Düsseldorf. Designer-Leuchte im Putzraum, ungenutztes Edel-Bistro: Beim Umbau der NRW-Staatskanzlei lief vieles aus dem Ruder. Wer trägt die Verantwortung?

Gebeiztes Fischgrätenparkett, Designer-Barhocker, Deckenspiegel, voluminöser Hotel-Tresen. Ein Foto des neuen Staatskanzlei-Bistros, das der „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Freitag veröffentlichte, hat die Debatte über Korruptionsvorwürfe, Aufsichtsversagen und Verschwendung beim Umbau der Düsseldorfer Regierungszentrale weiter befeuert.

Zumal besagtes Bistro ab Montag zum edelsten Pausenraum des NRW-Politikbetriebs verkümmert. Der Kantinen-Pächter hat nach nur acht Wochen schon wieder aufgegeben, weil sich die Bewirtung der etwa 300 Ministerialbeamten offenbar nicht rechnet. Die Bewirtung wird eingestellt, die schicke Lokalität kann dann nur noch mit mitgebrachter Pausenstulle aufgesucht werden. Zu viele Staatskanzlei-Mitarbeiter gehen mittags lieber ins wenige Hundert Meter entfernte Landtagsrestaurant, das seit Jahrzehnten Treffpunkt für Beamte, Abgeordnete, Lobbyisten und Journalisten ist.

Die Posse steht sinnbildlich für ein ernstes Thema, das längst die auf Korruptionsfälle spezialisierte Staatsanwaltschaft Wuppertal, eine Ermittlungskommission des Landeskriminalamtes und demnächst möglicherweise einen Untersuchungsausschuss des Landtags beschäftigt.

Korruption bei Staatskanzlei-Umbau: Ermittlungen gegen sieben Beschuldigte

Strafrechtlich ermittelt wird gegen sieben Beschuldigte. Es handelt sich um Mitarbeiter des Bau- und Liegenschaftsbetriebes (BLB), des Büros eines renommierten Architekten, eines Leuchtenhersteller aus dem Münsterland und eines Elektrobetriebs aus Düsseldorf. Sie sollen die Steuerzahler beim Umbau des „Landeshauses“ am Rheinufer gemeinschaftlich um Millionen geprellt haben.

Nach dem Regierungswechsel 2017 hatte Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) entschieden, den Regierungssitz aus angemieteten Büroräumen im modernen „Stadttor“ in das historische Verwaltungsgebäude „Landeshaus“ zu verlegen. Das brachte schon aus Sicherheitsgründen eine umfassendere Ertüchtigung mit sich. Der Komplex diente zwischen 1911 und 1945 als Zentralverwaltung des Rheinischen Provinzialverbandes und zwischen 1961 und 1999 schon einmal als Teil der Regierungszentrale.

Auch der Hintereingang der Staatskanzlei erhielt ein völlig neues Portal.
Auch der Hintereingang der Staatskanzlei erhielt ein völlig neues Portal. © dpa | Henning Kaiser

Zunächst wurde öffentlich der Eindruck einer bescheidenen Renovierung erweckt. Der genaue Umfang des Sanierungsauftrags blieb aber ebenso im Nebel wie der Budgetrahmen. Das bot augenscheinlich ein Einfallstor für Betrüger. „Der Objektplaner nutzte diverse Möglichkeiten, um den Projektumfang auszuweiten. Auch die Nutzerwünsche wurden im laufenden Projekt durch viele Änderungen erweitert und führten zu umfangreichen Nachträgen der planenden und der ausführenden Unternehmen“, heißt es in einem internen Revisionsbericht des BLB.

Kosten für Staatskanzlei-Umbau laufen seit Jahren aus dem Ruder

Nutzerwünsche sind Anforderungen, die von der Staatskanzlei selbst an die Umbaumaßnahmen gerichtet wurden. Die mutmaßliche Methode der kriminellen Machenschaften: Ausschreibungen wurden so manipuliert, dass bestimmte Firmen den Zuschlag erhielten und über Nachrechnungen Gewinne erzielten, die man sich teilte. Schon bei der Vergabe des Umbauauftrags an das Architektenbüro, das ersten Erkenntnissen zufolge eine höchst fragwürdige Rolle spielte, soll es nicht mit rechten Dingen zugegangen sein.

Irgendwann muss sich das Projekt verselbstständigt haben. Inzwischen sind sieben Jahre ins Land gezogen und mutmaßlich mehr als 55 Millionen Euro verbaut worden. Ende offen.

Normalerweise wäre die Sache allein ein Fall für Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU), dem der BLB untersteht. Seit Mitte Januar eine Großrazzia in mehreren NRW-Städten die schon länger verdeckt laufenden Korruptionsermittlungen öffentlich gemacht hat, leitete Optendrenk das Notwendige in die Wege.

Der Minister beauftragte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte mit einer unabhängigen Durchleuchtung der Kontrollsysteme. Die Schiebereien waren schließlich nicht intern aufgefallen, sondern erst durch den externen Hinweis eines Unternehmers. Er wolle sicherstellen, dass Korruptionsanfälligkeit kein „systemischer Punkt“ beim BLB sei, betonte Optendrenk am Freitag im Landtag.

Die politische Debatte zielt jedoch längst in eine andere Richtung. „Wer hat bei der Sanierung des Palastes am Horionplatz durch Sonderwünsche die Kosten explodieren lassen“, fragte SPD-Fraktionsvize Christian Dahm. Er findet es empörend, dass die schwarz-grüne Koalition im Sozialbereich rabiat kürze, aber für „Protz und Prunk“ am eigenen Arbeitsplatz das Steuergeld „aus dem Fenster“ werfe.

Designer-Leuchten im Abstellraum der Staatskanzlei

Dem aktuellen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU) persönlich kann man schwerlich einen Vorwurf machen, weil er weder den Staatskanzlei-Umzug 2017 noch die fragwürdigen Bauaufträge bis Ende 2021 zu verantworten hat. Die SPD will dennoch konkret wissen, welche Staatskanzlei-Vertreter an sogenannten „Bemusterungsterminen“ teilgenommen haben, bei denen teilweise aberwitzige Aufträge freigezeichnet wurden.

Der interne BLB-Revisionsbericht, der seit Tagen die Runde macht, listet allerlei Merkwürdigkeiten auf. Entgegen der ursprünglichen Planung wurden Büros nachträglich zu dem edlen Bistro umgebaut und eine Küche um Zehntausende Euro teurer als veranschlagt. „Warum wurden bei der ursprünglichen Planung die Nutzerwünsche nicht berücksichtigt?“, fragen die Prüfer.

Auch am Pressesaal der Staatskanzlei wurde nicht gespart. „Da das Beleuchtungsmittel in die bestehende Decke integriert werden sollte, bestand keine Notwendigkeit, ein extrem teures System wie das der XX einzubauen“, moniert der Bericht. Man hätte allein an diesem Detail bis zu 200.000 Euro sparen können.

Fragen werfen auch kuriose 1129,93 Euro auf, die für Mitarbeiter und Besucher der Regierungszentrale nicht einmal zu sehen sind: „Des Weiteren ist nicht nachvollziehbar, warum ein untergeordneter Bereich wie Lager/Putzmittel- oder Abstellräume mit teuren Designer-Leuchten ausgestattet werden sollten und dies bei der Nachtragsprüfung bestätigt und beauftragt wurde“, kritisiert der Bericht.

Unklar bleibt auch, weshalb zwei Schrankfächer im Kabinettssaal für mehr als 6000 Euro mit Messing ausgeschlagen werden sollten. Angeblich ein „Nutzerwunsch“.