Essen. Einen Automatismus für Neuwahlen im Bund gibt es nicht – auch wenn Markus Söder einen schnellen Urnengang fordert. Die Ampel muss sich positionieren.

Wenn CSU-Chef Söder nun rasche Neuwahlen fordert, dann verkennt er die Regeln unseres Grundgesetzes. Denn die Ampel-Koalition hat weiterhin die Mehrheit im Bundestag. Das ist nun mal so, zudem hatten wir am Sonntag keine bundesdeutsche, sondern die Europawahl. Das ist schon ein Unterschied.

Das heißt: Wenn die angeschlagene Ampel sich irgendwie zusammenreißt, dann gibt es die nächste Bundestagswahl zum anberaumten Termin im Herbst 2025.

Grundgesetzt sieht schnelle Sprünge nicht vor

Das Verlangen Söders und anderer Leute aus der Union entspringt natürlich dem Wunsch nach rascher Machtübernahme, doch solche Sprünge sieht das Grundgesetz nun mal aus guten Gründen nicht vor. Außerdem hat die Union zwar 30 Prozent der Stimmen geholt, mehr aber auch nicht.

Wenn wirklich der Frust über die Ampel die Wahl beeinflusst hat, dann hätten doch wohl noch mehr Menschen nach der Union gerufen. Vielleicht ist Friedrich Merz ja doch nicht der richtige Kanzlerkandidat. Söder und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst jedenfalls bleiben in Lauerstellung.

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Überhaupt würden die Christdemokraten ohne einen Partner nicht auskommen: SPD oder Grüne sind da die realistischen Optionen. Es wären Juniorpartner. Denn der ehemalige Wunschpartner FDP kommt aus dem Keller ja nicht heraus. Christian Lindner muss sich fragen, ob er in der Ampel weiter blockieren und quengeln will. Und seine Europa-Spitzenkandidatin Strack-Zimmermann geht mit ihrer nervendem Militärsprache offensichtlich mehr Menschen auf die Nerven als die liberalen Wahlkämpfer glauben wollen.

Selbstzweifel bei den Grünen

Für die Grünen sind nun große Selbstzweifel angesagt. Noch vor kurzer Zeit träumten sie vom eigenen Kanzlerkandidaten, nun hat die AfD ihren zweiten Platz erobert. Bitterer geht es kaum. Zumal der einstmals jungen Partei die jungen Leute weglaufen. Die „Fridays for Future“-Bewegung ist nicht so stark wie viele in Politik und Medien glauben.

Gleichwohl, und das ist die gute Nachricht, stellen die gemäßigten Parteien weiter die deutliche Mehrheit; hierzulande und in Straßburg. Sie müssen sich allerdings nun gehörig auf die Hinterbeine stellen, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Am besten ganz schnell. Das funktioniert mit guter Politik und einer klaren Sprache. Gezerre und Rechthaberei will niemand. Die Ampel bekommt die letzte Chance. Alles leicht gesagt, aber offenbar so schwer umzusetzen.