Mexiko-Stadt/Caracas. María Corina Machado könnte dem Machthaber Maduro gefährlich werden – doch auch sie war nicht immer eine Kämpferin für die Demokratie.
Es war in den vergangenen Tagen ruhig geworden um María Corina Machado. In Freiheit zu bleiben, stand und steht in diesen entscheidenden Tagen im Vordergrund bei der Oppositionsführerin von Venezuela. Denn seit der Präsidentenwahl am 28. Juli, die Machthaber Nicolás Maduro ganz offensichtlich manipuliert hat, ist die Jagd auf seine Gegner und unabhängige Beobachter eröffnet. In den vergangenen 14 Tagen wurden mehr als eintausend Demonstrierende festgenommen und zwei Dutzend Menschen getötet. Und die Razzien gegen Oppositionelle nehmen zu.
Die Köpfe der Anti-Maduro-Bewegung halten sich weitgehend im Verborgenen auf. Vor wenigen Tagen meldete sie sich in einem Videointerview aus ihrem Versteck wieder zu Wort und warnte vor einer „beispiellosen Migrationsbewegung“, sollte Maduro an der Macht bleiben. Die 56-Jährige beschrieb die Schritte der kommenden Wochen und machte klar, dass sie sich nicht einschüchtern lässt und ihren Kampf bis zum Ende führen wird: „Wir werden standhaft bleiben, wir werden auf uns aufpassen, denn die Unterdrückung ist brutal, aber wir werden nicht aufgeben“.
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Zumindest offiziell weiß man nicht, wo sich Machado gerade aufhält. Sie war zwar bei der Wahl nicht offiziell der größte Herausforderer des Machthabers, aber seine größte Gegenspielerin und seine größte Gefahr ist sie dennoch. Die kämpferische und streitlustige Politikerin zeigt keine Angst und keine Resignation. Anders als so viele andere Führer der venezolanischen Opposition vor ihr.
Venezuela: Unter großem Risiko wagte sich Machado aus dem Versteck
Machado wirkt bereit, alles zu opfern für das, was sie die Freiheit Venezuelas nennt. Sie hat ja schon viel verloren. Das Stahlunternehmen ihres Vaters, das der Familie Reichtum brachte, wurde schon unter Hugo Chávez enteignet. Ihre Kinder und Enkel leben schon lange im Ausland. Machado kämpft vielleicht ihren letzten Kampf und sie ist gewillt, ihn zu gewinnen. Dabei trägt sie ihr Motto oft auf ihren Hemden aufgedruckt: „Hasta el final“. Bis zum Ende.
Schon vor einer Woche hatte sie ein großes Risiko auf sich genommen, als sie sich aus ihrem Versteck wagte, um auf einer großen Oppositionsdemo zu sprechen. Machado ist die eiserne Lady Venezuelas, die den Diktator stürzen will. Sie hat immer ihre Bewunderung für die ultraliberale ehemalige Premierministerin von Großbritannien, Margaret Thatcher (1979 bis 1990), bekundet. Diese habe auch immer ihre Werte gegen alle Gegner und Widerstände verteidigt, sagt Machado.
Allerdings war sie nicht immer die große Demokratin, für die sie sich heute ausgibt. 2002 unterstütze sie den damaligen Putschversuch gegen Chávez. Wie allen Hardlinern der rechtskonservativen und religiösen (Wirtschaft)-Eliten Venezuelas waren auch ihr damals alle Mittel recht, die Linksnationalisten loszuwerden. Es waren ganz andere Zeiten.
Maduro hält Machado für eine Kriminelle, die in den Knast gehört
Zwanzig Jahre später hatte sie im Oktober 2023 mit 92 Prozent der Stimmen die Vorwahl der oppositionellen Einheitsplattform PUD für die Präsidentschaftskandidatur gewonnen, obwohl ihr im Januar der von der Regierung kontrollierte Rechnungshof wegen angeblicher „finanzieller Ungereimtheiten“ das aktive Wahlrecht entzog. Dennoch baute sie ihre Führungsposition weiter aus und gab ihr politisches Kapital an den Außenseiter und ehemaligen Diplomaten Edmundo González weiter, der laut offiziellen Angaben die Wahl gegen Maduro mit gut 44 zu 51 Prozent verlor.
Die mittlerweile unangefochtene Oppositionsführerin ist in Form und Forderungen ganz anders als der ausgleichende González. Sie ist verbal konfrontativ, bisweilen aggressiv, und sie ist lange gegen jegliche Kompromisse und Verhandlungen mit dem chavistischen Regime gewesen. Maduro hält sie für eine Kriminelle, die eigentlich in den Knast gehört. Und nicht für eine Politikerin, mit der man über eine Abgabe der Macht verhandelt.
Für viele ist Machado eine Hoffnungsträgerin – und damit hoch gefährdet
Eigentlich war Machado als radikale Stimme in der breiten und oft gespaltenen Opposition lange isoliert. Die Chefin der Partei „Vente Venezuela“ konnte sich gegen den moderaten Henrique Capriles 2012 oder 2019 gegen den damaligen Präsidenten der Nationalversammlung, Juan Guaidó, nie profilieren. Doch ein Stück weit ist sie jetzt die letzte verbliebene Kämpferin gegen den Chavismus, die nicht im Gefängnis oder im Exil ist. Das macht sie zur Hoffnungsträgerin und auch zu einer hoch gefährdeten Person.
Ideologisch bezeichnet sie sich als „Liberale“. Sie ist wirtschaftlich neoliberal, will den Staat verkleinern, verteidigt die freie Marktwirtschaft und fordert die Privatisierung des staatlichen Ölgiganten „Petróleos de Venezuela“ (PDVSA). In sozialen Fragen lehnt die gläubige Katholiken Abtreibungen ab. Es sei denn, die Schwangerschaft ist Resultat einer Vergewaltigung.
Machado ist die älteste von vier Schwestern, geschieden und Mutter dreier Kinder. Sie war in den USA auf dem Internat, suchte dort schon früh den Kontakt zur Republikanischen Partei. Sie steht Donald Trump deutlich näher als US-Präsident Joe Biden. Zurück in der Heimat studierte sie Wirtschaftsingenieurwesen. 2010 zog sie als unabhängige Abgeordnete mit einem stramm antikommunistischen Diskurs in die Nationalversammlung ein. Dem von Chávez begründeten „Chavismus“ und seinen Werten eines „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ sprach sie immer jegliche Legitimität ab und bezeichnete ihn als „Ideologie eines Putsches“.
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