Berlin. Hubertus Heil setzt auf das Gesetz der Serie: Auf eine neue SPD-Aufholjagd im Wahlkampf. Bei „Markus Lanz“ wird er bei einem Thema giftig.
Seine ZDF-Talkrunde eröffnet Markus Lanz mit einer Rückschau: mit dem „Hickhack“ um die K-Frage bei der SPD. Der Hauptgast, Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), will allerdings ungern im Rückspiegel auf die Bestimmung des Kanzlerkandidaten schauen.
Heil will lieber auf die „Überholspur“ abbiegen. Ein gewagtes Bild. In Umfragen ist seine Partei bei 14 Prozent. Heil ist zuversichtlich, dass die SPD die Standspur hinter sich lassen wird. Später sollte er es mit der Ukraine- und der Sozialpolitik begründen, warum er seiner Partei Aufholjagden wie schon in den Wahljahren 2005 und 2021 zutraut.
„Unterschätzen Sie diesen Kanzler nicht“, mahnt Heil und räumt immerhin eine Mini-Kritik an der SPD-Kandidatenfindung ein: „Das war nicht elegant. Aber die SPD muss sich jetzt ums Land kümmern, und die Partei hat sich um Olaf Scholz gesammelt.“
Macht Scholz mit dem Krieg Wahlkampf
Das wird von den Gästen – zwei Journalisten, einem Politologen – bezweifelt und mit Sachkritik an Scholz begründet. Sie fragen, ob überhaupt in allen Landesverbänden für Scholz plakatiert werde.
Manches sei ja unter Kanzler Scholz gut gelaufen, so der „Stern“-Politikchef Veit Medick. Aber Olaf Scholz habe seinen Markenkern verloren: Verlässlichkeit, Stabilität, Solidität. Wenn der Kanzler behaupte, es laufe alles gut in Deutschland und ein „Weiter-so“ predige, dann sei das ein Albtraum für die Menschen: „Er hat keine Erzählung mehr.“
„Die SPD kuscht nicht vor Putin“
Am Beispiel der Ukrainepolitik erläutert dann der Politologe Frank Sauer von der Bundeswehrhochschule München seine Bedenken gegenüber Scholz. Dessen Politik sei von 60 Prozent Besonnenheit und 40 Prozent Entschlossenheit geprägt. Dabei wäre das umgekehrte Verhältnis besser. Man brauche endlich „erwachsene Reaktionen“ auf Kremlchef Wladimir Putin statt „infantile Debatten“.
Sauer hätte längst die Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine geliefert, als Frankreich und Großbritannien eigene Marschflugkörper bereit stellten: „Da hätte sich Deutschland unterhaken sollen, statt nur nach den USA zu gucken“.
Ob der Kanzler mit dem Kriegsthema die Ängste der Bürger schüre, etwa mit dem Hinweis auf die „furchtbare Situation“ nach dem Abwurf einer Mittelstreckenrakete über der Ukraine, das war dann ein dominantes Thema. „Wenn ihr uns wählt, passiert Euch nichts“, wolle der Kanzler den Bürgern signalisieren, meint Sauer – spätestens da ist Hubertus Heil allerdings auf Krawall gebürstet.
Wut über „Generalfeldmarschälle“
Er lasse persönliche Anwürfe von „Generalfeldmarschällen“ nicht zu, die bei Twitter lebten, aber keine Regierungsverantwortung trügen. Wobei Heil sich aber nicht direkt auf Sauers Kritik, sondern auf die eines anderen, ungenannten Verteidigungsexperten bezog.
Scholz trage nun mal eine Gesamtverantwortung als Kanzler. Es sei neben der Unterstützung einer freien Ukraine sein Anliegen, einen Krieg zwischen Russland und der Nato zu vermeiden. Nein, die SPD schüre keine Ängste, so Heil, das täten Parteien wie die AfD und das BSW-
„Das ist ein Flip-Flop-Merz“
Die SPD erkenne an, dass es Menschen in Deutschland gebe, die Ängste und Sorgen haben. Und mit denen müsse man reden: „Wir können die nicht in eine Ecke stellen. Wir brauchen den Rückhalt der Bevölkerung, wenn wir uns länger für die Ukraine engagieren wollen.“
Es dürfe keinen Diktatfrieden von Moskau für die Ukraine geben. Deutschland sei unter Scholz eines der größten Unterstützerländer von Kiew: „Die SPD kuscht nicht vor Putin.“
Beim Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) erkennt Heil im Gegensatz dazu eine wankelmütige Haltung. Der sei erst vehement für die Taurus-Lieferung gewesen, kurz vor den Wahlen in Ostdeutschland habe er die Position abgeschwächt und nach den Wahlen wieder verstärkt: „Das ist ein Flip-Flop-Merz.“
„Politik gegen junge Leute“
Ohne das Rententhema kann ein Talk mit dem Arbeitsminister nicht laufen, obwohl das Schicksal des Rentenpakets II – mit dem die SPD eine langfristige Stabilisierung des Rentenniveaus erreichen wollte – in den Sternen steht. Denn: Mit der Rest-Ampel ist es nicht mehr durchsetzbar.
Für die Wirtschaftsjournalistin Antje Hönig („Rheinische Post“) ist das ganz in Ordnung. Mit dem Projekt mache die SPD „Politik gegen die jungen Leute und die Arbeitnehmer“, da es mit steigenden Beiträgen verknüpft sei. Hönig wirft dem Arbeitsminister „Feigheit“ vor beim Thema Anhebung des gesetzlichen Rentenalters.
Wird das Renteneintrittsalter angehoben?
Heil wolle den heutigen Rentnern nicht mitteilen, dass es auf 68 oder 69 Jahre angehoben werden könnte, wenn sich die Lücke zwischen Beitragszahlern und Rentnern weiter geöffnet habe. „Und kommen Sie mir jetzt nicht mit dem Dachdecker“, mahnte Hönig den Minister – doch der bringt das Beispiel einer Stahlwerkerin aus Eisenhüttenstadt, die schon mit 16 Jahren zu arbeiten anfing und nach 45 Jahren ein Anrecht auf den Ruhestand habe.
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Auch zur Stabilisierung des Rentenniveaus bringt Heil ein Fallbeispiel: Wenn das nicht passiere, dann werde eine heute 49 Jahre alte Altenpflegerin 2040, wenn sie in Rente gehe, 1100 Euro weniger Rente im Jahr haben: „Das ist für die Frau richtig Geld!“
Die „Schlacht“ in der Rentenpolitik werde aber am Arbeitsmarkt geführt, so Hubertus Heil. Es müsse gelingen, mehr qualifizierte junge Leute, Frauen und Zuwanderer zur Erwerbstätigkeit zu bringen. Ausführlich ist die sozialpolitische Debatte dann über das laut Hönig zu hohe Bürgergeld fortgeführt worden, auch ein Anliegen der Union. Heil warnt davor, im Wahlkampf verschiedene soziale Gruppen oder Themen gegeneinander in Front zu bringen. „Rüstung für Rente“ zu fordern, das sei falsch. „Wir sollten die 16-Jährigen nicht gegen die 66-Jährigen ausspielen.“
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