Essen. Rund ein Viertel der Kinder und Jugendlichen in NRW ist von Armut betroffen. Oft bleiben finanzielle Hilfen ungenutzt. Wie das Land hilft.

Weil die Zahl der von Armut gefährdeten Minderjährigen in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr weiter angestiegen ist, will die Landesregierung den Kampf gegen Kinderarmut verstärken. Ein Problem sei, dass die zur Verfügung stehenden finanziellen Hilfen oft ungenutzt blieben, betonten Familienministerin Josefine Paul (Grüne) und Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Montag auf einem Fachkongress in Essen.

„Wir müssen das, was wir auf den Weg gebracht haben, für alle erreichbar machen“, sagte Laumann. Dass dies bislang nicht gelinge, liege unter anderem an zu komplexen Antragsverfahren: „Leistungen für Bildung und Teilhabe sind nur zu einem Drittel bei bedürftigen Kindern im Land angekommen.“

Über 25 Prozent der Kinder in NRW sind armutsgefährdet

Neue Zahlen des Landes zufolge lag der Anteil von armutsgefährdeten Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren im Jahr 2022 bei 25,9 Prozent. Zwei Jahre zuvor waren es noch 23,4 Prozent. Getrieben wurde die Entwicklung durch die Energiekrise und explodierende Lebensmittelkosten, immer mehr junge Menschen leben deshalb in Haushalten mit Transferleistungen, etwa dem Bürgergeld.

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„Die Zahlen sind besorgniserregend“, sagte Familienministerin Paul beim „Fachkongress Kinder- und Jugendarmut des Landes NRW“. Denn Kinder- und Jugendarmut sei seit Jahren ein nicht gelöstes, strukturelles Problem. „Damit dürfen wir uns nicht abfinden“, betonte Paul. Gemeinsam mit Sozialminister Laumann stellte die Ministerin ein Maßnahmenpaket vor, wie junge Menschen, die in Armut aufwachsen, mehr Unterstützung bekommen sollen.

Land unterstützt mit 150 Millionen Euro

Dazu zählt, dass die Landesregierung den im Dezember beschlossenen Pakt gegen Kinderarmut weiter voran treiben will. Dabei sollen vor allem Kinder und Jugendliche selbst miteinbezogen werden. Für die Kommunen stehen hieraus rund 150 Millionen Euro zur Unterstützung finanziell benachteiligter Menschen zur Verfügung. Die daraus entstandenen Programme wie Lotsendienste in Geburtskliniken oder Familiengrundschulzentren müssten besser miteinander verzahnt werden, so Paul.

Insgesamt lag der Anteil von armutsgefährdeten Menschen in Nordrhein-Westfalen 2022 bei 18,7 Prozent – ein Plus von 0,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Kinder sind nach wie vor die größte Gruppe, die von Geldnot betroffen ist. Als armutsgefährdet gelten Menschen, die weniger als 60 Prozent des mittleren Haushaltseinkommens der Gesamtbevölkerung zur Verfügung haben.

Wie es sich anfühlt, zu wenig Geld für Hobbies, Kinobesuche oder Markenklamotten zu haben, schilderte auf dem Kongress Abiturient Nico Schuwald. Durch einen schweren Schicksalsschlag in der Familie ist der Jugendliche in die Armut gerutscht. „Für junge Menschen ist das Thema oft mit viel Scham verbunden“, berichtete er.

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