Haifa. In Haifa ist auf den Parkebenen unterhalb der Rambam-Klinik ein riesiger Bunker entstanden. Im Ernstfall könnte er viele Leben retten.
An der Oberfläche herrscht auf den ersten Blick normaler Krankenhaus-Alltag. Pflegekräfte schieben Patienten in Betten durch die Gänge, Ärzte laufen geschäftig durch die Eingangshalle, in der Cafeteria sitzen Menschen und unterhalten sich angeregt. Drei Stockwerke tiefer steht Michael Halberthal in kühlem Neonlicht vor einer Reihe leerer Betten. „Unser Referenzszenario ist 60 Tage Krieg. Alle vier Minuten ein Einschlag von Raketen, die viel präziser und stärker sind als die Raketen der Hamas“, erklärt der Direktor des Rambam-Krankenhauses in Haifa im Norden von Israel. Sie bereiten sich hier auf das Schlimmste vor.
Im größten Untergrund-Krankenhaus der Welt wären Tausende Patienten, Ärzte und Pflegende im Ernstfall vor dem Raketen-Hagel geschützt. Die Spannungen im Nahen Osten wachsen. Der Iran und die mit Teheran verbündete libanesische Hisbollah haben Rache für den Tod von Ismail Hanija und Fuad Shukr geschworen. Hamas-Chef Hanija war Ende Juli in der iranischen Hauptstadt Teheran getötet worden, Shukr, Militärkommandant der Hisbollah, starb Stunden davor in Beirut bei einem israelischen Luftschlag.
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Seitdem bereiten sich die Israelis auf einen Gegenschlag vor, der nach Ansicht vieler Beobachter deutlich heftiger ausfallen könnte als die iranische Attacke im April, bei der das Mullah-Regime Hunderte Raketen und Drohnen auf Israel abfeuerte, aber wenig Schaden anrichtete. Haifa ist nur vierzig Kilometer von der libanesischen Grenze entfernt. Seit der Terrorattacke der radikalislamischen Hamas auf den Süden Israels am 7. Oktober und dem Beginn des neuen Gaza-Krieges ist auch der Norden zur Front geworden.
Unter der 1100-Betten-Klinik gibt es ein zweites Krankenhaus
Viele grenznahe israelische Dörfer und Kleinstädte sind nahezu menschenleer, weil die libanesische Hisbollah jeden Tag Raketen oder Drohnen in die Region jagt. Die israelischen Streitkräfte antworten. Aus den Scharmützeln könnte jetzt ein neuer Libanon-Krieg erwachsen. Erinnerungen an das Jahr 2006 werden wach. Im Sommer vor 18 Jahren marschierten israelische Bodentruppen in den Libanon ein, die Hisbollah schoss Hunderte Raketen auf den Norden Israels ab.
„70 Raketen sind in der Nähe unseres Krankenhauses eingeschlagen, das ganze Gebäude wackelte, Patienten und Mitarbeiter wurden verletzt“, erinnert sich Michael Halberthal. Seit dem letzten Krieg haben beide Seiten aufgerüstet. Das Raketenarsenal der Hisbollah ist größer und schlagkräftiger, die Islamisten verfügen über Geschosse, die jeden Punkt in Israel treffen und Hunderte Kilo schwere Sprengladungen ins Ziel steuern können.
Der Himmel über Israel wird durch den Iron Dome geschützt. Doch die Leitung des Rambam-Krankenhauses hat auch ihre eigenen Lehren aus 2006 gezogen: Unter der 1100-Betten-Klinik gibt es jetzt ein zweites Krankenhaus. In friedlichen Zeiten parken in den drei Geschossen unter der Klinik Autos. Als das Parkhaus gebaut wurde, haben es die Planer aber zugleich als Klinik konzipiert, die Schutz vor der Explosion schwerer Raketen, vor biologischen Waffen oder Gasangriffen bieten soll.
„Wir können alle unsere Patienten in acht Stunden hierhin verlegen“
„Innerhalb von 72 Stunden können die Parkflächen der beiden unteren Ebenen umgerüstet werden“, erklärt Halberthal. Genau das ist jetzt geschehen. Schon im Oktober hatte der Klinikdirektor den Umbau angeordnet. Auf den Parkflächen im dritten Untergeschoss stehen auf 20.000 Quadratmetern 1200 Krankenhausbetten bereit. Jeder Krankenhausabteilung sind bestimmte Bereiche zugewiesen. Das Personal übt jedes Jahr mit dem Militär, um im Ernstfall einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten.
