Frankfurt (Oder). Die Viadrina-Universität in Frankfurt/Oder zieht Studenten aus aller Welt an. Doch kurz vor der Brandenburg-Wahl nehmen rechte Vorfälle zu.
Der Weg zur Europa-Universität Viadrina führt vom Hauptbahnhof Frankfurt (Oder) durch kleine Gassen und Parks, vorbei am Wahlkreisbüro von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). „Viadrina“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „an der Oder gelegene“. Denn genau dort ist die Uni: An der Oder, dem Fluss, der die deutsch-polnische Grenze am östlichen Rand von Brandenburg bildet. Jetzt, kurz vor den Landtagswahlen, ist das Stadtbild von Plakaten geprägt, auch von der AfD. Eines hängt direkt gegenüber dem Haupteingang der Viadrina. Darauf steht: „Es ist Zeit Grenzen zu ziehen.“
Die Viadrina Universität stand schon immer für Internationalität
Dabei steht die Viadrina für grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Eröffnet wurde sie 1991 – im Jahr eins nach der Wiedervereinigung – als Europa-Universität. Vor allem polnische Studentinnen und Studenten prägten die Uni in ihren Anfängen. „Die Viadrina hat und hatte immer den Anspruch, einen relevanten Teil ausländischer Studierender zu haben“, sagt Universitäts-Vizepräsidentin Janine Nuyken im Gespräch mit dieser Redaktion. Inzwischen kommen die Studenten aus mehr als 100 Ländern, der Anteil der Nicht-Deutschen liegt bei 35 Prozent.
„„Wir als Universität verteidigen gemeinsam mit der Stadt und der Zivilgesellschaft die Toleranz.““
Viele von ihnen müssten, sollte die AfD an einer Regierung beteiligt sein, Nachteile befürchten. „Studiengebühren für Drittstaatler einführen“, lautet schließlich die Forderung, die alle Studierenden der Viadrina treffen würde, die nicht aus Deutschland oder der EU stammen. „Das ist für uns indiskutabel und würde unsere Identität ins Mark treffen. Wir würden dagegen so lange kämpfen, wie wir können“, erklärt Nuyken. „Wir als Universität verteidigen gemeinsam mit der Stadt und der Zivilgesellschaft die Toleranz.“
Rechtsextreme Vorfälle auf dem Gelände der Viadrina
Doch Toleranz ist offenbar nicht bei jedem Frankfurter erwünscht. So war in einer Mail, die das Präsidium der Universität an die Studierenden schrieb, von rassistischen Beleidigungen oder Angriffen die Rede. Von einem dieser Vorfälle berichtet Rosa Skriba, eine Vertreterin der Initiative Students for Climate Justice. Im vergangenen Jahr stellte die Initiative zwei Hochbeete auf dem Europaplatz der Universität auf. Der Platz liegt hinter dem Hauptgebäude und vor dem Audimax, dem größten Hörsaal. Mitten auf dem Campus, mitten in Frankfurt (Oder).
Die Blumenkästen waren mit einer Regenbogenflagge bemalt. Doch der freundliche Anblick hielt nicht lange an. Fast im Wochentakt seien die Beete beschmiert worden, insbesondere die Regenbogenflagge. Bei dem Spruch „Keine Blumen für Nazis“ sei das erste Wort regelmäßig verändert oder ganz übermalt worden. Auch ein Hakenkreuz wurde aufgesprüht. Die Initiative zeigte sich widerstandsfähig, restaurierte immer wieder, bis es zu physischer Gewalt kam und die Beete zerstört wurden. Schließlich wurden sie im Dezember 2023 abgebaut.
Ein weiterer Vorfall betrifft das Universitäts-Fitnessstudio. Dort wurden, ebenfalls im Dezember, drei Personen gesichtet, die ihre rechtsextreme Einstellung durch Tätowierungen oder Kleidung zur Schau stellten. Laut Nuyken handelte es sich allerdings nicht um Studierende, das Fitnessstudio ist für alle Mitglieder des zuständigen Sportvereins offen. Das Studierendenparlament sperrte daraufhin die Mittel für das Fitnessstudio. Auch die Universitätsleitung reagierte und berief eine Versammlung von Studierenden, Präsidium und Verein ein. Inzwischen verbietet die Hausordnung des Fitnessstudios Sportlern mit offen rechtsextremer Gesinnung den Besuch. Trainer wurden bereits vor Ort geschult, um entsprechende Symbole zu erkennen.
Was erleben Studierende mit Migrationshintergrund in Frankfurt (Oder)?
