Berlin. In sozialen Medien verbreitet sich eine Falschmeldung über angebliche Sex-Kontakte der Außenministerin. Spuren führen nach Russland.

Über eine halbe Million Mal wurde der „X“-Post von Chay Bowes mittlerweile angezeigt. Darin behauptet er, dass Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bei Besuchen in Nigeria die Dienste eines männlichen Escorts in Anspruch genommen habe. Über 3000 Euro soll ein Treffen gekostet haben.

Die Quelle dafür: Eine angebliche deutsche Webseite namens „zeitgeschenen.de“. Doch an der Geschichte ist nichts dran. Sie ist wohl das Ergebnis einer russischen Desinformations-Kampagne. Das zeigen Recherchen verschiedener Medien, wie etwa des ZDF oder der Fact-Checking-Seite „Mimikama“.

Dennoch verbreitete sich die angebliche Meldung in den sozialen Medien rasant. 1400-mal wurde der Post von Chay Bowes inzwischen geteilt. Bowes, der aus Irland stammt und sich selbst als Journalist bezeichnet, soll laut verschiedenen Quellen für den staatlichen russischen Fernsehsender RT arbeiten. Er ist bereits in der Vergangenheit durch die Verbreitung russischer Propaganda aufgefallen. Auch andere Accounts teilten die Falschmeldung über Baerbocks angebliche Sex-Affäre.

Annalena Baerbock bei einer Reise nach Nigeria 2022.
Annalena Baerbock bei einer Reise nach Nigeria 2022. © IMAGO/photothek | IMAGO/Florian Gaertner

Angebliche Sex-Affäre von Baerbock: Vorgehen deutet auf russische Fake-News-Kampagne hin

Doch woher stammt die Meldung? In Deutschland wurde sie über das Portal „zeitgeschenen.de“ verbreitet. Eine Webseite, die sich als Nachrichten-Portal ausgibt. Der Name ähnelt der Seite „zeitgeschehen.de“, die hauptsächlich Polizeimeldungen veröffentlicht. Laut der Recherchen von ZDF und „Mimikama“ wurde die Domain „zeitgeschenen.de“ allerdings erst wenige Tage vor der Veröffentlichung der Meldung über Baerbock registriert. Sie enthält außerdem kein Impressum – dafür aber diverse Meldungen mit grammatikalischen Fehlern.

Die Hintergründe der Veröffentlichung deuten darauf hin, dass dahinter eine russische Desinformations-Kampagne steckt. Diese laufen nach Recherchen des ZDF immer nach demselben Muster ab: Neu erstellte Webseiten mit Namen, die an tatsächliche News-Portale erinnern, veröffentlichen falsche Behauptungen. Diese werden dann in den sozialen Medien von prorussischen Accounts geteilt und so verbreitet. Dass russische Trolle versuchen, deutsche Politiker und Politikerinnen und diffamieren und damit deren Glaubwürdigkeit zu untergraben, ist nicht neu.

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Auswärtiges Amt bezeichnet Meldung als „frei erfunden“ und „völlig abstruse Geschichte“

Im Fall der Meldung über Baerbock geht der Fake allerdings noch weiter: Die Seite „zeitgeschenen.de“ beruft sich auf ein Interview mit dem angeblichen Gigolo, das kurz zuvor auf einem ebenfalls neuen YouTube-Account veröffentlicht wurde. Darin erklärt dieser, er habe mehrmals Verabredungen mit einer deutschen Ministerin namens Annalena gehabt und die Nacht mit ihr verbracht.

Das Interview erschien als Text-Version außerdem auf der Webseite der nigerianischen „Daily Post“ – einer eigentlich seriösen nigerianischen Zeitung. Der Artikel war dort allerdings als „sponsored“ gekennzeichnet, also als gekauft, und stammt nicht von den Journalisten der „Daily Post“. Der Artikel wird von „zeitgeschenen.de“ verwendet, um die angebliche Seriosität der Falschmeldung zu belegen.

Tatsächliche Hinweise oder Belege, die die Behauptung stützen, gibt es allerdings nicht. Sowohl das ZDF als auch „Mimikama“ kommen daher zu dem Schluss, dass es sich bei Baerbocks angeblicher Sex-Affäre um ein Fake handelt. Auch das Auswärtige Amt teilte auf Anfrage des ZDF mit: „Das pro-russische Desinformationsportal ‚zeitgeschenen.de‘ verbreitet eine falsche, frei erfundene und völlig abstruse Geschichte.“