Luxemburg. EU-Richter stellen Regeln gegen Trickserei bei Preiswerbung auf. Welche Händler betroffen sind – und was Verbraucherschützer dazu sagen.

Sie nennen sich „Preisknaller“ und „Super-Sparhit“. Aber bei diesen Angeboten haben viele Verbraucher in Supermarkt, Discounter und Co. auch mal Zweifel: Sind die angeblichen Preisreduzierungen um mal 30, mal 50 Prozent echt oder wurde hier getrickst?

Händler setzen die Preise gern zwischendurch nur mal herauf, um danach den bejubelten „Sparpreis“ attraktiver erscheinen zu lassen. Jetzt hat der Gerichtshof der Europäischen Union dieser Praxis einen Riegel vorgeschoben. Die beworbenen Preissenkungen müssen sich auf den günstigsten Preis der letzten 30 Tage beziehen, entschieden die Richter in Luxemburg. Damit würden Händler daran gehindert, den Verbraucher irrezuführen. Das Urteil gilt auch für Deutschland: Im Einzelhandel steht eine kleine Revolution bevor.

Aldi lockte mit Sonderangeboten – Verbraucherzentrale witterte Täuschung

In dem Fall ging es um eine Aktion des Discounters Aldi Süd, aber betroffen sind auch viele andere Händler: Aldi Süd hatte in einem Prospekt mit Sonderangeboten für „Frische-Kracher“ geworben. Eine Ananas sollte nun 1,49 Euro kosten, daneben stand der durchgestrichene Preis von 1,69 Euro und der Hinweis „Preis-Highlight“.

Das Problem: Klein gedruckt stand darunter zu lesen, dass der günstigste Preis der letzten 30 Tage bei 1,39 Euro lag, also zehn Cent billiger als das vermeintliche Schnäppchen. Die Angabe dieses 30-Tage-Tiefstpreises als Vergleich verlangt eine Preisangabenverordnung seit 2022. Ähnlich war es bei den Bananen. Der „Frische-Kracher“ kostete 1,29 Euro je Kilo, das entsprach exakt dem günstigsten Preis der vergangenen 30 Tage – trotzdem warb der Discounter nun mit einer Ersparnis um 23 Prozent, weil der übliche Preis 1,69 Euro betrage.

Aber wie kann es sein, dass das Sonderangebot teurer ist als in den Wochen zuvor oder genauso viel kostet – und trotzdem im Prospekt eine Reduzierung angepriesen wird? Das fragte sich die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg – es mahnte den in Mülheim an der Ruhr ansässigen Konzern wegen unlauterer Werbung ab und klagte beim Landgericht Düsseldorf. Die Richter vertagten eine Entscheidung und legten den Fall erst mal dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) vor, um die genaue Auslegung einer älteren EU-Preisangaben-Richtlinie zu erhalten.

Ein Firmenschild von Aldi Süd: Das Gericht der EU entschied über eine Klage von Verbraucherschützern gegen den Discounter.
Ein Firmenschild von Aldi Süd: Das Gericht der EU entschied über eine Klage von Verbraucherschützern gegen den Discounter. © dpa | Andreas Arnold

Verbraucherzentrale: Aldi trickst beim „Preis-Highlight“

Klar ist: Die deutsche Preisangabenverordnung schreibt Händlern seit 2022 vor, bei jeder Bekanntgabe einer Preisermäßigung den günstigsten Preis der letzten 30 Tage mit anzugeben, um Verbrauchertäuschung zu verhindern; die Händler tun dies in der Regel möglichst unauffällig. Die Frage ist nur: Muss sich nach den Vorschriften auch eine beworbene Reduzierung („30 Prozent Ersparnis“) auf diesen niedrigsten Preis beziehen? Ja, meinten Verbraucherschützer. Sie beriefen sich dabei auch auf die EU-Kommission. Die hatte in einer nicht verbindlichen Auslegung der europäischen Richtlinie klargestellt, der Tiefstpreis der letzten 30 Tage sei der „vorherige Preis“ und Basis der Ermäßigungsangaben. Die Verbraucherschützer wollten Aldi deshalb in diesem Fall auch den Werbebegriff „Preis-Highlight“ verbieten lassen.

Aldi widersprach. Der Discounter vertrat die Position, die bislang auch viele Juristen für plausibel hielten: Die Vorschriften zum 30-Tage-Tiefstpreis begründen eine Informationspflicht der Händler, aber es handelt sich nicht um eine Vorgabe für die Werbung. Aldi konnte darauf verweisen, dass die für 1,29 Euro angepriesenen Bananen tatsächlich in den Wochen zuvor 1,69 Euro gekostet hatten – mit Ausnahme einer Woche, in der 1,29 Euro verlangt wurden. Die Ananas schwankte zwischen 1,39 und 1,79 Euro, in der Woche vor dem Angebot lag der Preis bei 1,69 Euro, also deutlich über dem „Schnäppchen“.

Doch die Luxemburger Richter folgten den Klägern: Eine Preisermäßigung, die von einem Händler in Form eines Prozentsatzes oder einer Werbeaussage bekannt gegeben werde, müsse auf der Grundlage des niedrigsten Preises bestimmt werden, den der Händler innerhalb eines Zeitraums von mindestens 30 Tagen vor der Anwendung dieser Preisermäßigung angewandt habe. Die Richter betonten: Dadurch werden Händler daran gehindert, den Verbraucher irrezuführen, indem sie eine „gefälschte Preisermäßigung“ ankündigen.

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg meint, für Kunden sei es gut, dass ein Dauerärgernis beendet werde: Gestoppt werde die „vorgegaukelte Preisreduzierung durch Preisschaukelei, also das künstliche Heraufsetzen eines Preises, um später mit einer größeren Reduzierung werben zu können“.

Aldi, Edeka, Netto und Co.: „Weitreichende Folgen für Preiswerbung“

Das Urteil ist nicht nur für Aldi bedeutsam, es dürfte als Musterentscheidung auch für andere Fälle dienen. „Das hat weitreichende Folgen für Preiswerbung“, sagt Cornelia Tausch, die Chefin der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Die Verbraucherschützer beobachten nach eigenen Angaben auch bei anderen Händlern zunehmend Versuche, die gesetzliche Regelung „bis an die Grenzen auszureizen“.

So ist laut Verbraucherschützern ein Verfahren gegen Edeka beim Landgericht Offenburg anhängig. Hier geht es um eine Packung Möhren, die Edeka zum „Super-Knüller-Preis“ von 0,99 Euro anbot, angeblich eine Ersparnis von 33 Prozent – dabei hatte nach Angaben der Verbraucherschützer der Tiefstpreis der letzten 30 Tage bei 0,88 Euro gelegen. Wegen der EU-Entscheidung ruhte das Verfahren bisher, ebenso ein Berufungsverfahren gegen Netto („Kaffeepreis um 31 Prozent reduziert“) beim Oberlandesgericht Nürnberg. Diese Gerichte werden nun die EuGH-Entscheidung berücksichtigen müssen - ebenso wie das Landgericht in Düsseldorf, das jetzt final über den konkreten Fall von Aldi Süd entscheiden wird.