Berlin. Im Fall der Nord-Stream-Explosionen gibt es mehrere Verdächtige. Eine von ihnen, Svitlana U., meldet sich nun öffentlich zu Wort.

Vor fast zwei Jahren wurden Sprengstoffanschläge auf die Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee verübt. Nach Informationen von ARD, „Süddeutsche Zeitung“ und „Die Zeit“ hat Generalbundesanwalt Jens Rommel nun einen ersten Haftbefehl gegen eine tatverdächtige Person erwirkt. Dem „Tagesschau“-Bericht zufolge handelt es sich dabei um den Ukrainer Wolodymyr Z.

Bislang gelang es Behörden jedoch nicht, den Mann festzunehmen. Er soll sich zuletzt in Polen aufgehalten haben und sei mittlerweile untergetaucht. Nun hat die polnische Staatsanwaltschaft von der Bundesanwaltschaft einen Europäischen Haftbefehl zur Festnahme eines Verdächtigen erhalten. Dies sagte eine Sprecherin der Generalstaatsanwaltschaft in Warschau der Deutschen Presse-Agentur. 

Nord-Stream-Explosionen: Verdächtige Frau gibt Interview und wundert sich über Vorwürfe

Zudem gelten zwei weitere ukrainische Staatsangehörige als verdächtig: eine Frau und ein Mann. Sie sollen ebenfalls an den Anschlägen beteiligt gewesen sein. Dem Bericht zufolge könnten sie als Taucher die Sprengstoffladungen an die Pipelines angebracht haben. Die Informationen beruhen demnach unter anderem auf Hinweisen des ausländischen Nachrichtendienstes. Dem Bericht zufolge liegt gegen sie bislang jedoch kein Haftbefehl vor. 

Die Frau, Svitlana U., äußerte sich am Montag offen zu den Vorwürfen. Sie gab den TV-Sendern RTL und n-tv ein Interview. „Ich habe mit ihm nicht gearbeitet, aber ich kenne ihn, er ist ein Freund und Pate meines Kindes“, sagte U.. Sie glaube, dass ihr Bekannte inzwischen in Kiew sei, sie habe bereits mit ihm telefoniert. „Er sagte mir, dass ich mir keine Sorgen zu machen brauche. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass er damit etwas zu tun hat. Denn er hat kleine Kinder.“

U., die als Tauchlehrerin arbeiten, zeigte den Journalisten Fotos, die belegen sollen, dass sie sich im September 2022 in der Ukraine aufhielt. Sie hätte demnach nicht an dem Sabotageat teilnehmen können. Die Echtheitder Aufnahmen ließ sich dem Bericht zufolge jedoch nicht bestätigen. „Ich habe zahlreiche Dokumente aus dem September 2022, die beweisen, dass ich mich in Kiew aufgehalten habe und nicht verreist bin“, ergänzte U., die zudem angab, bisher noch nicht von Ermittlungsbehörden kontaktiert worden zu sein. „Dabei reise ich beruflich als Tauchlehrerin praktisch jeden Monat durch Europa. Da wundert es mich, dass man mich nirgendwo kontaktiert hat“, so die Frau gegenüber RTL/n-tv.

Grünen-Geheimdienstexperte: „Sind lange davon entfernt, die gesamte Geschichte zu verstehen“

Der Grünen-Geheimdienstexperte Konstantin von Notz sieht die Ermittlungen zur Sabotage an den Nord-Stream-Pipelines trotz der Suche nach einem konkreten Verdächtigen längst nicht für abgeschlossen. „Ich begrüße den Ermittlungsfortschritt in Sachen Nord Stream“, sagte von Notz dieser Redaktion. „Wir sind jedoch lange davon entfernt, die gesamte Geschichte zu verstehen, denn bei der Beteiligung von staatlichen beziehungsweise quasistaatlichen Akteuren sind solche Ermittlungen maximal schwierig.“

Der Vorsitzende des für die Kontrolle der Geheimdienste zuständigen Bundestagsgremiums (PKGr) mahnte ob des Verdachts gegen den Ukrainer Wolodymyr Z. dazu, „gerade wegen der gravierenden auch geopolitischen Auswirkungen“ zum jetzigen Zeitpunkt „mit einfachen Zuschreibungen“ zurückhaltend zu sein und die Behörden entschlossen weiter zu ermitteln lassen.

Nord-Stream-Anschlag: Wie ein möglicher Verdächtiger entlarvt wurde

Eine wichtige Rolle für den Haftbefehl soll dem Bericht zufolge ein weißer Transporter gespielt haben, der am 8. September 2022 auf Rügen in Mecklenburg-Vorpommern geblitzt wurde. Der Wagen stehe wohl im Verdacht, für den Transport des Tauchmaterials genutzt worden zu sein. Demnach soll der Fahrer den Auftrag erhalten haben, mehrere Ukrainer zu fahren. Gegenüber deutschen Ermittlern habe er den Verdächtigen als einen der Fahrgäste identifiziert. In einem Telefonat mit den Medien zeigte sich der Verdächtige offenbar überrascht von dem Vorwurf und bestritt, an dem Vorfall beteiligt gewesen zu sein. 

Nord Stream 1 und 2 gesprengt? Ermittlungen laufen weiter

Die Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 wurden am 26. September 2022 durch mehrere Sprengungen beschädigt und unterbrochen. Die Explosionen wurden in der Nähe der dänischen Ostsee-Insel Bornholm registriert. Kurz darauf wurden Lecks an drei der vier Leitungen der Nord-Stream-Pipelines entdeckt.

Durch Nord Stream 1 floss zuvor russisches Erdgas nach Deutschland. Nord Stream 2 war wegen des Ukraine-Kriegs und der folgenden politischen Verwerfungen noch nicht in Betrieb. Die Behörden mehrerer Länder nahmen Ermittlungen in dem Fall auf. Dänemark und Schweden stellten die Verfahren allerdings ein.

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Bisherige Ermittlungen hatten eine Segeljacht im Visier gehabt, auf der im Juli 2023 Sprengstoffspuren entdeckt wurden. Es wurde vermutet, dass die Täter die deutsche Segeljacht namens „Andromeda“ im September 2022 möglicherweise zum Transport des Sprengstoffs für die Sabotage genutzt haben. 

Von Notz fordert besseren Schutz kritischer Infrastruktur

Der Grünen-Fraktionsvize von Notz forderte, Lehren aus dem Sabotageakt zu ziehen. „Wir müssen den Schutz unserer Infrastrukturen und Unternehmen sowie die Resilienz unserer Demokratie weiter erhöhen“, sagte von Notz. „Der effektive Schutz unserer Kritischen Infrastrukturen vor Sabotage muss endlich auch mit dem Kritis-Dachgesetz vorangebracht werden.” Das Kritis-Dachgesetz soll Vorgaben für einen besseren Schutz wichtiger Einrichtungen machen. Das Innenministerium hatte dazu im Dezember 2022 Eckpunkte vorgelegt, das Gesetz ist aber noch nicht verabschiedet.