NRW. Jeden Tag fahren auf NRWs Straßen Menschen gegen die Verkehrsrichtung – mit teils fatalen Folgen. Jetzt fordert ein Verkehrspolitiker Maßnahmen.

In NRW vergeht kein Tag ohne gefährliche Geisterfahrer auf den Straßen. Im vergangenen Jahr hat das Landesinnenministerium 448 Falschfahrten registriert, heißt es auf Anfrage dieser Redaktion. Das macht umgerechnet 1,2 Falschfahrer täglich. Das sind weniger als im Jahr zuvor. Über das sogenannte Traffic-Information-Center (TIC), einem System, in dem Verkehrsstörungen eingetragen werden, wurde im Jahr 2023 vor 540 Falschfahrten gewarnt. Warum manche Menschen zu Geisterfahrern werden, weiß das Ministerium jedoch nicht. Es fehlen Daten – doch das soll sich ändern.

Geisterfahrer: Das System zeigt nur Warnungen, keine echten Fallzahlen

Im vergangenen Jahr wurden 22 Unfälle im Zusammenhang mit Geisterfahrten gemeldet, bei denen eine Person verletzt oder getötet wurde. Ein Jahr zuvor waren es noch 32. Die absoluten Fallzahlen zu den Falschfahrten kommen aus dem TIC-System. Dabei gibt es aber ein Problem. In diesem System werden lediglich Warnmeldungen vor Geisterfahrern erfasst. Ob tatsächlich Falschfahrten vorgelegen haben, könne hieraus nicht abgeleitet werden, sagt ein Sprecher des NRW-Innenministeriums.

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„Parameter zu Alter, Geschlecht, Suizidalität etc. liegen teilweise nicht vor, da diese nicht erhoben werden und Bestandteil der Erfassung sind“, erklärt der Sprecher. Solche Informationen werden nicht im TIC-System eingetragen, sondern in den wichtigen Sofortmeldungen der Polizei über wichtige Ereignisse (WE-Meldungen). Diese müssen allerdings händisch ausgewertet werden.

Verkehrspolitiker schlägt Alarm und fordert Maßnahmen

„Alarmierend“, nennt der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Christof Rasche, diesen Zustand im Gespräch mit der Rheinischen Post. Dass sich das Ministerium auf Meldungen stütze, die nicht einmal verifizierten, ob tatsächlich Falschfahrten vorlagen, kritisiert er scharf. „Die Landesregierung darf sich nicht hinter bürokratischen Hürden verstecken, sondern muss endlich die notwendigen Schritte unternehmen, um die Sicherheit auf unseren Straßen zu erhöhen.“ Damit gezielte Maßnahmen entwickelt werden können verlangt er eine vollständige Erfassung aller relevanten Daten.

Solche Schilder mit der Aufschrift „Stop Falsch“ sollen Falschfahrten verhindern. (Symbolbild)
Solche Schilder mit der Aufschrift „Stop Falsch“ sollen Falschfahrten verhindern. (Symbolbild) © dpa | Tobias Hase

Die derzeitigen Präventionsmaßnahmen beschränken sich derweil auf die Prüfung der Beschilderung von Zufahrten, Abfahrten und Baustellen auf Autobahnen. Diese werden „anlassbezogen oder im Rahmen der allgemeinen Streifentätigkeit“ durch die Autobahnpolizei, den Straßenbaulastträger oder die jeweiligen Verkehrssicherer der Baustellen geprüft.

„Es reicht nicht aus, die Beschilderung zu überprüfen“

Zu wenig für Rasche: „Es reicht nicht aus, lediglich die Beschilderung zu überprüfen – wir brauchen innovative und wirksame Lösungen, wie zum Beispiel technische Frühwarnsysteme und gezielte Aufklärungskampagnen. Die Menschen in NRW haben ein Recht darauf, sicher auf den Straßen unterwegs zu sein.“ Er forderte die Landesregierung auf, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, „um die Gefahr durch Falschfahrer endlich wirksam zu bekämpfen“.

Aber wer wird zum Falschfahrer? Antworten liefert eine Studie der Unfallforschung der Versicherer (UDV) aus dem vergangenen Jahr – allerdings nur für Autobahnen. Laut der UDV komme es vor allem „zu verkehrsschwachen Zeiten“ und am Wochenende zu Falschfahrten. Ein Großteil der Fahrer ist männlich (79,3 Prozent) und beinahe die Hälfte ist älter als 65 Jahre (48,1 Prozent). Zudem scheint Alkohol eine wichtige Rolle zu spielen, denn in über 18 Prozent der untersuchten Fälle, hatten die Fahrer zuvor getrunken. Ein hoher Wert, schließlich liegt der Anteil von Unfällen unter Alkoholeinfluss bei etwa 3 Prozent.

Die UDV schlägt in ihrer Studie zudem Präventionsmaßnahmen vor. Eine davon sieht wie folgt aus: „Es stellt sich heraus, dass im Bereich Infrastruktur die Installation von Krallen an Ausfahrten von Anschlussstellen und Rastanlagen etwa die Hälfte der Falschfahrten verhindern könnte und somit die effektivste Maßnahme in diesem Bereich darstellen würde. Allerdings sprechen unter anderem ein negatives Kosten-Nutzen-Verhältnis sowie die Notwendigkeit, dass Rettungsfahrzeuge teils entgegen der Fahrtrichtung fahren müssen, gegen diese Maßnahme.“