der ursprünglichen Planung liege. Abspecken muss die IGA auch ihr Vorhaben, bereits bestehende Grünzüge und Parkanlagen des Reviers aufzuhübschen. „Von den 38 Projekten, die wir in die engere Wahl genommen hatten, werden am Ende wohl nur 20 bis 25 realisiert werden können“, sagte Fischer.
Zurzeit ringe man mit der Landesregierung um eine zumindest teilweise Übernahme der gestiegenen Kosten bei den langfristigen Investitionen in die Region. Fischer: „Andernfalls läuft es darauf hinaus, dass die Städte mit den drei Groß-Gärten - also Dortmund, Gelsenkirchen und Duisburg – die anfallenden Mehrkosten allein aus den eigenen Haushalten stemmen müssen.“
„Erhebliche Teuerung“
Josef Hovenjürgen, im NRW-Kommunalministerium fürs Ruhrgebiet zuständiger Staatssekretär, dimmt die IGA-Erwartungen im Revier ebenfalls erkennbar herunter. „Die Planungen schreiten voran. Die letzten zweieinhalb Jahre haben aber zu einer erheblichen Teuerung geführt. Nun stehen wir alle gemeinsam in der Verantwortung, eine attraktive IGA zu ermöglichen“, sagte der frühere Vorsitzende des Ruhrparlaments der WAZ. Die IGA könne nicht „in allen Details so sein, wie es mal angedacht war, denn das wäre nicht bezahlbar“, so der CDU-Politiker.
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Die IGA-Gesellschaft hofft nun darauf, dass das Land zumindest einen Teil der Mehrkosten übernimmt – zusätzlich zur bereits fest eingeplanten Millionen-Geldern für die Gartenschau. Ob sich die schwarz-grüne Landesregierung in Zeiten enger werdender finanzieller Spielhräume dazu durchringen kann, darf allerdings bezweifelt werden. Auf Nachfrage verwies das ebenfalls für IGA-Gelder zuständige NRW-Landwirtschaftsministerium auf seinen 25-Millionen-Topf für die drei IGA-Großgärten. Diese Summe sei fest zugesagt und werde auch „trotz der angespannten Haushaltslage des Landes uneingeschränkt zur Verfügung gestellt“, betonte ein Sprecher von Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU).
Erwartung und Anspruch an die IGA sind hoch
Die IGA soll das Ruhrgebiet 2027 als grüne Metropole präsentieren und gleichzeitig Antworten auf die Frage geben, wie man als Ballungsraum dem Klimawandel begegnet. Die Kosten werden bislang auf rund 170 Millionen Euro taxiert. Eine internationale Gartenschau findet in Deutschland nur alle zehn Jahre statt und liegt im Anspruch noch über dem an eine Bundesgartenschau. Die Erwartungen sind entsprechend hoch. Die Verantwortlichen im Ruhrgebiet sehen die IGA denn auch in einer Reihe mit der Internationalen Bauausstellung (IBA) Emscherpark in den 1990-er Jahren und der Kulturhauptstadt 2010.
Schon bei der Gründung der IGA-Projektgesellschaft durch den Regionalverband Ruhr, die Bundesgartenschau-Gesellschaft und die beteiligten Revierstädte vor vier Jahren waren die Mittel knapp - und es gab Streit mit dem Land über die Finanzfragen. Die damals noch schwarz-gelbe NRW-Landesregierung hatte sich lange gesträubt, Mittel über die gängige Städtebauförderung hinaus zuzusagen. Am Ende gab es dann doch grünes Licht für einen 25-Millionen-Euro-Scheck zugunsten der drei Hauptstandorte der IGA in Dortmund, Gelsenkirchen und Duisburg. Inzwischen reichen die Mittel aber hinten und vorne nicht mehr.
