Berlin. Viel zu lange hat die deutsche Politik an den ewigen Frieden geglaubt und an Sicherheit gespart. Das rächt sich jetzt bitter.

Mit Sicherheitsrisiken verhält es sich mitunter wie mit dem Älterwerden: Sie scheinen lange Zeit eine ziemlich abstrakte Angelegenheit zu sein, bis sie eines Tages nicht mehr zu leugnen sind. Besser ist es auf jeden Fall, sich rechtzeitig damit auseinanderzusetzen – damit es keine bösen Überraschungen gibt, wenn der Ernstfall eintritt.

Dieser Tage wird die deutsche Öffentlichkeit wieder einmal daran erinnert, dass das Land auf Krisenszenarien aller Art nur unzureichend vorbereitet ist. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), eine Behörde mit rund 500 Mitarbeitern und Sitz in Bonn, arbeitet an einem Bunker-Plan für Deutschland – offiziell heißt das Schutzraumkonzept. Dies geschieht im Auftrag von Bund und Ländern.

Sicherheit: Das Land hat am falschen Ende gespart

Jahrzehntelang dachte man hierzulande, dass ein bewaffneter Großkonflikt in Europa eigentlich nicht mehr denkbar sei und man sich Vorkehrungen aller Art im Wortsinn sparen könne. „Friedensdividende“ hieß das. Dieses Denken führte nicht nur dazu, dass diverse Regierungen – die längste Zeit unter Führung von Angela Merkel (CDU) – sehenden Auges die Bundeswehr herunterwirtschafteten. Sondern auch dazu, dass im großen Stil Einrichtungen und Infrastruktur aufgegeben wurden, die im Ernstfall dem Schutz der Zivilbevölkerung dienen können.

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Ehemaliger Hochbunker an der Kreuzung Albrechtstraße/Reinhardtstraße in Berlin: Der Bund will wieder verstärkt Schutzräume ausweisen, plant aber nicht den flächendeckenden Bau von Großbunkern. © picture alliance / Artcolor | Artcolor

Der Staat dünnte etwa das Sirenennetz aus und reduzierte die Zahl der öffentlichen Schutzräume. Knapp 580 davon gibt es noch, es waren einmal rund 2000. Nach Russlands Einmarsch in der Ukraine stoppte der Bund die Abwicklung. Und jetzt überprüft eben das BBK, welche öffentlichen Gebäude, Keller, U-Bahnhöfe und Tiefgaragen im Ernstfall dazu geeignet wären, der Bevölkerung Schutz vor lokalen Angriffen zu bieten.

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Man kann das alles überdreht und unnötig finden, aber das würde der tatsächlichen Bedrohungslage kaum gerecht. Die Wahrheit ist, dass die Friedensdividende eine gefährliche Wunschvorstellung war. Das Geld, das der Staat in Sachen Sicherheit in den vergangenen zwei, drei Jahrzehnten gespart hat, wird er in den kommenden Jahren binnen kürzester Zeit doppelt und dreifach ausgeben müssen.

Es ist nicht mehr möglich, den militärischen Schutz Deutschlands und Europas kostengünstig an die Amerikaner auszulagern. Und selbstverständlich hat die von Kanzler Olaf Scholz (SPD) ausgerufene „Zeitenwende“ auch eine zivile Dimension. Im Ernstfall – der hoffentlich nie eintritt – müssen die Bürger rechtzeitig gewarnt werden und wissen, wo sie sich in Sicherheit bringen können. Es geht zudem darum, die öffentliche Infrastruktur – etwa die Versorgungs- und Telekommunikationsnetze – widerstandsfähiger gegen Hacker-Angriffe und Sabotage feindlicher Mächte zu machen.

Kommentarfoto Thorsten Knuf
Politik-Korrespondent Thorsten Knuf. © Funke Foto Services | Reto Klar

All das kostet Geld – und zwar sehr viel. Das Sondervermögen für die Bundeswehr im Umfang von 100 Milliarden Euro, aufgesetzt unmittelbar nach Russlands Überfall auf die Ukraine, wird 2028 aufgebraucht sein. Dann müssen im großen Stil neue Mittel her, obwohl die Kassen eigentlich leer sind. Auch für den Zivil- und Katastrophenschutz wird in den kommenden Jahren viel Geld fließen müssen, hier stehen Bund und Länder gemeinsam in der Pflicht.

Folgende Prognose sei gewagt: Auch im Angesicht dieser immensen Aufgabe wird die kommende Bundesregierung nicht umhinkommen, die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse zu reformieren. Und zwar unabhängig davon, welche Partei die nächste Regierung anführen wird. Mit einer Sparschweinmentalität lässt sich Deutschlands Sicherheit auf Dauer nicht gewährleisten. Es wäre schön, wenn die maßgeblichen Parteien im anstehenden Bundestagswahlkampf den Mut fänden, die Dinge auch beim Namen zu nennen.