Seoul. Machthaber Kim Jong Un zeigt sich neuerdings öfter mit seiner Tochter. Doch es gibt noch zwei weitere Frauen, die großen Einfluss haben.

Ist sie die wahre Herrscherin Nordkoreas? Diese Frage kommt immer wieder auf, wenn Kim Yo Jong an die Öffentlichkeit tritt. So zum Beispiel im Juni, als sie dem Feind Südkorea scheinbar furchtlos ins Gesicht lachte: Der Süden werde nun „eine bittere Scham erleiden, wenn ohne Pause den ganzen Tag Abfall aufgesammelt werden muss.“ Aus dem Norden waren zum ersten Mal Hunderte mit Schmutz und Exkrementen bepackte Ballons über die Grenze geflogen. Es folgten viele weitere.

Die mehrtägigen Aktionen übler Nachbarschaftspolitik erklärt Kim Yo Jong als Revanche dafür, dass Bürgergruppen aus Südkorea seit Jahren Nordkorea-kritische Flugblätter und mit südkoreanischer Popkultur beladene USB-Sticks gen Norden schicken. Und voller Spott für die liberalen Werte Südkoreas rechtfertigte die 36-Jährige die Ballonattacke: Wenn der Süden solchen Müll nach Norden schicke, denn kriege er eben Müll zurück. Mit dieser Antwort in Gestalt von Ballons lebe Pjöngjang nur seine Meinungsfreiheit aus.

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Nordkorea: Drei mächtige Frauen stehen an der Seite des Diktators

Beachtlich an diesen Ekelmanövern ist nicht nur, dass der Norden da sprichwörtlich seinen Mist im Süden ablud, sondern auch, dass es eben nicht der Diktator Kim Jong Un war, der sich in erster Linie dazu äußerte. Einmal mehr stand seine knapp drei Jahre jüngere Schwester im Vordergrund. An der Aktion scheint sie maßgeblich mitbeteiligt – wie an so vielen Entscheidungen, die in Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang getroffen werden. Kim Yo Jong gilt als die zweite Person – und faktisch erste Frau – im Staate.

Was Geschlechterfragen angeht, kann Kim Jong Un damit auf den ersten Blick als für nordkoreanische Verhältnisse fortschrittlicher Staatenlenker gelten. Denn in seinem direkten Umkreis finden sich gleich mehrere mächtige Frauen: Neben Kim Yo Jong, die als entscheidende Strategin gilt, zählt zur Politikerinnenelite auch Choe Son Hui, die Kim Jong Un 2022 zur ersten Frau an der Spitze des Außenministeriums machte. Bei öffentlichen Auftritten zeigt Kim statt eines Sohns auch oft seine Tochter Ju Ae vor.

Der südkoreanische Geheimdienst vermutet, dass sie als Nachfolgerin aufgebaut wird. „Pjöngjang bringt Kim Ju Ae offensichtlich bei, als gesetzliche Erbin aufzutreten“, sagte der südkoreanische Parlamentsabgeordnete Lee Seong Kweun Anfang der Woche nach einer Sitzung mit Geheimdienst-Vertretern. Kim Ju Ae, die vermutlich im jungen Teenager-Alter ist, wurde erstmals 2022 der Weltöffentlichkeit vorgestellt.

Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un zeigte sich bei öffentlichen Auftritten zuletzt häufiger mit seiner Tochter Ju Ae.
Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un zeigte sich bei öffentlichen Auftritten zuletzt häufiger mit seiner Tochter Ju Ae. © AFP | Str

Die Stellung der nordkoreanischen Frauen verändert sich – Unterdrückung bleibt

Für das Alltagsleben im Ein-Parteienstaat betonen Berichte der Nicht-Regierungsorganisation Human Rights Watch zwar, dass Diskriminierung aufgrund des Geschlechts weiter zur Norm gehört. Einerseits liege dies an der konfuzianischen Prägung im Land, die den Mann und Vater als Kopf einer Familie betrachtet und eher strenge Hierarchien vorsieht. Laut Human Rights Watch betonen selbst weibliche Lehrkräfte im Land dies immer wieder: Jungs würden zu Anführern gemacht, Mädchen zur Unterwürfigkeit erzogen.

