Berlin. Am 27. Januar jährt sich die Befreiung des KZ Auschwitz zum 80. Mal. Unter jungen Menschen gibt es erhebliche Wissenslücken zur Schoah.
Gut jeder zehnte junge Erwachsene in Deutschland hat laut einer Umfrage noch nie etwas von den Begriffen Holocaust oder Schoah gehört. In Deutschland sagten dies auf eine entsprechende Frage 12 Prozent der Befragten. In Österreich waren es 14, in Rumänien 15 und in Frankreich mit 46 Prozent sogar fast die Hälfte der jungen Menschen. Für die Studie hat die Jewish Claims Conference jeweils 1000 junge Erwachsene zwischen 18 und 29 Jahren in Deutschland, Frankreich, Österreich, Großbritannien, Polen, Ungarn, Rumänien und den USA befragt.
In all diesen Ländern gibt es laut der Befragung einen erheblichen Anteil von jungen Menschen, der nicht weiß, dass während der NS-Zeit in Europa bis zu sechs Millionen Juden ermordet wurden. So liegt der Anteil in Deutschland bei 40 Prozent. 15 Prozent sagten, dass im Holocaust nur zwei Millionen Juden oder weniger ermordet wurden. 2 Prozent aller Befragten in Deutschland stimmten gar der Aussage zu, der Holocaust habe nicht stattgefunden.
Fast die Hälfte der Befragten jungen US-Amerikaner, 48 Prozent, habe zudem kein einziges Lager oder Ghetto nennen können, das von den Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkrieges errichtet wurde. In Deutschland und Ungarn waren dies 18 Prozent, in Österreich 10 Prozent und in Polen 7 Prozent aller Befragten.
Auch interessant
Umfrage: Viele haben Angst, dass sich so etwas wie der Holocaust wiederholen könnte
Eine große Mehrheit in allen Ländern äußerte zudem die Befürchtung, dass sich so etwas wie der Holocaust wiederholen könnte. Am größten ist die Angst davor in den USA, wo 76 Prozent und damit über drei Viertel der Befragten dies äußerten. In Großbritannien waren es 69 Prozent, in Frankreich 63 Prozent, in Österreich 62 und in Deutschland 61 Prozent. Die Umfrage fand bereits im November 2023 statt – also noch vor einschneidenden Ereignissen wie etwa den Wahlen in den USA oder Österreich. Die Daten wurden jetzt erstmals veröffentlicht.
„Die alarmierenden Wissenslücken, insbesondere bei den jüngeren Generationen, machen deutlich, dass eine effektivere Holocaust-Aufklärung dringend erforderlich ist“, betonte der Präsident der Claims Conference, Gideon Taylor, zu den Ergebnissen der Studie. Rüdiger Mahlo, Europa-Repräsentant der Claims Conference, bezeichnete den Index als Weckruf für alle Regierungen in Europa für mehr Holocaust-Aufklärung.
Auch interessant
Zentralrat der Juden ist besorgt über Wissenslücken von jungen Menschen
Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland zeigte sich alarmiert über die Ergebnisse: „Der besorgniserregende Anstieg antisemitischer verbaler und körperlicher Gewalt, den wir in Deutschland beobachten, hat seine Wurzeln zu einem großen Teil in der Desinformation und dem Mangel an Informationen über den Holocaust“, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster. Die Studie zeige die Dimension, insbesondere mit Blick auf junge Erwachsene. Er forderte, dass Politik, Bildung und Medien gemeinsam gegensteuern und historische Aufklärung betreiben müssten.
Die Begriffe Holocaust und Schoah beschreiben die systematische Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch die deutschen Nationalsozialisten und deren Unterstützer. Nach aktuellem Forschungsstand wurden zwischen 1933 und 1945 bis zu sechs Millionen Juden getötet, davon etwa eine Million im Vernichtungslager Auschwitz im von Deutschland besetzten Polen. Das Lager wurde vor 80 Jahren, am 27. Januar 1945, von der Roten Armee befreit. Heute ist dieses Datum der internationale Gedenktag für die Opfer des Holocaust. Auch in diesem Jahr wird es in der Gedenkstätte Auschwitz wieder eine Gedenkfeier geben, an der auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier teilnehmen wird.
Die 1951 gegründete Jewish Claims Conference entschädigt Holocaust-Überlebende in aller Welt. Im Jahr 2024 verteilte sie nach eigenen Angaben mehr als 535 Millionen Dollar an Entschädigungen an mehr als 200.000 Überlebende in 83 Ländern.