Milwaukee. Er wolle Präsident für ganz Amerika sein – in Milwaukee war ein scheinbar gewandelter Donald Trump zu erleben. Aber eben nur scheinbar.

Trump auf Parteitag: Will Präsident für ganz Amerika sein

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    Es sollte die große nationale Umarmung werden. Eine Rede, die das zerstrittene Land eint und Brücken baut über tiefe parteipolitische Gräben. So hatten es die Berater von Donald Trump vor dem Schlussakt des Nominierungsparteitags der Republikaner in Milwaukee angekündigt. 

    Der frisch gebackene Kandidat für die Präsidentschaftswahl im November habe eine ursprüngliche Ansprache, die „extrem hart“ mit Joe Biden und den Demokraten ins Gericht gegangen wäre, nach seiner Nahtoderfahrung am Wochenende eingestampft und neue Worte finden lassen. 

    Und in der Tat, die ersten 15 Minuten der von Show-Elementen mit der Senioren-Wrestler-Legende Hulk Hogan, dem Evangelikalen-Prediger Franklin Graham und dem Rap-Sänger Kid Rock flankierten Rede, der ersten nach dem Mordanschlag in Pennsylvania, präsentierte einen zumindest gewandelt klingenden Menschen. 

    Trump auf Parteitag der Republikaner: „Ich hatte Gott an meiner Seite“

    Trump sprach zaghaft, leise, gedämpft und sagte ganz am Anfang Sätze, die aufhorchen ließen: „Ich kandidiere, um Präsident für ganz Amerika zu sein, nicht für die Hälfte Amerikas, denn es gibt keinen Sieg, wenn man für die Hälfte Amerikas gewinnt.” Später fordert er, der traditionelle Scharfrichter im politischen Häuserkampf, dass Amerika endlich aufhören müsse, „Meinungsverschiedenheiten zu dämonisieren“. Und dann noch die Forderung: „Die Zwietracht und die Spaltung in unserer Gesellschaft müssen geheilt werden.“ 

    Ist da etwa wirklich etwas ins Rutschen gekommen, als der 78-Jährige in Pennsylvania dem Tod von der Schippe sprang? 

    Trump erzählt fast demutsvoll klingend, wie es war, als eine Gewehrkugel sein Ohr streifte. Wie auf einmal alles voller Blut gewesen sei. Wie die Agenten vom Secret Service sich aufopferungsvoll auf ihn gestürzt hätten, um ihn zu schützen. Wie er gesehen habe, dass das Publikum bei ihm blieb. „Ich fühlte mich sicher, ich hatte Gott an meiner Seite.“ 

    Um den bei dem Attentat ums Leben gekommenen Feuerwehrmann Corey Comperatore zu ehren, küsst Trump melodramatisch eine bereitgestellte Uniform und berichtet von einer Millionenspende für die Angehörigen. Szenen, die in der von über 15.000 Menschen besuchten Fiserv-Arena für Tränen sorgen. Besonders als er mit Rückgriff auf den Attentäter sagt: „Ich sollte heute nicht hier sein.“

    Der republikanische Präsidentschaftskandidat und ehemalige Präsident Donald Trump küsst den Helm von Corey Comperatore.
    Der republikanische Präsidentschaftskandidat und ehemalige Präsident Donald Trump küsst den Helm von Corey Comperatore. © DPA Images | Charles Rex Arbogast

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    Trump kommt wieder auf übliche Betriebs-Temperatur

    Doch Trump, der Überlebende mit dem großen, weißen Pflaster am rechten Ohr, ist in Wahrheit immer noch ganz der Alte. Mit fortlaufender Redezeit wird klar: Das mit der demütigen Stimme war nur geschauspielert. Immer häufiger fällt er schon bald in das aggressive Timbre zurück, das man schon hundertfach gehört hat. Inklusive Sätzen, die nicht nach Einheit und Neuanfang schmecken. Sondern nach Vertiefung der Spaltung. 

    Der Leitsatz der Litanei, die im Hallenrund viele sichtbar ermüdet, es war bereits 22.30 Uhr, geht so: „Die zehn schlimmsten Präsidenten dieses Landes sind zusammen genommen nicht so schlimm wie Joe Biden.“ Was der Demokrat Amerika angetan habe, sei „unglaublich“. Was denn? 

    Die hohe Inflation. Die noch höheren Preise für Benzin und den Supermarkt. Die mordenden und vergewaltigenden illegalen Einwanderer an der Grenze zu Mexiko. Und, und, und. Fazit: „Wir sind ein Land im Abstieg.“ Trump ist inzwischen ganz auf der üblichen Betriebstemperatur seiner Polemik angekommen. Die Angriffe auf den Gegner werden zum Sperrfeuer. 

    So sollen die Demokraten (es sind Gerichte, die über ihn urteilen) endlich die „Hexenjagd“ (gemeint sind die Prozesse) gegen ihn einstellen; alle. Habe doch eh keinen Zweck, ist seine Botschaft. „Wir werden sowieso gewinnen.“ Auch wenn die Demokraten „gerne bei den Wahlen schummeln“. Letztens hätten sie „Corona benutzt, um zu betrügen“. 

    Donald Trump bei seiner ersten Rede nach dem Attentat.
    Donald Trump bei seiner ersten Rede nach dem Attentat. © AFP | BRENDAN SMIALOWSKI

    Neue Politik-Angebote von Trump gibt es nicht

    Ab Minute 45 wird es immer wirrer, düsterer, konfuser. Und langatmiger. Man weiß nicht, ob das monotone Herunterrasseln von hinlänglich bekannten Versatzstücken vom Teleprompter kommt oder aus Trump selber. Neue Politikangebote, bis auf die versprochene Massenabschiebung von illegalen Einwanderern, gibt es nicht. Trump hasst die Einwanderer, das wird klar.

    „Sie kommen von überall“, sagt er und fügt hinzu: „Wir sind zu einer Müllhalde für den Rest der Welt geworden.“ Menschen gleich Müll? Was daran ist versöhnlich? 

    Auch sein Versprechen, „jede einzelne internationale Krise zu lösen“, von Ukraine/Russland bis Israel/Gaza, hat man schon hundert Mal gehört. Wie er das schaffen will, bleibt unscharf. Am Ende kommt die ganze Familie, auch Gattin Melania ist nach monatelanger Abwesenheit ganz in Rot anwesend, auf die Bühne. Blau-weiß-rote-Luftballons regnen herab von der Hallendecke. Wer noch kann im Publikum, klatscht. Dann ist der Parteitag vorbei. In vier Monaten wird gewählt. Trump, das Attentatsopfer – wie gehabt.