Berlin. Robert Habeck will Kanzler werden und inszeniert das entsprechend in den sozialen Netzwerken. Das klappt erst im zweiten Anlauf stilsicher.
Mit der Politik ist es häufig wie mit einem guten Witz. Timing ist alles! Robert Habeck weiß das eigentlich. Der kommende Kanzlerkandidat der Grünen hat auch in der Chaos-Koalition der Ampel in schwierigen Situationen passende Worte gefunden, manchmal sogar den Kanzler überstrahlt, wie nach dem Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023.
Umso verwunderlicher ist, was Habeck am Donnerstagabend in die Welt hinauspostete. Zum absoluten Tiefpunkt dieser Regierung, eine Ampel ist sie schon nicht mehr, teilt der Vizekanzler ein anbiederndes Schmunzel-Video, das seine Kanzlerkandidatur schon einmal „anteasen“ sollte, wie lässige Werber in Berlin-Mitte es formulieren würden.
Gespickt war das Video mit kleinen Hinweisen zum Mitraten: So trägt der Wirtschaftsminister in dem Clip unter anderem ein „Kanzler Era“-Armband. Habeck als Taylor Swift der Bundespolitik? Klingt schrill.
Auch die allerbesten Ideen haben ein Verfallsdatum. Als sich die Ampel diese Woche in Luft auflöste, hätte jemand aus Habecks Team schnell auf die Löschentaste drücken sollen. Manchmal muss man eben für die Mülltonne produzieren.
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Robert Habeck: Im zweiten Video plötzlich nachdenklich
Das Einzige, was an Habecks erstem Video stimmte, war die Überschrift, die er dazustellte: „Von hier an anders.“ Veränderung! Das ist es, was sich jetzt viele Menschen in diesem Land wünschen. Aber so sehr das Ampel-Gezanke der vergangenen Jahre genervt hat, für den Gute-Laune-Habeck war es zu früh.
Gebraucht hätte es dieses Filmchen nicht. Was Habeck als Kanzlerkandidat in die Waagschale werfen will, machte er tags darauf klar. In einem weiteren, fast neun Minuten langen Video war am Freitag plötzlich ein nachdenklicher Vizekanzler am Küchentisch zu sehen. Anderes Outfit, anderer Sound – das Video wurde erst nach dem Zusammenbruch der Ampel aufgezeichnet.
Auffällig: Habeck ruft die Kanzlerkandidatur aus, ohne den Begriff selbst in den Mund zu nehmen. Er sagt, dass er sich als „Kandidat“ der Grünen bewerben wolle – „für die Menschen in Deutschland“. Und dann der Nachsatz: „Wenn Sie wollen, auch als Kanzler.“
Auch Habeck weiß: Es ist ein kühner Spagat, den er vorhat und der ohne Demut nicht gelingen kann. Erst scheitern, und dann Führungsansprüche anmelden? Habeck will sich das „erarbeiten“. Er wird viel erklären müssen. Ob die Wähler da mitgehen, werden die nächsten Wochen und Monate zeigen.
Hinweis: Der Kommentar wurde nach der Veröffentlichung des zweiten Videos überarbeitet.