Essen. Sozialdemokraten können noch gewinnen - jedenfalls in Großbritannien. Warum Keir Starmer nun eine große Aufgabe vor sich hat.
Während in Frankreich, Italien, den Niederlanden und auch bei uns rechtspopulistische Parteien auf dem Vormarsch sind, präsentiert Großbritannien, dass auch Sozialdemokraten siegen können. Wer hätte das heutzutage noch gedacht? Und das ausgerechnet im Brexit-Land!
Doch die beeindruckende Mehrheit für die Labour-Party stellt keine ideologische Neuausrichtung dar. Vielmehr hatten die allermeisten Britinnen und Briten von den konservativen Tories einfach die Nase voll. Rishi Sunak war nur der letzte Premier, der es vermasselt hat, Boris Johnson der irreste von allen. In 14 Jahren haben die Konservativen nicht zeigen können, dass der Ausstieg aus der EU richtig war. Im Gegenteil: Großbritannien steht wirtschaftlich schlecht da, das Gesundheitssystem ist marode - und das Thema Migration haben die Tories auch nicht lösen können.
Keir Starmer wirkt wohltuend zurückhaltend
All diese Probleme muss nun Labour bewältigen, die Aufgaben sind gewaltig. Die gute Nachricht ist dabei, dass Labour zum Regieren eine große politische Mehrheit hat. Und die Tatsache, dass mit Keir Starmer ein zurückhaltend wirkender Mann an die Spitze des Staates gelangt, ist in diesen Zeiten ebenfalls eine gute Botschaft. Es stimmt also nicht, dass Sprücheklopfen automatisch Wähler überzeugt.
Der letzte Sozialdemokrat, der die Tories in die Opposition schickte, war Tony Blair. Als dieser 1997 ähnlich hoch wie jetzt Keir Starmer siegte, hatte er zuvor den „third way“, also einen dritten Weg zwischen Sozialismus und Marktwirtschaft beschrieben. Diesen Weg hatte Blair gemeinsam mit Gerhard Schröder formuliert, der 1998 Helmut Kohl ablöste.
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Auf Labour und den künftigen Premier Keir Starmer lasten nun viele Hoffnungen. Die Briten wollen endlich wieder nach vorn blicken, gute Politik erleben. Ob das auch für eine Rückkehr in die EU gilt, ist noch nicht ausgemacht. Doch es dürfte Annäherungen geben, und Keir Starmer wird eben kein weiterer Populist auf der europäischen Landkarte sein. Das ist immerhin ein Lichtblick in diesen aufgeregten Zeiten.