Tiflis/Moskau. Salome Surabischwili ruft deswegen zu Protesten in der Hauptstadt Tiflis auf. Sie spricht auch von massiver Gewalt in Wahllokalen.
Mit 54,09 Prozent hat die amtierende Regierungspartei, der prorussische Georgische Traum, die Parlamentswahl in Georgien gewonnen, verkündete der Wahlleiter in Tiflis am Sonntag das vorläufige Ergebnis. Die proeuropäischen Oppositionsparteien hätten lediglich 37 Prozent der Menschen gewählt. Aber stimmt das Ergebnis?
Der Vorwurf massiver Wahlfälschung steht im Raum. Präsidentin Salome Surabischwili sprach davon, dass die Wahlen durchgehend gefälscht worden seien. Sie will das Ergebnis nicht anerkennen – und ruft für Montag zu Protesten in Tiflis auf. Sie machte eine „russische Spezialoperation“ für den Ausgang der Wahl verantwortlich und sprach von einem „hybriden Krieg gegen das georgische Volk“, ohne diese Anschuldigungen zu präzisieren.
„Ich erkenne das Wahlergebnis nicht an“, erklärte Surabischwili am Sonntag. Die Wahl am Samstag, die laut offiziellem Ergebnis die Moskau-freundliche Regierungspartei Georgischer Traum gewonnen hatte, sei eine „totale Fälschung“.
„Jetzt ist die Zeit für Massenproteste“
Zuvor hatte bereits der inhaftierte georgische Oppositionspolitiker Michail Saakaschwili zu umfassenden Protesten aufgerufen. „Jetzt ist die Zeit für Massenproteste“, erklärte der Ex-Regierungschef im Onlinenetzwerk Facebook. „Wir müssen der Welt zeigen, dass wir für die Freiheit kämpfen und dass wir ein Volk sind, das Ungerechtigkeit nicht duldet“, schrieb Saakaschwili, der der wichtigsten Oppositionspartei UNM angehört.
Georgische Wahlbeobachter der Gruppe „Wir Wählen“ sprechen von Berichten über Einschüchterungen und Stimmenkauf, fordern eine Annullierung der Ergebnisse. „Das ist ein Verfassungsputsch“, sagt Nika Gwaramia, der Vorsitzende der Oppositionspartei Koalition für den Wandel. „Das georgische Volk hat für die europäische Zukunft des Landes gestimmt und deshalb werden wir die von der Zentralen Wahlkommission veröffentlichten gefälschten Ergebnisse nicht akzeptieren“, sagt Tina Bokutschawa von der Oppositionspartei „Vereinte Nationale Bewegung“.
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Bewiesen ist bislang nur ein Manipulationsversuch in der Kleinstadt Marneuli im Südosten des Landes. Ein Mann habe in einem Wahllokal mehrere Stimmzettel eingeworfen, teilte die Zentrale Wahlkommission mit. Nach Angaben der proeuropäischen Präsidentin Surabischwili sei es auch zu Gewalt gekommen. „Ich möchte auf die zutiefst beunruhigenden Vorfälle von Gewalt in verschiedenen Wahllokalen hinweisen“, so Surabischwili in Onlinediensten.
Umstrittene Gesetze könnten Georgiens weiter von der EU entfernen
Die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) lehnten ein Urteil dazu ab, ob der Urnengang fair und frei verlaufen sei. Allgemein zeigte sich die OSZE-Mission aber besorgt über Unregelmäßigkeiten wie etwa Einschüchterung von Wählern.
3,5 Millionen Menschen waren zur Wahl aufgerufen. Die Opposition erklärte sich zum Sieger, der Georgische Traum ebenso. „Es ist ein seltener Fall auf der Welt, dass ein und dieselbe Partei in einer so schwierigen Situation einen solchen Erfolg erzielt“, sagte Bidsina Iwanischwili, früher Ministerpräsident des Landes und heute Ehrenvorsitzender der Partei, seinen Anhängern.
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Vorausgegangen war ein harter Wahlkampf. Pro Europa oder doch lieber einen guten Draht zu Russland? Die Regierungspartei pflasterte die Hauptstadt mit zweigeteilten Plakaten zu: Links waren Zerstörungen aus der Ukraine zu sehen, rechts moderne Schulen und Autobahnen in Georgien. Suggeriert werden sollte: Wählt ihr die EU, dann droht eine russische Invasion, droht Krieg. Ängste, die verfangen in einem Land, in dem die Erinnerung an den Krieg von 2008 zwischen Georgien und Russland noch frisch sind. An Geld für Wahlkampf mangelte es dem Georgischen Traum nicht. Der Gründer der Partei, der 68-jährige Multimilliardär Bidsina Iwanischwili, residiert in einem riesigen Anwesen mit Kunstsammlung, privatem Zoo und Hai-Aquarium. Ihm werden Verbindungen in den Kreml nachgesagt, was seine Partei bestreitet.
Zum Zankapfel wurden zwei Gesetze, die der Georgische Traum gegen Massenproteste durchsetzte. Zum einen ein Gesetz gegen „ausländische Einflussnahme“, nach dem NGOs mögliche Finanzierungen durch das Ausland offenlegen müssen. Oppositionelle befürchten, damit mundtot gemacht zu werden. Zum anderen ein in Georgien umstrittenes Gesetz, das unter anderem gleichgeschlechtliche Ehen, die Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare und Geschlechtsänderungen verbietet. Würden beide Gesetze angewendet, dann rückt die Annäherung Georgiens an die EU in weite Ferne. Die Verhandlungen über einen Beitritt sind im Moment eingefroren.
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