Im Widerspruch hierzu scheint das große Vertrauen zu stehen, dass der „Oberste Führer“ Kim Jong Un zumindest einigen Frauen in seinem Leben schenkt. „Kim will auch nach außen hin modern wirken“, sagt Vladimir Tikhonov, Koreanistik-Professor an der Universität Oslo. Tatsächlich habe sich die Stellung von Frauen verändert, seit Nordkorea in den 1990er Jahren von Hungersnöten getroffen wurde, in der womöglich Millionen Menschen starben. Genaue Zahlen sind nicht bekannt.

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Frauen gelten nicht als Bedrohung für Kim Jong Uns Macht

Bis dahin hatten Frauen ihre feste Rolle im Haushalt, doch plötzlich wurden sie gebraucht, um mit allen möglichen Mitteln die Familie ernähren zu können. Laut mehreren Beobachtern ist Kim Jong Un der erste Staatschef Nordkoreas, der die selbstbewusster gewordenen Frauen gezielt in seine Geschäfte einbindet. Dabei wird auch immer wieder betont: Anders als Männer gelten Frauen bislang kaum als Bedrohung für Kims Macht.

Vergleichsweise modern gibt sich Kim Jong Un auch im Umgang mit seiner Ehefrau Ri Sol Ju: Anders als die vorigen Generationen von First Ladys hat Ri regelmäßig öffentliche Auftritte, wenngleich sie vor allem als hübsch lächelnde Unterstützung auffällt. „Sie kommt wohl aus der Entertainmentwelt“, so Vladimir Tikhonov. Dabei trägt Ri oft westliche Mode, wirkt insofern weltoffen. Und damit gilt sie als Stilikone für viele Frauen im abgeschotteten Land.

Kim Jong Un mit seiner Schwester Kim Yo Jong (rechts), seiner Ehefrau Ri Sol Ju (2. von links) und seiner Tochter Ju Ae.
Kim Jong Un mit seiner Schwester Kim Yo Jong (rechts), seiner Ehefrau Ri Sol Ju (2. von links) und seiner Tochter Ju Ae. © AFP | Str

Gerüchte um Harem halten sich hartnäckig

Ri Sol Ju steht hiermit im klaren Gegensatz zu Kim Jong Uns Mutter, der dritten Ehefrau von Kims Vater und Amtsvorgänger Kim Jong Il: Ko Yong Hui, die als Tochter eines koreanischen Vaters und einer japanischen Mutter im japanischen Osaka zur Welt gekommen und später nach Nordkorea übergesiedelt war, wurde in Nordkorea Tänzerin, blieb der dortigen Öffentlichkeit aber weitgehend unbekannt. Den Menschen zeigte sich Kim Jong Il kaum in weiblicher Begleitung.

Vielleicht auch, weil es viel zu verstecken gab? Dies dürfte indes auch auf den heutigen Herrscher Kim Jong Un zutreffen. „Es gibt immer wieder Gerüchte, dass er einen Harem führt“, sagt Vladimir Tikhonov. „Wenn er das will, gibt es sicher nichts, das ihn davon abhalten würde.“ Dass mächtige Männer mehrere Liebschaften führen, sei dabei auch in Südkorea nicht unüblich.

Zu Kim Jong Un gibt es Gerüchte, er würde sich eine „Vergnügungstruppe“ aus 25 Mädchen halten. Eine, die zu den Auserwählten gezählt haben soll, heißt Cherie Yang. „Ich war 16, als Offizielle in meine Heimatstadt kamen und mich aussuchten“, berichtete die Frau, die später aus Nordkorea in die USA floh, vor drei Jahren in einem Podcast. Zuvor habe Yang miterlebt, wie ihr Vater festgenommen worden und in Haft misshandelt worden sei. So hatte sie Angst vor dem Staat, floh zunächst ins benachbarte China, und wurde nie zu einer der Frauen des „Obersten Führers“.