Berlin. Gesundheitsminister Lauterbach setzt sich im Bundesrat durch. Die Krankenhausreform kommt. Doch an den Plänen gibt es massive Kritik.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist am Ziel: Seine umstrittene Gesundheitsreform hat nach dem Bundestag am Freitag auch den Bundesrat passiert. Sie wird damit trotz des Scheiterns der Ampel-Koalition wie geplant Anfang kommenden Jahres in Kraft treten. Die Länderkammer hätte das Projekt auch in den Vermittlungsausschuss überweisen können. In diesem Falle wäre es wahrscheinlich nicht mehr zustande gekommen, denn im Februar soll ein neuer Bundestag gewählt werden. Wir erläutern, was die Reform für Patienten und die rund 1.700 Krankenhäuser bedeutet.
Was ist der Zweck der Krankenhausreform?
Die Finanzierung der Krankenhäuser in Deutschland soll auf eine neue Grundlage gestellt werden. Zugleich will Lauterbach die Qualität der Versorgung erhöhen. Die Kliniken sollen sich stärker spezialisieren und auf Behandlungen fokussieren, die sie gut beherrschen. Das bedeutet aber auch: Gerade kleinere Häuser auf dem Land werden nicht mehr alles anbieten können. Auf Patienten kommen längere Wege zu.
Der finanzielle Druck auf die Krankenhäuser ist enorm. Laut Gesundheitsminister schreibt die Hälfte von ihnen rote Zahlen, etwa ein Drittel der Betten ist nicht belegt. Nach einer Berechnung der Deutschen Krankenhausgesellschaft mussten seit 2022 mehr als 50 Kliniken Insolvenz anmelden. Nicht alle mussten schließen – doch steht immer auch die Frage im Raum, ob die Versorgung in der Fläche gewährleistet werden kann. Deshalb ist das Thema politisch so umstritten.
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) entließ am Freitag während der Bundesratssitzung seine Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne). Diese wollte gegen eine Anrufung des Vermittlungsausschusses stimmen, Woidke aber dafür. Der Vorgang ist ungewöhnlich, allerdings wäre Nonnemacher ohnehin in Kürze aus dem Amt geschieden: Nach den Landtagswahlen von Ende September steuert Brandenburg auf eine Koalition von SPD und BSW zu.
Welche Maßnahmen sind im Zuge der Klinikreform jetzt konkret geplant?
Aus Sicht von Minister Lauterbach ist klar, dass die Reform bedeutet: Bisher nicht oder wenig rentable Klinken werden schließen müssen. Das trifft vor allem Standorte auf dem Land. Dort will Lauterbach Krankenhäuser fusionieren und zu „sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen“ ausbauen. Die Einrichtungen arbeiten stärker ambulant. Zugleich sollen sich Klinken spezialisieren, einzelne Krankheitsbilder und Therapien zu Fachkompetenzen erweitern, sogenannte „Leistungsgruppen“. Welche Klinik welche Behandlung anbietet, entscheiden die Länder.
In Bezug auf die Finanzierung will Lauterbach weg von den Fallpauschalen, wonach Krankenhäuser pauschale Beträge für einzelne Behandlungen erhalten, etwa eine bestimmte Summe für eine Hüftoperation, egal wie einfach oder kompliziert der Einzelfall ist. Viele Fachleute üben Kritik an diesem Fallsystem, es übe starken ökonomischen Druck auf Einrichtungen aus, möglichst viele Patienten in möglichst kurzer Zeit zu behandeln. Diese Fallpauschalen sollen künftig nur noch 40 Prozent der Finanzierung ausmachen. 60 Prozent soll künftig über „Vorhaltepauschalen“ abgerechnet werden. Die Idee: Kliniken halten dauerhaft Plätze für bestimmte Behandlungen bereit – und stellen so die Versorgung der Menschen vor Ort sicher. Lauterbach bewertet diesen Ansatz als „Existenzgarantie“ für kleinere Kliniken – auch dann, wenn sie nur vergleichsweise wenige Behandlungen anbieten. Mit einer Transparenzoffensive will Lauterbach zudem Informationen und Daten zur Qualität von Behandlungen an einzelnen Standorten öffentlich machen.
