Düsseldorf. NRW-Staatskanzlei Liminski ist eigentlich ein Mann für den Maschinenraum. Doch er gewinnt immer mehr als CDU-Außenpolitiker an Statur.
Als Mark Rutte Ende Juni zum NATO-Generalsekretär bestellt wurde, veröffentlichte Nathanael Liminski ein Archivfoto von sich und dem langjährigen niederländischen Ministerpräsidenten. Es zeigte beide Arm in Arm. Liminski versah den Schnappschuss mit dem Lob, Ruttes „unaufgeregte und zupackende Art“ werde dem westlichen Verteidigungsbündnis sicher guttun.
Nun muss man wissen, dass CDU-Mann Liminski (38) nicht nur knapp 20 Jahre jünger ist als Rutte (57), sondern politisch (noch) in einer ganz anderen Umlaufbahn unterwegs. Während der Niederländer künftig an vorderster Front einen Dritten Weltkrieg verhindern soll, dirigiert der andere als NRW-Staatskanzleichef sowie Medien- und Europaminister „nur“ die Geschicke zwischen Höxter und Heinsberg.
Genauso amüsant könnte es also wirken, stufte etwa NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU), ein ambitionierter Hobby-Tennisspieler vom Niederrhein, die Rückhand von Alexander Zverev als ganz passabel ein. Doch bei Liminski lacht schon lange keiner mehr.
NRW-Staatskanzleichef tickt bei Ukraine-Debatte anders als der Mainstream
Der Chef der Düsseldorfer Regierungszentrale hat sich in den vergangenen beiden Jahren vom fleißigen, aber weitgehend unbekannten „Mach mal“ im Maschinenraum des früheren Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) zu einer zentralen Figur der Union mit bundespolitischem Anspruch entwickelt.
Vor allem in der Außenpolitik wird das immer sichtbarer. In der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung „Die Zeit“ gibt Liminski seiner Partei ein paar Hinweise zum Umgang mit Donald Trump, die als deutliche Distanzierung von Fraktionsvize Jens Spahn gelesen werden können.
Sich auf Trumps „America first“-Politik einzustellen, schließe ein, „auch mit Trump und seinen Leuten zu reden. Aber mit Trump zu reden, heißt nicht, so werden zu wollen wie er oder sich bei ihm anzubiedern“, sagt Liminski da. Spahn hatte als Beobachter am Parteitag der Republikaner in Milwaukee teilgenommen und sich von dort wohlwollend über Trump geäußert. Ein Parteitag, der über drei Tage hinweg „frenetisch einen Personenkult feiert“, habe mit konservativ nur noch sehr wenig zu tun, findet dagegen Liminski.
Liminski: Lange Exot, inzwischen machtbewusster Vordenker
Aus solchen Wortmeldungen spricht Selbstbewusstsein, aber auch die Fähigkeit, sich einen eigenen Reim auf die Dinge zu machen. Liminski ist im Frühjahr 2023 als erstes NRW-Kabinettsmitglied in die Ukraine gereist und hält engen Kontakt zu Hilfsorganisationen. Als jüngst in der Union die Forderung populär wurde, ukrainischen Flüchtlingen das Bürgergeld zu streichen, hielt sich Liminski auffallend raus. Er will erst einmal verstehen, warum der Plan von 2022, die damals in Massen Schutzsuchenden möglichst schnell in die Arbeitsvermittlung zu nehmen, nicht wie erhofft aufgegangen ist.
Ein ähnliches Muster zeigte sich im Herbst 2023 nach dem Überfall der Hamas auf Israel, der auch auf den Straßen in NRW antisemitische Reflexe auslöste. Statt die x-te Islam-Debatte zu befeuern, organisierte Liminski ein vielbeachtetes Versöhnungstreffen von jüdischen und muslimischen Glaubensvertretern in einer Moschee in Bochum und einer Synagoge in Köln.
Auch beim Flüchtlingsthema bewegt er sich abseits der Partei-Mainstreams. Als Liminski im April das völlig überfüllte Flüchtlingslager Pournara auf Zypern besuchte, sagte er: „Auch wenn oft abstrakt von Welle, Krise oder Strom die Rede ist: An diesem Ort bekommt die große Frage der Migration ein menschliches Gesicht.“
Lange umgab Liminski etwas Exotisches, das eher beargwöhnt wurde. Einser-Abiturient aus Sankt Augustin, achtes von neun Kindern einer strengkatholischen Familie. Der Vater Publizist mit Opus Dei-Hintergrund, die Mutter Französin. Der Sohn politisch hochbegabt, der früh als Redenschreiber in der Bundesregierung diente. Vor zehn Jahren schließlich von Laschet entdeckt und 2017 zum jüngsten Staatskanzleichef Deutschlands befördert.
Seit zwei Jahren gelingt Liminski das Kunststück, einerseits loyal dem neuen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU) im Ministerrang das Tagesgeschäft zu organisieren. Andererseits schärft er permanent das eigene Profil als Vordenker in der Union, der Ministerpräsidentenkonferenzen mit dem Kanzler prägt und der Flüchtigkeit des tagespolitischen Bildersturms eine selten gewordene intellektuelle Tiefe entgegensetzt.
Wohl niemand in der Landesregierung arbeitet so viel wie der Vater von vier Kindern. Es gibt kaum einen Vorgang, den er nicht kennt oder an sich zieht. Wer wissen will, wo Liminskis Büro im Düsseldorfer Landeshaus liegt, muss freitagabends gegen 22 Uhr über die Rheinkniebrücke laufen: Nur bei ihm brennt noch Licht.
Trotz allen Macht- und Sendungsbewusstseins hält sich die Zahl seiner Gegner in Grenzen. Vielleicht weil Liminski eine gesellige Anstrengungslosigkeit verströmt und die in der Spitzenpolitik unterentwickelte Gabe zur Selbstironie besitzt. Sie blitzt auf, wenn er über den Tribut der Arbeit an Körperumfang und Haupthaar spottet. Anders als viele Parteiapparatschiks schätzt er sogar den Umgang mit der Opposition oder kritischen Geistern.
Selbst Comedian Jan Böhmermann, den viele in der Union regelrecht hassen, hat er schon getroffen. Liminskis Bonmot: „Auch ein CDUler hat das Recht, verarscht zu werden.“