Ruhrgebiet. Am Montag legte Karl Lauterbach ein Eckpunktepapier „Klinikreform“ vor. NRW gilt als Vorbild. Der Schuh drückt auch woanders, sagen Klinikchefs.
Am Montag legte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sein Eckpunktepapier „Klinikreform“ vor. Reaktionen von Krankenhaus-Chefs und -Betreibern im Land.
„Für Nordrhein-Westfalen ist die Klinikreform kein wirklich neues Thema, wir sind längst auf dem Weg, eigentlich mitten im Verfahren“, sagt etwa Prof. Christoph Hanefeld, medizinischer Geschäftsführer des Katholischen Klinikums Bochum. Es habe bereits Gespräche mit den Krankenkassen gegeben, die daraus erarbeiteten Vorschläge lägen seit vier Wochen bei den Bezirksregierungen. „Die Aufregung in anderen Bundesländern ist deshalb sicher größer.“ In NRW gäbe es etwa längst Spezialisierungen innerhalb einzelner Fachgruppen, wie sie Lauterbach nun fordere. So habe sich sein Haus etwa mit einem Pankreas-Schwerpunkt schon vor Jahren innerhalb der Allgemeinen Chirurgie profiliert.
„Viele Fragen sind noch längst nicht geklärt“
Schwieriger sei die Situation vor einigen Monaten gewesen, „als unklar war, was will Lauterbach, was will Laumann, in welche Richtung geht das alles?“, so Hanefeld. Für viele seiner Mitarbeiter sei damals die Unsicherheit größer gewesen, „nun ist das entschärfter.“ Sollte die Vorhaltepauschale so komme, wie angekündigt, brächte diese tatsächlich Ruhe. Doch längst seien ja nicht alle Fragen geklärt.
„Ob und in welcher Form es eine Leveleinteilung auf Landesebene überhaupt vom Normal- zum Spitzenversorger geben wird bleibt abzuwarten...“. Auf dem Land sehe die Situation zumal völlig anders aus als im Revier, wo ein Spitzenversorger neben dem nächsten zu finden sei. Zu viele also am selben Fleck? „Das ist die Frage“, sagt Hanefeld. „Natürlich gibt es hier viele, die beispielsweise qualitativ gute Hüft- und Kniegelenksoperationen machen. Aber hier leben auch viele alte Menschen, der Bedarf ist groß“.
15 Millionen Euro Mehrkosten durch Tarifsteigerung am KKB
Für das KKB hat er keine Zukunftssorgen, was die Lauterbachs Reformpläne beträfe. „Der Schuh drückt momentan auch wo anders“, findet Hanefeld. „Wir sind – anders als andere – mit einem blauen Auge durch die Corona-Zeit gekommen, dank des großen Engagements unserer Mitarbeiter, auch dank finanzieller Unterstützung des Staates. Aber die Patientenzahlen von 2019 haben wir in etlichen Bereichen noch immer nicht erreicht – und das bei gestiegenen Personal- und Energiekosten!“ Die Inflation treffe Kliniken heftiger als andere Unternehmen, „wir können ja nicht einfach die Preise erhöhen“.Mit 15 Millionen Euro beziffert der Klinikchef für das KKB (5.500 Beschäftigte) die Mehrkosten der aktuellen Tarifsteigerung. „Das macht mir Bauchschmerzen“, räumt er ein, obwohl Laumann bereits zugesagt habe, es müsse hierfür eine Lösung gefunden werden..
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Prof. Andreas du Bois, Ärztlicher Direktor Ev. Kliniken Essen-Mitte, sieht die Lage vor Ort ähnlich: „Im Großen und Ganzen hat sich die Vernunft und damit das NRW-Modell durchgesetzt - und das ist gut so. Unklar bleibt allerdings die technische Umsetzung der Vorhaltekosten. Und vor allem die Frage der Finanzierung, wenn einerseits neue Aufgaben der Vorhaltung und Koordination dazu kommen, die Gesamterlöse aber nicht steigen sollen. Die Finanzlücken werden so nicht behoben.“
Sorge: Zahlreiche Kliniken werden die Reform nicht mehr erleben
Susanne Minten, Geschäftsführerin des Marienhospitals in Gelsenkirchen, erklärte auf Anfrage dieser Redaktion: „Wenn wir ehrlich sind, dann bietet das Eckpunktepapier erste Ansätze neben Absichtserklärungen und Prüfaufträgen. Wenig konkret und ansatzweise enttäuschend ist es in Sachen Finanzen und Inflationsausgleich. Für den jetzt politisch gewollten Transformationsprozess braucht es verbindliche Zusagen und Ausgleichs- und Förderkulissen.“
Zahlreiche Kliniken würden die Reform, deren Eckpunkte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am Montag vorstellte und um die lange gerungen wurde, wegen akuter Liquiditätsprobleme gar nicht mehr erleben, erklärten andere Experten. Zudem seien Mitarbeitende „durch das Reformhickhack sehr verunsichert“, erklärte Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. „Sie fürchten um ihren wohnortnahen Arbeitsplatz.“ Man fordere, dass die angekündigte „belastbare Auswirkungsanalyse zeitnah vorgelegt wird“. Die Caritas und ihr Fachverband kkvd betreiben bundesweit 273 Krankenhäuser und 54 Reha-Einrichtungen.
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„Es macht sprachlos“, so Bernadette Rümmelin, kkvd-Geschäftsführerin, „wie Minister Lauterbach schulterzuckend in Kauf nimmt, dass wahllos Krankenhäuser in die Insolvenz rutschen.“ Der Bund müsse den Kliniken jetzt schnell mit nachhaltigen Finanzhilfen unter die Arme greifen. Tue er das nicht, seien insbesondere freigemeinnützige Krankenhäuser gefährdet. „Im Gegensatz zu öffentlichen Kliniken wird ihr Defizit in der Regel nicht von den Kommunen aufgefangen.“
>>INFO: DIE KRANKENHAUSREFORM
Ein halbes Jahr lang haben Bund und Länder um die Krankenhausreform gerungen. Nun gelang ihnen ein Kompromiss, der sicherstellt, dass die Krankenhausplanung Ländersache bleibt. Wichtigster Teil der Reform ist die Abkehr von den Fallpauschalen. Bisher nehmen die Kliniken dann viel Geld ein, wenn sie möglichst viele Patientinnen und Patienten behandeln.
Dieses System wird zum Teil von einer Vorhaltevergütung abgelöst: Kliniken können mit diesen garantierten Einnahmen 60 Prozent ihrer Kosten ausgleichen, egal, ob viele Betten belegt sind, oder nicht. Die Fallpauschalen werden aber nicht komplett abgeschafft.
Zweite Säule ist die Qualitätsverbesserung: Die Kliniken werden bestimmten „Leistungsgruppen“ zugeordnet, zum Beispiel „Kardiologie“ oder „Neurologie“, wenn sie in diesen Bereichen wirklich gut sind. NRW, das diesen Weg bereits eingeschlagen hat, dient hier als Vorbild für die deutschlandweite Reform.