An Rhein und Ruhr. Erwerbstätige Flüchtlinge können nicht immer in Wohnungen untergebracht werden. In Sammelunterkünften berechnen Kommunen ihnen hohe Kosten.

Zwölf Quadratmeter. So viel Platz muss ein Erwachsener haben, um in einer Wohnung zu leben, die „ausreichend“ Wohnraum bietet. So sieht es das Aufenthaltsgesetz vor. Zwölf Quadratmeter können teuer sein. Nicht in Düsseldorf, sondern in Castrop-Rauxel. Jedenfalls dann, wenn man ein anerkannter Asylbewerber ist, arbeitet, und in einer städtischen Gemeinschaftsunterkunft lebt. Dann sind pro Monat für zwölf Quadratmeter 581,16 Euro fällig, hat der Flüchtlingsrat NRW ausgerechnet. Ein Extrembeispiel. Der Flüchtlingsrat kritisiert aber generell, dass die Kommunen an Rhein und Ruhr erwerbstätigen Flüchtlingen, die in Gemeinschaftsunterkünften leben, viel Geld aus der Tasche ziehen.

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Wenn ein Asylbewerber einen für ihn positiven Asylbescheid bekommen hat, also anerkannt wird, oder einen Schutzstatus als Flüchtling erhält, muss er sich eigentlich eine Wohnung suchen. Häufig bleiben Flüchtlinge aber auch dann in den Gemeinschaftsunterkünften. Manchmal, weil sie die Unterkunft nicht verlassen wollen, meistens aber deshalb, weil für sie auf dem Wohnungsmarkt schlicht nichts zu finden ist. Die Kosten für die Sammelunterkünfte können die Städte selbst per Satzung festlegen.

Einzelpersonen sind schwer in Wohnungen vermittelbar

In Moers beispielsweise leben derzeit 179 Menschen in Gemeinschaftsunterkünften, obwohl sie eigentlich schon hätten ausziehen können. Darunter vier Großfamilien mit insgesamt 40 Menschen und „relativ viele Einzelpersonen“, berichtet Klaus Janczyk, Sprecher der Stadt. Leute, die auf den Wohnungsmarkt nur schwer vermittelbar sind.

Im Durchschnitt berechnet die Stadt für die Gemeinschaftsunterkünfte pro Person Kosten von 17,12 Euro pro Monat und Quadratmeter. Der städtische Mietspiegel, der eine Richtlinie für die ortsüblichen Mieten ist, gibt für Moers einen Spitzenwert von 9,24 Euro pro Quadratmeter an, als Niedrigstwert 5,81 Euro.

Hohe Kosten für Sicherheitsdienste

Die deutlich höheren Kosten in den Flüchtlingsunterkünften erklären sich laut der Stadt vor allem durch die Aufwendungen für die Sicherheit. „Die Sicherheitsdienste machen ein Drittel der Kosten aus“, so Stadtsprecher Janczyk. Das meiste Geld wird komplett vom Bund erstattet. Gekniffen sind die anerkannten Flüchtlinge, die erwerbstätig sind. Sie müssen selbst zahlen. „Wir sind gehalten, uns die Kosten zurückzuholen“, argumentiert Janczyk.

In Kleve leben derzeit nach Angaben der Stadt noch 15 anerkannte Asylbewerber in den Gemeinschaftsunterkünften. Sie müssen pro Kopf 309,66 Euro zahlen, wenn sie denn berufstätig sind. Die Stadt verweist aber darauf, dass die örtliche Caritas bei dieser Wohnungssuche helfe.

Große Unterschiede zwischen den Kommunen

Kleve und Moers liegen bei den Kosten unter denen, die Castrop-Rauxel per Gebührensatzung für die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften berechnet. Laut Flüchtlingsrat NRW liegen beispielsweise auch Dormagen (43,60 Euro pro Quadratmeter inklusive Nebenkosten) oder Lüdenscheid (28,02 Euro pro Quadratmeter ohne Nebenkosten) deutlich über den Niederrhein-Kommunen.

Wesentlich kostengünstiger kommen Flüchtlinge in Essen weg. Die Stadt berechnet per Satzung monatlich lediglich 86,09 für eine Einzelperson in einer Sammelunterkunft, eine vierköpfige Familie muss 316,61 Euro entrichten.

Flüchtlingsrat: Leute sollen etwas von ihren Einkünften behalten

Generell sei das Anliegen der Städte und Gemeinden, Kosten, die sie zurückerstattet bekommen, hochzurechnen, durchaus nachvollziehbar, spöttelt Flüchtlingsrats-Geschäftsführerin Birgit Naujoks. Das dürfe aber nicht zu Lasten derjenigen Flüchtlinge gehen, die arbeiteten. „Die Leute sollten etwas von ihren Einkünften übrig behalten.“ Naujoks plädiert in solchen Fällen für Ermäßigungen für die Betroffenen.

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Auch Pro Asyl kritisiert das Vorgehen der Städte und Gemeinden. Viele Kommunen „knöpfen den Flüchtlingen echt viel Geld ab“, sagte Bernd Mesovic, Leiter der Abteilung Rechtspolitik, der Nachrichtenagentur epd. Er halte es für fraglich, ob sämtliche Betriebskosten der Flüchtlingsheime auf zahlungsfähige Bewohner umgelegt werden sollten. Darüber, wie viele Flüchtlinge überhaupt betroffen sind, herrscht Unklarheit. Zahlen werden nicht erhoben.

Städte- und Gemeindebund: Wir brauchen Wohnungen

Der Städte- und Gemeindebund nimmt die Kommunen gegen den Vorwurf der Abzocke in Schutz. In die Unterkunftskosten flössen häufig diverse Posten ein, etwa Hausmeister- oder Sicherheitsdienste, außerdem seien Sammelunterkünfte während des Höhepunkts der Flüchtlingskrise oft aus dem Bode gestampft worden, weswegen Abschreibungen zu Buche schlügen, rechnet Sprecher Philipp Stempel vor. Er plädiert dafür, anerkannte Asylbewerber möglichst rasch aus den Sammelunterkünften zu holen, auch, damit sie sich besser integrieren können: „Wir müssen Wohnungen anbieten“, so Stempel.

In Oberhausen versucht man das Problem pragmatisch anzugehen. Dort leben derzeit 70 anerkannte Asylbewerber in städtischen Sammelunterkünften, allerdings ist nach Auskunft der Stadt kein „Selbstzahler“ darunter. Falls jemand arbeite, müsse er sich in „angemessener Weise“ an den Kosten beteiligen. Dies sei im Einzelfall zu prüfen, so ein Sprecher der Stadt.