Düsseldorf. Zwei Wochen nach dem Solinger Messer-Attentat rekonstruiert eine 50-köpfige Ermittlungskommission die islamistische Radikalisierung.
Zwei Wochen nach dem Messer-Attentat von Solingen versuchen die Sicherheitsbehörden weiterhin, die islamistische Radikalisierung des tatverdächtigen Syrers Issa al H. nachzuvollziehen. „Die Frage, wie und wann sich der Täter radikalisiert hat, treibt uns alle um“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Donnerstag im Fachausschuss des Düsseldorfer Landtags.
Zu den seit Tagen kursierenden Gerüchten, der spätere Attentäter habe bereits in seinem Wohnheimzimmer in der Flüchtlingseinrichtung Solingen eine Fahne des Islamischen Staates (IS) aufgehängt, sagte der Minister: Man habe inzwischen mehr als die Hälfte aller Mitbewohner gefragt, „von denen hat keiner die Flagge gesehen“.
Eine 50-köpfige Ermittlungskommission beim Polizeipräsidium Düsseldorf vernehme zurzeit Zeugen, suche nach potenziellen Kontaktpersonen und werte Spuren aus. Von rund 900 eingegangenen Hinweisen würden 400 weiterverfolgt. Allein 100 Videos und 250 Bilder müssten geprüft werden, so Reul.
Solingen: Ermittlungskommission wertet intensiv IS-Bekennervideo aus
Vor allem das nach der Tat verbreitete IS-Bekennervideo werde intensiv begutachtet. „Vor allem, ob dem Täter damit tatsächlich eine IS-Mitgliedschaft nachgewiesen werden kann“, so Reul. Unklar sei ebenfalls noch, was der Syrer zwischen der Messerattacke auf dem Solinger Stadtfest und seiner Festnahme anderntags im Umfeld der Flüchtlingseinrichtung gemacht habe: „Das sind etwa 24 Stunden, die uns fehlen“, sagte der Minister.
Reul stellte sich zugleich vor seine unter Druck geratene Kabinettskollegin Josefine Paul (Grüne). Die für Asylfragen zuständige Flüchtlingsministerin war nach der Tat tagelang abgetaucht, obwohl es sich bei dem Syrer um einen ausreisepflichtigen Asylbewerber handelte, der gar nicht mehr hätte in Deutschland sein dürfen. Er habe Paul am Sonntagmorgen nach der Tat um etwa 8.30 Uhr eine SMS geschrieben und um ein Telefonat gebeten. Reul wollte die Grüne vorwarnen, dass der gefasste Täter ihren Ressortbereich betrifft, nannte aber in der SMS kein Thema. „Weil ich dachte, auch mein Telefon ist nicht immer 100-prozentig sicher“, begründete Reul.
Solingen-Attentat: 400 von 900 eingegangenen Hinweisen werden weiterverfolgt
Paul war auf Dienstreise in Frankreich, das Telefonat kam nicht zustande. Später waren die Fakten ohnehin presseöffentlich und nachmittags lud Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) das gesamte Kabinett zu einer digitalen Krisensitzung. Dort seien alle Informationen, die bis zu diesem Zeitpunkt vorlagen, ausgetauscht worden. Die Ministerin blieb dem Tatort jedoch fern und stellte sich erst vier Tage später vor die Kameras, was ihr viel Kritik einbringt.
Reul nahm die Kollegin, die für schwere Behördenfehler bei der gescheiterten Abschiebung geradestehen muss, demonstrativ in Schutz: „Was hätte denn die Frau Paul am Freitagabend oder am Samstag in Solingen tun sollen? Da war die überhaupt nicht zuständig, das war mein Job.“