Fachkräftemangel lähmt
Die IGA-Planer drückt aber noch ein anderes Problem. „Die größten Sorgen bereitet uns der Fachkräftemangel“, sagt Horst Fischer. Er spricht von einem dramatischen Personalengpass in der gesamten Gartenbaubranche. „Überall fehlen Landschaftsgärtner und -architekten, Gartenbaumeister und -techniker – und sie fehlen natürlich auch der IGA. So etwas habe ich in 35 Berufsjahren noch nicht erlebt“, sagt Fischer, der selbst studierter Landschaftsarchitekt ist. Derzeit versucht die IGA-Leitung sich durch Personaltausch mit den entsprechenden Abteilungen des RVR zu behelfen und akquiriert sogar bei der seit einem halben Jahr laufenden Buga in Mannheim. Fischer: „Doch das löst das grundsätzliche Problem nicht.“
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Aber es gibt auch positive Signale für die IGA im Revier. Nach der schwierigen Corona-Zeit funktioniert das Prinzip der großen Gartenschauen offenbar wieder. Das zeige die gerade laufende Bundesgartenschau in Mannheim, meint Fischer. „Zur Halbzeit haben rund eine Million Menschen die Buga besucht, finanziell ist in Mannheim die schwarze Null sichtbar. Das alles ist für uns ein gutes Signal.“
Hilfreich sei auch das starke Engagement der NRW-Gartenbauverbände. „Ob Landschaftsbauer, Floristen, Baumschulen, Zierpflanzengärtner, aber auch die Friedhofsgärtner – alle bringen sich ein. Dank dieser Zusammenarbeit können wir einen Teil der Mehrbelastungen kompensieren.“ Von einigem Gewicht dürfte auch das Wort der Deutschen Bundesgartenschau-Gesellschaft sein. Sie ist immerhin Lizenzgeber der IGA und bekennt sich klar zur Revier-Schau. „Die IGA Metropole Ruhr 2027 liegt im Zeitplan und wird ihn auch einhalten können“, sagte ein Sprecher auf Anfrage.
Von der Gruga bis zum Nordstern-Park: Große Gartenschauen haben das Ruhrgebiet nachhaltig geprägt
1869 fand in Hamburg die erste internationale Gartenausstellung in Deutschland statt. Bald darauf folgten überall im Land zahlreiche Veranstaltungen dieser Art. Seit 1951 etablierte sich in Hannover die Idee einer Bundesgartenschau (Buga), die nicht nur Präsentationsfläche für die Leistungen des Gärtnerhandwerks, sondern auch Motor der Stadtentwicklung sein wollte.
Bisher fünf Bugas im Revier
Seitdem gab es fünf Bugas im Ruhrgebiet: Essen (1965), Dortmund (1959, 1969, 1991) und Gelsenkirchen. Dort entstand 1997 der Nordsternpark. Die erste Landesgartenschau in NRW fand 1984 in Hamm statt. Das Ausstellungsgelände auf dem Gelände der stillgelegten Zeche Maximilian lockte rund 1,3 Millionen Besucher an. Bis heute ist der „Maximilianpark“ ein beliebtes Ausflugsziel geblieben. Auch die Müga in Mülheim (1992) und der OLGA-Park in Oberhausen (1999) gehen auf Landesgartenschauen zurück und sind im Ruhrgebiet - wie der Nordsternpark - längst fest etablierte Grünanlagen, die über die jeweilige Stadtgrenze hinaus bekannt sind.
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Aus dem Freizeitangebot im Revier ebenfalls nicht mehr wegzudenken ist seit Langem der 1929 als Große Ruhrländische Gartenbau-Ausstellung gegründete Essener Grugapark. Mit seiner Fläche von 70 Hektar zählt er zu den größten deutschen Parks. Noch älter sind die Wurzeln des Dortmunder Westfalenparks, der als Buga-Gelände 1959 aus dem im 19. Jahrhundert angelegten Kaiser-Wilhelm-Hain erwuchs.
Die internationale Gartenausstellung kommt 2027 nach NRW