Borgo Egnazia. Die Macht der G7 schwindet. Zusätzlich droht der Gruppe die Spaltung, wenn auch Trump und Le Pen an die Regierung kommen sollten.
Sind unsere Tage an der Weltspitze gezählt? Diese Frage sprechen die Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten nicht offen aus bei ihrem Gipfeltreffen in Italien. Sie hängt jedoch wie ein dunkler Schatten über der Veranstaltung im sonnigen Apulien. Auf dem traditionellen Familienfoto der Teilnehmer stehen Politiker, die schon bald nicht mehr dabei sein könnten, wenn sich die Gruppe großer Industriestaaten trifft. Nicht nur deswegen werden Einfluss und Macht dieser Demokratien deutlich schrumpfen.
Auf dem G7-Gipfel: Video von verwirrtem Joe Biden nährt neue Spekulationen
US-Präsident Joe Biden läuft Gefahr, sein Amt im November an Donald Trump zu verlieren. In Kürze wird in Großbritannien gewählt, für Premierminister Rishi Sunak sieht es nicht gut aus. Bundeskanzler Olaf Scholz ist zwar fest von seiner Wiederwahl überzeugt, doch das Ergebnis der Bundestagswahl im kommenden Jahr könnte ein anderes sein. Den Regierungschefs von Japan und Kanada, Fumio Kishida und Justin Trudeau, stehen in diesem beziehungsweise nächsten Jahr Wahlen bevor.
Meloni, Trump, Le Pen: Droht den G7 ein rechtspopulistischer Block?
Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron ist zwar noch bis 2027 im Amt, aber danach könnte dort die Rechtspopulistin Marine Le Pen regieren. Aus der G7-Runde muss sich nur die italienische Postfaschistin Giorgia Meloni derzeit keine Sorgen machen. Die Rechtspolitikerin steht dafür, dass den G7 nicht nur personell große Veränderungen drohen. Die erzkonservative Gastgeberin hat durchgesetzt, dass in der Abschlusserklärung eine Formulierung gestrichen wird, mit der Frauen ein Recht auf Abtreibung zugesprochen wird.
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Die G7 sahen sich immer als vereinte Verfechter eines demokratischen Weltbilds. Wenn zusätzlich zu Meloni in den USA wieder Trump regieren sollte und Le Pen in Frankreich an die Macht kommt, wäre dies absehbar vorbei. Trump hatte schon während seiner ersten Amtszeit einheitliche G7-Positionen etwa im Kampf gegen den Klimawandel oder für einen freien Welthandel sabotiert. Ein rechtspopulistischer Block könnte die Gruppe spalten – und so gefährlich schwächen.
Die westlichen Demokratien verlieren an Bedeutung
Die Demokratie, progressive Werte und die internationale Ordnung werden von autokratischen Staaten wie Russland und China bekämpft. Die demokratischen Staaten haben aus diesem Konflikt bisher eins gelernt: Verteidigen können sie sich dagegen nur, wenn sie zusammenstehen. Es ist daher ein starkes Signal, dass die G7 der Ukraine einen Milliardenkredit zusagen, den sie aus eingefrorenen russischen Geldern finanzieren. Aber gerade die Einigkeit zur Unterstützung der Ukraine könnte vorbei sein, wenn Trump wieder mit am Tisch sitzt – zur Freude von Wladimir Putin.
Der einst als Club der mächtigsten Industrienationen gegründete G7-Bund verliert aufgrund des Aufstiegs anderer Staaten ohnehin an Bedeutung. Die Macht verschiebt sich in Richtung Asien, Afrika und Lateinamerika. China arbeitet aggressiv an seinem Aufstieg zur globalen Supermacht, Indien drängt in der Liste der größten Industrienationen nach vorne, ebenso Indonesien. Diese Staaten sehen ihre Zeit gekommen.
Auf dem G7-Gipfel: Was wünscht sich Scholz vom Papst zum Geburtstag?
Die alten Mächte reagieren auf ihren schwindenden Einfluss auf das Weltgeschehen damit, dass sie ihre Treffen für Gäste aus anderen Staaten wie der Türkei, Brasilien, Indien oder Kenia öffnen. Dieser Schritt ist wichtig – und unvermeidlich. Die Dominanz des Westens ist gebrochen. Das Geschick der Menschheit muss über alle Kontinente hinweg verhandelt werden. Wollen die Europäer und ihre Partner in Zukunft politisch und wirtschaftlich bedeutend bleiben, müssen sie neue Partnerschaften knüpfen – und ihre Positionen geschlossen vertreten.