Berlin. Angela Merkel tut, was sie nur ganz selten tut. Sie meldet sich zu Wort – und wirft ihrem Nachfolger Wortbruch vor. Das ist riskant.
Merkel ist sauer – und tief besorgt. Und Merkel tut, was sie nur ganz selten tut. Sie meldet sich zu Wort. Die Botschaft ist klar – in einem Satz zusammengefasst: Hast du noch alle Tassen im Schrank, Friedrich? Die Bundeskanzlerin a. D. formuliert das selbstverständlich formaler, aber es bleibt unmissverständlich scharf: Sie halte es für falsch, „sehenden Auges erstmalig bei einer Abstimmung im Deutschen Bundestag eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD zu ermöglichen“.
Friedrich Merz habe am 13. November versprochen, bis zur Wahl zu verhindern, dass die AfD zur Mehrheitsbeschafferin werde. Das sei gut und richtig gewesen. Sie sagt es nicht wörtlich, aber sie meint es exakt so: Am Mittwoch hat Merz sein Wort gebrochen.
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Die Einmischung ist ein Paukenschlag. Angela Merkel hält nicht nur ein Stoppschild hoch. Merkel stellt sich argumentativ auf die Seite von Olaf Scholz (SPD) und Robert Habeck (Grüne). Sie tut, was man nur in höchster Not tut: Drei Wochen vor der Bundestagswahl maßregelt sie öffentlich den Kanzlerkandidaten der eigenen Partei. Sie nimmt in Kauf, dass er dadurch nachhaltig beschädigt wird. Sie weiß das und tut es trotzdem. Der kalte Krieg zwischen Merz und Merkel – jetzt ist er wieder offen ausgebrochen.
In den Merz-kritischen Kreisen der CDU wird heute womöglich mancher eine dankbare SMS an Merkel schicken. Spricht sie doch aus, was viele in der Union denken, aber aus Parteidisziplin nicht laut sagen wollen. Am Ende aber wissen alle: Merkel mag mit ihrem Wortbruch-Vorwurf einen Nerv treffen, doch sie bricht mit den ungeschriebenen Spielregeln. Sie muss sich fragen lassen, was sie damit bezweckt. Im schlimmsten Fall treibt sie den impulsiven Merz nur in eine riskante „Jetzt-erst-Recht“-Haltung.