Düsseldorf. Gegen die Lockerung der Personalvorgaben in NRW-Kitas formiert sich Widerstand. Warum Zehntausende Online-Petitionen unterzeichnen.
Gegen die Lockerung der Personalvorgaben für Kindertagesstätten in Nordrhein-Westfalen formiert sich offenbar größerer Widerstand als gedacht. Wie die Plattform „Change.org“ mitteilte, haben vier Online-Petitionen gegen die neue Verordnung von NRW-Familienministerin Josefine Paul (Grüne) bis zum Dienstagmorgen bereits knapp 70.000 Unterstützter gefunden.
Stärksten Zulauf hat demnach die Initiative mit dem Titel „Wir lassen nicht zu, dass die Kitas in NRW zu Aufbewahrungsstätten werden“ einer Mutter, die beklagt, dass die Regierungspläne nicht nur „eine unglaubliche Belastung für das Kitapersonal“ darstellten sondern auch Wohlergehen und Entwicklung der Kinder gefährdeten.
Die schwarz-grüne Landesregierung hatte in der vergangenen Woche eine Lockerung der Personalvorschriften angekündigt. Damit will man auf die zuletzt gestiegenen Meldungen von Notbetreuung und Gruppenschließungen reagieren.
Bislang sind zwei Erzieherinnen pro Ü3-Gruppe vorgeschrieben
Kitas sollen künftig bei Krankheitsausfällen auch dann geöffnet bleiben dürfen, wenn nur noch eine sozialpädagogische Fachkraft für 60 Kinder da ist. Bislang sind zwei Erzieherinnen pro Ü3-Gruppe vorgeschrieben. Mit der neuen Regel würde es ausreichen, wenn Ergänzungskräfte wie Kinderpfleger, Sozialassistenten oder Heilerziehungshelfer einspringen. Unter diesen Not-Bedingungen sollen Kitas einmal im Jahr für höchstens sechs Wochen arbeiten dürfen.
Die vereinfachte Personalverordnung dient laut Familienministerium auch dazu, Menschen, die nicht aus den pädagogischen Berufen kommen, zur Unterstützung in Kitas einsetzen zu können. Zu diesen „profilrelevanten Kräften“ zählen zum Beispiel Musiker, Gärtner und Handwerker. Vereinfacht wird darüber hinaus der Einsatz von Studierenden, Auszubildenden und von ausländischen Fachkräften.
Kommunen in NRW begrüßen gelockerte Kita-Personalvorgaben
Die Lockerung der Personalvorgaben hatte ein geteiltes Echo gefunden. Die kommunalen Spitzenverbände befürworten Pauls Änderungen, die den Trägern der Kindertagesbetreuung „mehr Verlässlichkeit in der Betreuung“ ermögliche. Die neue Personalverordnung schaffe mehr Flexibilität für Situationen mit akutem Personalmangel. Angesichts des eklatanten Fachkräftemangels sehen sich viele Kita-Träger - selbst wenn das Land die chronische Unterfinanzierung beseitigen würde - außer Stande, ein ausreichendes Personalpolster aufzubauen.
Die Bildungsgewerkschaften VBE und GEW äußerten dagegen Kritik. Die Lockerung berge erhebliche Risiken für die Qualität der frühkindlichen Bildung, der Aufsichtspflicht und damit für die Sicherheit und das Wohl der Kinder. Die SPD-Opposition im Landtag sprach von einem „Unding und einem Affront gegenüber allen Familien und Erziehungskräften im Land“. Kitas würden zu reinen „Parkhäusern“ degradiert. Eine Kita-Leitung beklagte gegenüber unserer Redaktion, mit dem Abbau der frühkindlichen Bildungsstandards könne man den Eltern auch gleich raten, ihre Sprösslinge „ins Bällebad eines Einrichtungshauses“ zu schicken.