Berlin. Die US-Regierung spricht von „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“: Moskau entführt offenbar Kinder und bietet sie im Internet an.

In Russland werden offenbar aus der Ukraine entführte Kinder zur Adoption im Internet angeboten. In einer Mitteilung von US-Sicherheitsberater Jake Sullivan heißt es, seit Beginn der Invasion hätten Angehörige der russischen Streitkräfte und andere Offizielle Hunderttausende ukrainische Zivilisten nach Russland deportiert, darunter Kinder, die man ihren Eltern weggenommen habe.

Einen Bericht der „Financial Times“, die vier entführter ukrainischer Kinder identifiziert und lokalisiert hatte, nannte Sullivan „glaubwürdig“. Laut dem Zeitungsbericht sollen russische Behörden Kinder aus der Ukraine auf Adoptions-Webseiten anbieten. „Das ist verabscheuungswürdig und entsetzlich“, sagte Sullivan.

Der „Financial Times“ war es gelungen, den Aufenthaltsort von vier entführten Kindern ausfindig zu machen. Dem Bericht zufolge sind die Kinder zwischen acht und 15 Jahre alt und entstammen staatlichen Heimen in der Ukraine. Drei seien in der Region Tula, Nahe Moskau, eines befinde sich auf der besetzten Krim. Auf der Website sei eines der Kinder mit neuem russischen Namen und geändertem Alter angezeigt worden, ein anderes mit einer russifizierten Version seines ukrainischen Namen. In beiden Fällen sei die ukrainische Herkunft unterschlagen worden.

Zehntausende ukrainische Kinder nach Russland verschleppt

„Diese Kinder gehören zu ihren Familien in der Ukraine“, sagte Sicherheitsberater Sullivan. Russland führe nicht nur nur gegen die ukrainische Armee Krieg, „sondern gegen das ukrainische Volk“. Dabei begehe Russland Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. „Wir werden weiterhin an der Seite der Ukraine stehen und ihnen dabei helfen, sich gegen Russlands barbarischen Angriffskrieg zu verteidigen“, stellte Sullivan klar.

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Im Krisenmodus

Die „Financial Times“ ist indessen nicht das einzige US-Medium, das über Entführungen und Adoptionswebsites berichtet. Auch die „New York Times“ hatte von derartigen Dingen geschrieben. Die Tageszeitung hatte ein Netz von Beamten und Politikern indentifiziert, das 46 ukrainische Kinder aus Kherson nach Russland verschleppt hat.

Offizielle Angaben aus der Ukraine zufolge sind bislang 389 entführte Kinder mit ihren Sorgeberechtigten wiedervereint worden. Das ist nicht ohne weiteres zu erreichen. Um an ihre Kinder zu gelangen, müssen Angehörige nach Russland reisen und dort um das Sorgerecht kämpfen. Schätzungsweise wurden rund 20.000 Kinder aus der Ukraine verschleppt. Tausende sollen noch vermisst sein. (pcl)

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