Berlin. Der neue SPD-Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz ernährt sich vegan. Wie das im Alltag geht – und was sein eigentliches Laster ist.

Dort, wo Politiker gern zeigen, wie sie in Wurstbrötchen beißen, wie sie Käsescheiben vertilgen und Schweinshaxen essen, dort also, wo die kulinarische Seite der Politik ausgestellt wird, ist Alexander Schweizer sehr zurückhaltend: Auf der Fotoplattform Instagram zeigt er sich nur mit Getränken. Ein Bild mit einem Glas Wasser, eines mit einer Tasse Kaffee – und an Weihnachten ein Foto mit einem Bier. Mehr gibt es nicht zu sehen an Eindrücken aus seinem Alltag, die er auf seinem Account veröffentlicht. 

Alexander Schweitzer ist der neue SPD-Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz, als Nachfolger von Malu Dreyer. Und: Der 50-Jährige ernährt sich vollständig vegan. Seit 2016 verzichtet er auf Fleisch, Käse und alle tierischen Produkte. Ausgerechnet in Rheinland-Pfalz, dem Bundesland des Saugmagens. Dem Land, aus dem Helmut Kohl kam, der berühmt war für seine fleischlastige Ernährung. Schweitzers Essverhalten macht auch deshalb Schlagzeilen, weil es so selten ist in der Spitzenpolitik. Er ist einer der wenigen Politiker, die sich vegan ernähren. Wie macht er das? Und wie lässt sich das mit dem Alltag in der Politik vereinbaren?

Schweitzer sagt: „Saumagen vermisse ich persönlich nicht“

Ein Anruf in der Staatskanzlei. Schweitzer klingt gut gelaunt, erst am Dienstag machte die Meldung die Runde, dass er künftig Regierungschef sein wird. Vermisst er eigentlich den Saumagen, seitdem er sich vor acht Jahren entschieden hat, vegan zu leben? „Ich habe als Kind und Jugendlicher sehr gern Saumagen gegessen, ich war sogar mal Jurymitglied bei einem Saumagen-Wettbewerb. Das ist ein feines Essen, aber ich persönlich vermisse es nicht.“ 

Malu Dreyer verabschiedete sich im rheinland-pfälzischen Landtag von den Abgeordneten – und übergab an Schweitzer.
Malu Dreyer verabschiedete sich im rheinland-pfälzischen Landtag von den Abgeordneten – und übergab an Schweitzer. © AFP | Torsten Silz

Und dann erzählt Schweitzer, wie es dazu kam, dass er seine Ernährung umstellte: „Das war eine sehr persönliche Entscheidung. Ich hatte schon in den Jahren vor 2016 immer mal gedacht: Puh, das ist schon ganz schön viel Fleisch, was ich esse.“ Es gab oft und viel Fleisch, bei diversen Terminen. Ab 2014 war Schweitzer Chef der SPD-Landtagsfraktion in Rheinland-Pfalz, ein stressiger Job. Hier eine Abendveranstaltung, dort ein Empfang, dazwischen Häppchen, Häppchen, Häppchen. Sehr oft mit viel Fleisch. 

Schweitzer rückt sein Essverhalten nicht in den Mittelpunkt

Schweitzer beschloss, etwas zu tun: „Dann habe ich mal einige Wochen kein Fleisch gegessen und merkte, dass mir das gut tut. Und ehrlich gesagt: Wenn man mich so anschaut, bekommt man glaube ich auch nicht den Eindruck, dass ich an Mangelerscheinungen leide. Im Gegenteil: Mir geht es sehr gut.“ Schweizer ist 2,06 Meter groß, Schuhgröße 47,5, er ist künftig der größte Ministerpräsident in Deutschland. Auf seiner Homepage ist bei „Über mich“ nichts dazu zu lesen. Schweitzer rückt sein Essverhalten nicht in den Mittelpunkt. Doch er verschweigt es auch nicht.

Nun werden seine Arbeitstage wohl noch länger werden. Kann es sein, dass ihm gelegentlich Energie fehlt? Schweitzer sagt ruhig am Telefon: „Absolut nicht. Ich bin lange Arbeitstage gewohnt und glaube, ich kann mit meiner veganen Ernährung sehr gut durchhalten. Aber: Ich muss schon darauf achten, Gemüse und Obst zu mir zu nehmen. Mein Laster ist der Süßkram, davon esse ich leider viel zu viel.“

„Ein gutes Glas Wein verbindet mich mit den Menschen hier“

Oft wird von Spitzenpolitikern erwartet, dass sie mitmachen: Egal, welches Essen serviert wird bei Veranstaltungen, teilnehmen ist ein Ausdruck von Zugehörigkeit. Wie ist das bei Schweitzer? Isoliert ihn seine Ernährung? Schweitzer muss kurz überlegen. Dann sagt er: „Ich komme aus dem Weinland Rheinland-Pfalz. Wenn ich jetzt beschließen würde, keinen Wein mehr zu trinken, das wäre eher seltsam – aber ich schätze ab und zu ein gutes Glas. Das verbindet mich mit den Menschen hier. Was ich dann dazu esse, ist, glaube ich, den meisten egal.“ Häufig, erzählt er, habe er so wenig Zeit bei Veranstaltungen, dass ohnehin kaum Möglichkeiten zum Essen bleiben.

Heutzutage wohnt der dreifache Vater, dessen Kinder 25, 15 und 14 Jahre alt sind, mit seiner Frau in der Südpfalz nahe der französischen Grenze. Er erzählt, dass er nicht allein ist in seiner Familie mit seiner Ernährung: „Ach, da gibt es keinen Streit. In meiner Familie gibt es Vegetarier, es gibt Fleischesser, wenn wir zusammenkommen ist immer für jeden etwas dabei.“ Auch als künftiger Ministerpräsident will sich Schweizer vegan ernähren. Nur eines will er ändern, sagt er dieser Redaktion: „Die süßen Teilchen, die würde ich gern noch etwas mehr reduzieren.“