Düsseldorf. Hilfe für Nicht-Schwimmer: NRW schafft fünf mobile Becken an. Jetzt ist klar, wie sie ab Herbst auf das Land verteilt werden sollen.

Es muss irgendwann in den Weihnachtsferien gewesen sein, als Andrea Milz zuhause über deprimierenden Zahlen saß. Eine Umfrage der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) hatte ergeben, dass 20 Prozent der Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren nicht mehr schwimmen können. Eine Verdoppelung innerhalb von fünf Jahren. Corona beschleunigte den Negativtrend. Außerdem schließen laut DLRG bundesweit jedes Jahr 80 Schwimmbäder. Ohne Wasser kein Seepferdchen.

„Ich habe gedacht, das kann doch nicht wahr sein, und dann habe ich mal angefangen zu googeln“, erzählt die NRW-Sportstaatssekretärin Milz am Montag in der Staatskanzlei. Wenn für Olympia riesige mobile Wettkampfbecken aufgestellt würden, dann müsse es doch möglich sein, das eine oder andere Bassin für die Basis zu organisieren. Zumal sich Frankreich und die Schweiz schon länger mit mobilen Wasserflächen zu helfen wissen.

Am Ende dieser Privatrecherche steht nun das Landesprojekt „Narwali“. Das Land stellt drei Millionen Euro für fünf Schwimmcontainer zur Verfügung, die von Lastwagen ab Herbst zwei Jahre lang durch die fünf Regierungsbezirke gezogen werden. Die Becken sind zwischen 12 und 15 Metern lang und 2,40 Meter breit. Eine Umkleide passt auch noch auf den Truck. Bis zu acht Kinder können so gleichzeitig Schwimmen lernen. Vor allem an Grundschulstandorten, die sonst keine Möglichkeit zur Wassergewöhnung bieten können, sollen die Container für jeweils vier bis sechs Wochen Station machen.

Fünf Vereine und Verbände übernehmen das Schwimmtraining

Natürlich wären richtige Schwimmbäder in möglichst vielen Stadtteilen besser, sagt Milz: „Aber die kosten sehr viel Geld, und es dauert Jahre, bis sie da sind.“ Über den Einsatz der Schwimmcontainer entscheidet das Land nicht allein, sondern verlässt sich auf je einen „Projektträger“ pro Regierungsbezirk. Es sind Vereine oder Sportbünde, denen man die beabsichtigte „Roadshow für das Schwimmen“ zutraut: SV Hattingen (Regierungsbezirk Arnsberg), Kreissportbund Paderborn (Detmold), Bayer Uerdingen (Düsseldorf), Kreissportbund Düren (Köln) und TV Jahn Rheine (Münster). „Unser Motto lautet: Wir zahlen, die Projektpartner machen“, sagt Milz.

Die Landesregierung setzt zwar zusätzlich einen Projektmanager ein, der bei der Koordinierung hilft. Doch die Sportler selbst stellen ihre Trainer ab und organisieren die Kurse. Das Schwimmenlernen für Kinder muss grundsätzlich kostenlos sein, weitere Angebote wie Rehasport oder Wassergymnastik können dagegen abgerechnet werden. Der besondere Anreiz für die Projektträger: Sie dürfen nach Ablauf von zwei Jahren die vom Land bezahlten Container in Vereins- oder Verbandsbesitz nehmen.

Wie immer, wenn eine gute Idee auf deutsche Gründlichkeit trifft, stehen vor dem ersten Schwimmzug natürlich Genehmigungsweg und Haftungsausschluss. Bei einem Pilotversuch mit einem ersten Becken vor zwei Wochen auf einen Schulhof in Düren stellte sich nach Erinnerung von Wolfgang Schmitz vom lokalen Kreissportbund jedoch nur ein ernsthaftes Problem: „Wie kriegen wir die Kinder bei angenehmen 31 Grad Wassertemperatur wieder aus dem Becken?“ Auch an die Ökobilanz ist gedacht: Solarplatten auf dem Dach sollen die Heizung mit Wärmepumpenstrom versorgen. Das Wasser wird jeweils nach Ende eines Container-Einsatzes entklort und Bauern zum Gießen ihrer Pflanzen überlassen.

Die bunte Staatssekretärin mit dem kreativen Ideen

Auf den Namen „Narwali“ ist CDU-Politikerin Milz besonders stolz, da es sich vom Stoßzahn-Narwal ableitet, der die Landesbuchstaben „NRW“ im Namen trägt. Auf dem fröhlichen Logo, das jeden Container-Truck in Landesfarben zieren soll, sieht es ein wenig aus wie die Kreuzung aus Flipper und Einhorn. Es wirkt zugleich wie das Wappen des wohl ungewöhnlichsten Kabinettsmitglieds von Ministerpräsident Hendrik Wüst. Die 60-jährige Milz beackert schon seit 2017 als erste Sportstaatssekretärin sämtliche Vereine und weiß mit drei Millionen Euro eben Kreativeres anzustellen als viele andere.

Die gelernte Fremdsprachenkorrespondentin aus Bonn ist selbst Trainerin für Indoorcycling und Zumba. Armin Laschet machte sie einst zur Staatssekretärin und schien seine heimliche Freude daran zu haben, die Welt der grauen Sportpolitiker und Verbandsfunktionäre mit dieser fröhlichen Frau in schrillen Outfits in Schwung zu bringen. Milz war mal Teepflückerin auf Sri Lanka, Goldschürferin in Peru und hat auf Hawaii Hula-Tanz gelernt. Wer sie für ein Grußwort einlädt, erlebt schon mal, wie sie den gesamten Sportkongress zur Morgengymnastik animiert.

„Sportler sind doch einfach toll“, sagt sie am Montag noch. Der Kreissportbund Paderborn hat da gerade angekündigt, seinen Schwimm-Container im ersten Jahr den Kollegen im 200 Kilometer weit entfernten Euskirchen zu überlassen. Die hätten ihn nach den Zerstörungen der Jahrhundertflut nötiger.