Berlin. Die CO₂-Preise steigen, doch eine versprochene Entlastungsmaßnahme lässt auf sich warten. Experten warnen vor sozialer Ungerechtigkeit.

Der nächste Schritt kommt zum Jahreswechsel. Dann steigt der deutsche CO₂-Preis für Verkehr und Heizen von derzeit 45 auf 55 Euro pro Tonne, Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas werden entsprechend teurer.

Die CO₂-Bepreisung ist ein Teil der deutschen Klimaschutzpolitik: Die steigenden Preise sollen Verbraucherinnen und Verbraucher dazu ermutigen, dort, wo es geht, auf klimafreundliche Alternativen umzusteigen. Weil dazu aber nicht alle die Möglichkeit haben, sollte es einen Ausgleich geben. Einen „sozialen Kompensationsmechanismus“ wollte die Ampel-Koalition entwickeln, um das über den CO₂-Preis vom Staat eingenommene Geld wieder an die Bürgerinnen und Bürger auszuzahlen.

Doch drei Jahre nach dem Start der Koalition gibt es das sogenannte Klimageld immer noch nicht. Und dass es vor der nächsten Bundestagswahl kommt, gilt inzwischen als praktisch ausgeschlossen.

Die Verzögerung ist ein Problem vor allem für Menschen mit kleinen Einkommen, warnt Stefan Bach, Steuerexperte am DIW Berlin. „Die CO₂-Bepreisung belastet arme Haushalte relativ zum Einkommen spürbar stärker als reiche“, sagt er. „Einfach weil die Armen einen viel größeren Anteil ihres Budgets für Heizung und auch Kraftstoffe ausgeben.“ Gleichzeitig könnten Menschen mit wenig Geld nicht so schnell auf CO₂-freie Alternativen wie eine Wärmepumpe oder ein E-Auto umsteigen. „Daher ist ein CO₂-Preis ohne Ausgleich also sozial ungerecht.“

Einfach Geld aufs Konto aller Bürger? Geht immer noch nicht

Dass es drei Jahre, nachdem ein „sozialer Kompensationsmechanismus“ im Koalitionsvertrag angekündigt wurde, einen solchen Ausgleich noch immer nicht gibt, hat mehrere Gründe.

Da ist zum einen die komplexe praktische Umsetzung: Der deutsche Staat hat – anders als andere Länder – bislang schlicht keine Möglichkeit, allen seinen Bürgerinnen und Bürgern direkt Geld aufs Konto zu überweisen. Den Auftrag, das zu ändern, bekam das Bundesfinanzministerium, das derzeit daran arbeitet, Steuernummern und Bankdaten für mehr als 80 Millionen Menschen zu verknüpfen. Dieser „Direktauszahlungsmechanismus“ soll laut Ministerium 2025 funktionsfähig sein. Wann genau im nächsten Jahr dieser Mechanismus zur Verfügung stehen soll, kann das Finanzministerium allerdings nicht sagen.

Bei den Grünen zeigt man angesichts dieses Zeitplans ein gewisses Unverständnis. „Wer ständig zu Recht Digitalisierung einfordert, sollte nicht Jahre brauchen, um einen Weg zu finden, wie man den Menschen Geld aufs Konto überweisen kann“, sagt Julia Verlinden, stellvertretende Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, dieser Redaktion. „Eine weitere Verzögerung ist den Menschen nicht zu vermitteln.“

Ob ein Klimageld kommt, liegt in der Hand der nächsten Bundesregierung

Doch auch wenn der Kanal, über den das Geld fließen soll, irgendwann im kommenden Jahr funktionsfähig sein sollte, heißt das noch nicht, dass dann etwas ausgezahlt wird. Denn der Topf, aus dem das Klimageld kommen soll, ist der Klima- und Transformationsfonds (KTF) der Bundesregierung. Und der ist bereits jetzt überbucht. Unter anderem die Abschaffung der EEG-Umlage für Verbraucherinnen und Verbraucher wird laut Bundeswirtschaftsministerium derzeit aus den Einnahmen des CO₂-Preises über den KTF finanziert.

Über die „die notwendigen haushaltspolitischen Festlegungen“ – also die Entscheidung, das Geld aus dem CO₂-Preis irgendwann auch für ein Klimageld zu verwenden – werde in künftigen Verfahren der Haushaltsaufstellung zu entscheiden sein, heißt es auf Anfrage vom Finanzministerium. „Zu einem möglichen Auszahlungszeitpunkt können daher keine Aussagen getroffen werden.“ Übersetzt: Ob überhaupt ein Klimageld kommt, wird in der Hand der nächsten Bundesregierung liegen.

Dabei wird der Druck, Kosten durch den CO₂-Preis sozial auszugleichen, künftig deutlich steigen: 2026 werden pro Tonne Kohlenstoffdioxid schon 65 Euro fällig werden. Pro Liter Benzin fallen damit nach Zahlen des DIW insgesamt 18 Cent CO₂-Preis an, einschließlich Mehrwertsteuer. Bei Diesel sind es 20,5 Cent. Auch die Kilowattstunde Gas beim Heizen wird teurer.

CO₂-Preis 2027: Bis zu 200 Euro pro Tonne sind möglich

Ab 2027 dann werden Heizen und Verkehr Teil des EU-Emissionshandelssystems, über das schon jetzt die CO₂-Preise für Industrie und Strom bestimmt werden. Ab dann bildet sich der Preis am Markt. Expertinnen und Experten rechnen damit, dass dann dreistellige Beträge fällig werden könnten, bis zu 200 Euro pro Tonne. „Dann bekommen wir unter Umständen ein dauerhaftes Preisniveau von 2 Euro und mehr für den Liter Benzin“, sagt Bach. „Da wird eine Kompensation dringlich. Es wird also einen gewissen Druck geben auf die nächste Bundesregierung, das Klimageld auch auszuzahlen.“

Bach und seine Kolleginnen und Kollegen sprechen sich dafür aus, sich beim Ausgleich der höheren CO₂-Preise auf Menschen mit geringen bis mittleren Einkommen zu konzentrieren. In einer Studie des DIW, die an diesem Mittwoch veröffentlicht wird, plädieren die Autorinnen und Autoren dafür, das Klimageld zunächst an alle auszuzahlen, für Gutverdienende aber über die Einkommenssteuer wieder abzuschöpfen. Eine Auszahlung an alle, argumentieren sie, „bedeutet hohe fiskalische Belastungen“, für die keine Spielräume vorgesehen seien. Sie fürchten, dass dann Förderprogramme für den Umstieg auf Klimaneutralität gekürzt werden müssten.

Grünen-Politikerin Verlinden dagegen setzt weiterhin auf ein pauschales Klimageld für alle, zumindest am Anfang. „Eine Staffelung nach Einkommen kann perspektivisch sinnvoll sein - würde aber womöglich die erste Auszahlung des Klimagelds weiter verzögern“, sagt sie.