Berlin. Bereits zum siebten Mal kam in Berlin die Politik-Prominenz zum MedienQ zusammen. Doch am Abend wurden auch ernste Töne angeschlagen.
Man könnte sagen, es ist Gipfelwoche im politischen Berlin. Auf den Migrationsgipfel am Dienstag folgte am Mittwochabend ein weiteres, allerdings informelleres Gipfeltreffen: Die Berliner Politik-Prominenz kam zum alljährlichen MedienQ im Fotografiska in Berlin zusammen. Bereits zum siebten Mal hatte die FUNKE Mediengruppe zu dem Zusammentreffen von Politik, Medien, Wirtschaft und Kultur geladen – in diesem Jahr erstmals in eine neue Location.
Zu den Gästen gehörten neben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zahlreiche Kabinettsmitglieder, etwa Justizminister Marco Buschmann (FDP), Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), Familienministerin Lisa Paus (Grüne), Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) oder Finanzminister Christian Lindner (FDP). Viele weitere prominente Politikerinnen und Politiker kamen am Abend ins Fotografiska. Etwa die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil sowie CDU-Chef Friedrich Merz.
Dass es viel zu bereden gab, das war schon direkt am Eingang zu beobachten. Die dort aufgestellte Fotowand verwandelte sich schnell in einen Gesprächs-Hotspot. Dort fanden sich etwa Lindner und Merz zusammen, direkt daneben unterhielt sich der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, Jens Spahn, angeregt mit Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne). Auch die Bundestagspräsidentin, Bärbel Bas, kam zum MedienQ.
Chefredakteur Jörg Quoos mahnt: Stehen vor „abgrundtiefen politischen und gesellschaftlichen Graben“
Die Möglichkeit, sich auszutauschen und zu debattieren, sei vielleicht noch nie so wichtig gewesen wie aktuell, betonte Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion, in seiner Rede zu Beginn der Veranstaltung. Quoos kam für seine Rede direkt aus der Notaufnahme der Charité, wo er nach einem Unfall verarztet werden musste. Dass er am Ende doch noch vor den versammelten Gästen stehen konnte, sorgte durch die Bank für Erleichterung. Als er den Ärzten in der Charité erzählt habe, dass er zu einer Veranstaltung müsse, auf der auch der Gesundheitsminister sei, hätten diese ihm zugestimmt, dass er schnell wieder zurück müsse, erzählte Quoos mit einem Augenzwinkern.
Doch schnell wurde der Chefredakteur wieder ernst. Man stehe aktuell vor „abgrundtiefen politischen und gesellschaftlichen Graben“, sagte er. „Damit das alles nicht aus dem Ruder läuft und wir uns unsere offene und demokratische Gesellschaft bewahren können, dafür braucht es kluge Politik, die bereit ist, auch neue Formen der Zusammenarbeit auszuprobieren.“ Gleichzeitig brauche es aber auch kluge Medien, die dafür sorgen würden, dass Politik kritisch eingeordnet und von Wählerinnen und Wählern verstanden werde, mahnte Quoos.
7. MedienQ im Fotografiska: Die schönsten Eindrücke
MedienQ findet an geschichtsträchtigem Ort statt
Aufgrund von Renovierungen konnte der MedienQ in diesem Jahr nicht, wie in den vergangenen Jahren, in Clärchens Ballhaus stattfinden. Doch die alternative Location war und ist nicht weniger geschichtsträchtig: Denn das Fotografiska, eigentlich ein Museum für zeitgenössische Kunst, Kultur und Fotografie, befindet sich im ehemaligen Kunsthaus Tacheles im Herzen Berlins.
Das Gebäude hat seit seinem Bau viele Phasen der deutschen Geschichte erlebt. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts als Einkaufspassage errichtet, wurde der Komplex Anfang der 30er Jahre von NSDAP-Dienststellen genutzt. Zudem zog das Zentralbodenamt der SS dort ein. In der DDR wurde das Gebäude vom Freien Deutschen Gewerkschaftsbund übernommen und beherbergte zudem mehrere kulturelle Einrichtungen. Trotz intensiver Nutzung kam es allerdings nie zur Sanierung, weswegen das Gebäude schließlich abgerissen werden sollte. Doch kurz vor der geplanten Sprengung wurde es von der Künstlerinitiative Tacheles besetzt und schließlich unter Denkmalschutz gestellt. Der Komplex entwickelte sich zu einem festen Kunst- und Kulturzentrum in Berlin. Mittlerweile beherbergt es neben dem Fotografiska auch Büroräume und Gastronomie.
Verlegerin Julia Becker spricht von „dramatischem Weckruf“
Der Name „Tacheles“ passe besonders gut zum MedienQ, sagte die Verlegerin der FUNKE Mediengruppe, Julia Becker, in ihrer Ansprache: „Wir wollen hier Tacheles miteinander sprechen, also offen, zur Sache, ohne Tabus, Klartext wie man im Ruhrgebiet sagt“, kündigte sie an.
Und so kam es am Abend auch. Denn: Es sind politisch keine einfachen Zeiten, in denen die Berliner Politik an diesem Mittwochabend zusammenfand. Schwierige Haushaltsberatungen, eine aufgeladene Migrationsdebatte und ein Rechtsruck in den ostdeutschen Bundesländern – Themen, über die debattiert werden konnte, gab es viele. Die Wahlergebnisse im Osten beschäftigten Becker auch in ihrer Rede: „Die Europawahlen, aber vor allem auch die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen und natürlich auch der Wahlkampf in Brandenburg, wo in elf Tagen gewählt wird, haben uns eindrücklich in Erinnerung gerufen, was in der Demokratie wichtig ist, wovon sie lebt und wie wir sie lebendig und zukunftsfähig halten können“, sagte die Verlegerin.
Die Wahlergebnisse müssten als „dramatischer Weckruf“ verstanden werden. „Wir dürfen nicht zur gewohnten Tagesordnung zurückkehren, sondern wir müssen die notwendigen Schlüsse ziehen“, mahnte Becker. Die Wahlen hätten zum Beispiel gezeigt, „wie töricht es ist, Politik primär für die Bewohnerinnen und Bewohner der urbanen Zentren zu machen und den ländlichen Raum nicht ausreichend zu berücksichtigen“. Man habe außerdem wieder gelernt, „wie wichtig das Zuhören in der Demokratie ist, die Diskussion auf Augenhöhe und das Kümmern vor Ort.“
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„Lassen Sie uns wieder mit den Menschen reden und nicht über sie“
Und gerade in solche angespannten Zeiten sei unabhängiger Journalismus unersetzlich, sagte Becker. Denn die Demokratie lebe von der Wahrheit. „Lügen und Fake News zerstören nicht nur das Vertrauen der Menschen untereinander, sondern auch das Vertrauen politische Repräsentanten und Institutionen“, warnte Becker. Sie beendete ihre Rede daher mit einem dringenden Appell: „Lassen Sie uns bitte gemeinsam die einzige, weil der Wahrheit verpflichtete, Alternative für dieses Land sein. Für die Menschen und die Demokratie.“ Und sie rief auf: „Lassen Sie uns wieder mit den Menschen reden und nicht über sie.“
Geredet wurde an diesem Abend anschließend noch ausgiebig. Mit einer Ausnahme: Zur Begrüßung zwischen Merz und dem Kanzler gab es kaum mehr als ein Nicken. Es zeigt sich eben, auch an einem solch illustren Abend sind die politischen Differenzen nicht vergessen.