„Wir können alle unsere Patienten in acht Stunden hierhin verlegen“, sagt der Klinikdirektor. Platz ist auch für die Patienten von zwei anderen Krankenhäusern. Allerdings: Privatsphäre gibt es hier unten nicht. Jedes Bett ist versorgt wie die Betten über der Erde. Stromanschlüsse, Monitore, Sauerstoffleitungen. Zwei Dutzend Operationsplätze, 150 Intensivbetten. Eine Spielecke für Kinder. „Shalom“ steht auf der Wand, das hebräische Wort für Frieden. Im Stockwerk darüber haben sie zusätzlich 700 Betten.
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In einem Kontrollzentrum im dritten Untergeschoss leuchten große Monitore. Hier werden im Ernstfall die Klinikleitung, Militärs und Polizisten sitzen. Auf dem zentralen Monitor sind Diagramme und Zahlen zu sehen. Hier wird angezeigt, wie viele Patienten gerade im Krankenhaus sind, wie lange die Sauerstoff- und Dieselvorräte noch reichen, wie viele Blutreserven noch vorhanden sind. Das System bestellt automatisch nach, wenn die Vorräte zur Neige gehen.
247 kriegsverletzte Soldaten und 66 Zivilisten wurden behandelt
Im Ernstfall können hier unten bis zu 8000 Menschen vier Tage mit Strom, Sauerstoff, Wasser und Essen versorgt werden, danach müsste nachgeliefert werden. Neben den Patienten sollen auch ihre Angehörigen und die Familien der Mitarbeiter aufgenommen werden. „Wir werden dann nicht mehr in Acht-Stunden-Schichten arbeiten, sondern 24 Stunden oder länger. Die Mitarbeiter müssen wissen, dass ihre Angehörigen in Sicherheit sind, um arbeiten zu können“, sagt Halberthal.
In einem Teil des dritten Untergeschosses werden bereits einige Patienten behandelt. Es sind Menschen, die Dialyse brauchen, die eigentliche Abteilung des Krankenhauses wird derzeit umgebaut. Ruth, 74, sitzt neben anderen Patienten in einem Sessel, einen Schlauch im Arm, auf dem Schoß einen Liebesroman. Sie lebt in einem Vorort von Haifa und muss dreimal in der Woche zur Blutwäsche. „Hier ist es etwas unbequemer als oben, aber es ist in Ordnung“, sagt sie. Natürlich fürchte sie sich, wenn sie daran denke, was geschehen kann. „Ich lasse jetzt gerade einen Schutzraum für mein Haus bauen. Aber das wird dauern.“
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Margarita Shem Tov arbeitet als Krankenschwester in der Dialysestation. Sie stammt aus Ya’ara, einem kleinen Dorf nur etwa zwei Kilometer entfernt von der libanesischen Grenze. „Als wir gesehen haben, was am 7. Oktober geschehen ist, sind wir nach Haifa geflüchtet“, erzählt sie. Die Arbeit unter der Erde sei gewöhnungsbedürftig. „Es ist etwas klaustrophobisch, aber immerhin ist es sicher.“ Sie muss oft an den kurzen Krieg im Sommer 2006 denken. „Damals gab es keine Vorbereitungen. Jetzt haben wir mehr Sicherheit.“
Auch andere Krankenhäuser in Israel haben Untergrund-Kliniken vorbereitet, weiter im Norden in Naharija arbeitet eine kleinere Einrichtung bereits unter der Erde. Das Rambam-Krankenhaus ist eines der besten Trauma-Zentren in Israel, sie behandeln hier regelmäßig Patienten mit Schussverletzungen oder die Opfer schwerer Autounfälle.
Und die Chirurgen kennen sich auch mit Kriegsverletzungen aus. Seit dem 7. Oktober sind in dem Krankenhaus 247 kriegsverletzte Soldaten und 66 Zivilisten behandelt worden. „Natürlich ist das nicht der übliche Weg, Medizin zu praktizieren, in einer so offenen Umgebung“, sagt Klinikdirektor Halberthal. „Aber wenn ich zwischen Raketenbeschuss an der Oberfläche und hier unten wählen müsste, wäre ich lieber hier. Ich hoffe, wir werden es nie nutzen müssen.“
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