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Was kommt durch die Krankenhausreform noch auf die Patienten zu?
Die neuen gesetzlichen Vorschriften zur Transparenz von Behandlungserfolgen in einzelnen Kliniken erhöht das Wissen der Patientinnen und Patienten zu den Standorten in ihrer Nähe, so die Idee. Menschen sollen sich laut Ministerium darauf verlassen können, dass medizinische Maßnahmen „wirklich nötig“ sind und „gut gemacht“ werden. Deutlich klarer als bisher sollen Patienten wissen, welche Klinik bei welcher Krankheit besonders gut helfen kann – und ob sich dafür auch ein weiterer Anfahrtsweg lohnt.
Genau da bestehen laut Kritikern der Reform auch Risiken: Die Wege zu den spezialisierten Kliniken könnten sich deutlich verlängern, weil nicht mehr jedes Krankenhaus jede Behandlung anbietet – beziehungsweise darauf spezialisiert ist. Umstritten ist, was zumutbar ist. Und was Kliniken gerade auf dem Land unbedingt weiter an Versorgung leisten müssen, etwa bei akuten Notfällen wie Schlaganfällen.
Was sind die weiteren Schritte der Klinikreform?
Das neue Gesetz tritt zum 1. Januar 2025 in Kraft. Die Umsetzung erfolgt aber in mehreren Schritten bis 2029. Das bedeutet, dass Patienten die Folgen jetzt nicht sofort spüren werden.
Wie stehen die einzelnen Bundesländer zu dem Gesetz zur Krankenhausreform?
Es gibt kein klares Meinungsbild, deshalb war die Abstimmung am Freitag auch mit großer Spannung erwartet worden. Viele Länder waren zwar grundsätzlich für die Reform, wollten aber Nachbesserungen und mehr Geld. Zur Abstimmung stand am Freitag nicht die Reform an sich – sondern auf Antrag Bayerns die Frage, ob das Vorhaben an den gemeinsamen Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat überwiesen werden sollte. Wenn es dafür eine Mehrheit gegeben hätte, wäre noch einmal der Bundestag gefordert gewesen. Dieser hatte Lauterbachs Gesetzentwurf Mitte Oktober angenommen – und damit vor dem Auseinanderbrechen der Ampelkoalition. Ob im Bundestag vor den geplanten Neuwahlen im Februar noch einmal eine Mehrheit für das Projekt hätte mobilisiert werden können, erschien ausgesprochen fraglich.
Was sagen die Kritiker der Krankenhausreform?
Das Deutsche Rote Kreuz (DRK), das auch zahlreiche Kliniken betreibt, spricht von einer „vermurksten Reform“. Die Krankenhausreform in dieser Form werde zur Schließung vieler Krankenhäuser insbesondere in ländlichen Regionen führen. Die nächste Bundesregierung müsse das Thema erneut auf die Tagesordnung setzen, um eine „vernünftige, zukunftsfähige und mit allen Beteiligten abgestimmte Krankenhausreform umzusetzen“, sagt DRK-Generalsekretär Christian Reuter.
Die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, sagte dieser Redaktion: „Gut, dass diese überfällige Reform jetzt kommt.“ Sie kritisierte aber die Ausgestaltung des sogenannten Transformationsfonds in Höhe von 50 Milliarden Euro, mit dessen Hilfe die Länder den Umbau der Krankenhauslandschaft finanzieren sollen. Die geplante Finanzierung sei „eine Zweckentfremdung von Beitragsmitteln“, sagte Engelmeier. „Das ist nicht nur verfassungsrechtlich äußerst bedenklich, sondern angesichts der ohnehin überaus angespannten Finanzlage in der gesetzlichen Krankenversicherung schlicht unverantwortlich.“
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