Ist es damit getan? Aktuell ist der Campus sehr leer, es sind Semesterferien, erst im Oktober geht der Regelbetrieb los. Aber jeder, den man trifft, kennt jemanden, der aufgrund von Herkunft oder Hautfarbe schlechte Erfahrungen in Frankfurt (Oder) machen musste. Und eigene Erlebnisse? Jurastudent Mehmet Sahin (24), türkischer Migrationshintergrund, erinnert sich an einen betrunkenen Mann, der sich später als Polizist herausstellte. Er habe nachts grundlos seinen Ausweis kontrollieren wollen. Die Partnerin des Mannes habe ihn dann weggezogen, bevor die Situation eskalierte. Ob er Angst hatte? Er lacht und sagt: „Ich bin in Neukölln aufgewachsen.“
Andere Studentinnen und Studenten nehmen derartige Vorfälle nicht so auf die leichte Schulter wie Mehmet Sahin. Ira Helten etwa ist sehr besorgt. Sie berichtet von queerfeindlichen Äußerungen, auch aus der Studierendenschaft. Die Masterstudentin organisiert die deutsch-polnische Pride-Parade, die am Wochenende vor der Landtagswahl stattfindet. „Man muss aufhören zu denken, dass in der Viadrina Sachen anders laufen als in der Stadt Frankfurt (Oder)“, sagt sie.
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Eine Gruppe von drei internationalen Studierenden beschreibt das genaue Gegenteil. An der Universität habe er nie Probleme gehabt, sagt ein Geschichtsdoktorand, der der chinesischen Minderheit der Uiguren angehört und seit fünf Jahren in Frankfurt (Oder) studiert. Seinen Namen will er nicht in der Zeitung lesen. In der Stadt selbst sei es anders. Einmal habe jemand mit den Fingern aus einem Auto heraus, wie mit einer Pistole, auf ihn und einen Freund gezielt. Häufig erlebe er unfreundliche Blicke im Fitnessstudio und im Supermarkt.
Studierende und Absolventen verlassen Frankfurt (Oder) auch wegen Fremdenfeindlichkeit
Ob er nach seinem Abschluss in Frankfurt (Oder) bleibt, wird er auch vom Ergebnis der Landtagswahlen abhängig machen. Die AfD, die in Brandenburg als rechtsextremer Verdachtsfall gilt, plakatiert auch mit dem Kampfbegriff „Remigration“. 27,8 Prozent der Frankfurter stimmten bei der Europawahl für die AfD, bei der Landtagswahl könnten es in ganz Brandenburg über 30 Prozent werden.
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Er wäre nicht der einzige, der wegzieht. Dario Schramm macht gerade seinen Bachelorabschluss an der Viadrina, ist aber schon zurück in Nordrhein-Westfalen, wo er herkommt. Schramm war Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz und engagierte sich während seiner Hochschulzeit für die Jusos und eine parteilose Gruppe im Studierendenparlament. Bei politischen Veranstaltungen habe er eine stärkere Bedrohungslage von rechts erlebt als in seiner Heimat. Einige Kommilitonen mit Migrationshintergrund seien auch deswegen weggezogen, weil sie sich in Frankfurt (Oder) nicht mehr sicher gefühlt hätten.
„Die Studierenden wandern ab, ziehen zum Beispiel nach Berlin, und dadurch gibt es auch weniger Widerstand gegen Rechtsextremismus im Stadtgeschehen“, sagt Schramm. Vizepräsidentin Nuyken hingegen betont, dass die ausländischen Studierenden meist hochschulnah leben würden und sich in der Mehrheit auch an der Universität wohlfühlen würden.
Was tut die Viadrina, um ihre Studierenden zu schützen?
Die Viadrina sieht sich als Ort des Dialogs, „gerade auch, wenn es schwierig ist“, sagt Vizepräsidentin Nuyken. Nach den Vorfällen seien Anlaufstellen für Betroffene eingerichtet worden. „Unser Anspruch ist, dass kein Student, der angegriffen wird und sich an uns wendet, ins Leere läuft“, stellt Nuyken klar. Auch unter den Studierenden ist der Tenor eindeutig: Die Universität bemüht sich, auch wenn man immer noch mehr tun kann.
Die rechtsextremen Aktionen sollen nicht unwidersprochen bleiben, deswegen hat die Viadrina ihre Mitglieder aufgefordert, an einer Demonstration teilzunehmen. Auch die Hochbeete sollen bald zurückkehren. Größer und aus Stahl, unweit ihres ursprünglichen Standorts. Wieder mit bunter Bemalung, diesmal aber mit Graffitischutz, damit rechtsextreme Botschaften nicht lange haften bleiben.
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