Berlin.. Ein Prozess jagt den nächsten: Joe Bidens Sohn Hunter steht vor Gericht. Für US-Experte Van de Laar ist klar, was jetzt passieren wird.

Herr van de Laar, was war für Sie der spannendste Moment in den USA in dieser Woche?

Julius van de Laar: Prozesse über Prozesse – nun muss sich Joe Bidens Sohn Hunter seit dieser Woche vor Gericht verantworten…

Zur Person

Julius van de Laar ist ein international tätiger Politikstratege und Kommunikationsberater. Er lebte 7 Jahre in den USA. Nach dem Studium der Politik- und Kommunikationswissenschaften an der Furman University in den USA arbeitete er in den US-Präsidentschaftswahlkämpfen 2008 und 2012 als hauptamtlicher Wahlkämpfer für Barack Obama.

… ihm wird vorgeworfen, er habe vor Jahren bei einem Waffenkauf seine Drogenabhängigkeit verschwiegen.

Genau, und das werden Donald Trump und die Republikaner auszuschlachten versuchen. Jedes Mal, wenn jemand nun Trump als verurteilten Straftäter bezeichnet, kann Trump nun kontern: Und was ist mit Joe Biden und der „kriminellen Familie“?

Biden sagte, er würde Hunter im Falle einer Verurteilung nicht begnadigen. Welches Zeichen setzt er mit dieser Aussage?

Damit macht er ganz klar den Kontrast auf, wie die Demokraten im Gegensatz zu den Republikanern mit dem Rechtsstaat umgehen wollen – Biden will aufzeigen, dass er sich an die Regeln hält, obwohl es sich um seinen eigenen Sohn handelt. Ich habe bislang keinen einzigen Demokraten gesehen, der den Hunter-Prozess als politische Hexenjagd bezeichnet.

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Biden ist jetzt ein Stück auf die republikanischen und die noch unentschlossenen Wähler zugegangen, indem er die Asylvorschriften an der mexikanischen Grenze deutlich verschärft hat.

150 Tage vor dem Wahltag ist natürlich nichts frei vom campaigning. Aber auch fernab von jeder Wahlkampfstrategie sind die Zahlen eindeutig: Im vergangenen Jahr kamen 2,4 Millionen Menschen über die amerikanisch-mexikanische Grenze, allein im Dezember waren es täglich 10.000 illegale Einwanderer. Das Weiße Haus muss handeln. Anfang des Jahres scheiterte der geplante Migrations-Kompromiss zwischen Demokraten und Republikanern aufgrund des Drucks von Donald Trump. Er wollte nicht die Lösung, sondern das politische Thema. Joe Biden liest die Umfragen und merkt, dass Migration für einen großen Teil der Amerikaner das bestimmende Thema ist, mit dem auch Trump nach wie vor den härtesten Wahlkampf macht.

Julius van de Laar erklärt wöchentlich den Wahlkampf in den USA und ordnet die Entwicklungen ein.
Julius van de Laar erklärt wöchentlich den Wahlkampf in den USA und ordnet die Entwicklungen ein. © iStock | van der Laar

Wie stehen der Präsident und sein Herausforderer aktuell in den Umfragen?

Eine Woche nach dem New Yorker Urteil haben mehrere Umfragen ergeben, dass knapp die Hälfte der Amerikaner den Schweigegeld-Prozess für politisch motiviert hält. 10 bis 12 Prozent wollen sich noch nicht festlegen und sind nach wie vor unentschlossen. Die kommenden 150 Tage werden sich fast ausschließlich um die Überzeugung genau dieser Zielgruppe drehen. Alle Umfragen sind zu diesem Zeitpunkt in der Kampagne mit großer Vorsicht zu genießen. Gerade Wechselwähler entscheiden sich meist spät, wen sie wählen wollen. Die Teams von Biden und Trump werden in der verbleibenden Zeit des Wahlkampfes noch etwa eine Milliarde Dollar investieren um sie zu erreichen und für sich zu gewinnen. Ich gehe davon aus, dass die Trump-Seite jeden Tag betonen wird, es habe sich um eine politische Hexenjagd gehandelt und man möge das Urteil bitte ignorieren. Umgekehrt wird die Biden-Kampagne nicht müde werden, Trump bei jeder sich bietenden Gelegenheit als verurteilten Straftäter zu brandmarken — inklusive der Debatte am 27. Juni.

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Sie haben das Geld angesprochen. Wie steht es aktuell um die Finanzen bei Biden und Trump?

Trump hat finanziell massiv von dem Schuldspruch profitiert. Binnen 24 Stunden nach dem Urteil hat die Kampagne zwei Millionen Dollar pro Stunde an Spenden eingenommen. Insgesamt hat Trump im Mai 141 Millionen Dollar Spendengelder eingetrieben – was sicherlich mehr ist als das, was die Demokraten zusammenbekommen haben. Deren Zahlen sind noch nicht veröffentlicht worden. Auch das ist ein Zeichen: Die Trump-Kampagne war sehr darauf aus, mit diesen enormen Zahlen zu zeigen, dass das Momentum auf ihrer Seite ist.

Auf welche Weise werben die Wahlteams die Spenden vor allem ein?

Das ist ziemlich spannend: Manch einer denkt ja, es seien inzwischen die sozialen Medien — Instagram, TikTok, Facebook und Co. –, die die wirkmächtigsten Kanäle sind. Doch die effektivste Methode ist es nach wie vor, die Menschen per E-Mail anzuschreiben. Allein in den zwei Tagen nach Prozessende hat Donald Trump 17 E-Mails verschickt. „Proud to be Biden’s political prisoner“ (dt.: Stolz darauf, Bidens politischer Gefangener zu sein) lautete etwa eine Betreffzeile. Ich wurde zum Beispiel schon eingeladen, mit Trump einen Ausflug zu machen – ich müsse einfach nur spenden und dann könnte ich gewinnen. Auch die Biden-Kampagne ist sich dafür nicht zu schade. Da könnte man ein Meet-and-Greet mit dem Talkshow-Moderator Jimmy Kimmel, Barack Obama und George Clooney gewinnen – wenn man denn eben spendet.

Macht Wahlkampf für die Demokraten: Schauspieler George Clooney.
Macht Wahlkampf für die Demokraten: Schauspieler George Clooney. © DPA Images | Evan Agostini

Machen Sie mit?

Das ist amerikanischen Staatsbürgerinnen und -bürgern vorbehalten. Nur die dürfen laut Spendengesetzen auch Geld an einen Kandidaten oder Partei überweisen.

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Sie sprachen auch die sozialen Netzwerke an. In Deutschland hat Olaf Scholz mit seinem neuen TikTok-Account für Aufsehen gesorgt, in den USA gibt es darüber immer wieder Debatten wegen des chinesischen Einflusses. Nun ist Donald Trump ebenfalls dort zu finden…

Ja, und es ist sehr interessant: Trump wollte TikTok eigentlich verbieten. Demokraten und Republikaner haben sich dafür ausgesprochen, diesen Schritt einzuleiten, sollte die Plattform nicht von ihrem Mutterkonzern ByteDance gelöst werden. Joe Biden ist seit Anfang des Jahres auf TikTok. Die Hälfte der 18- bis 35-jährigen Amerikaner, also einer hart umkämpften Zielgruppe, ist dort ebenfalls aktiv. Es ist für die Präsidentschaftskandidaten alternativlos, sich dort zu präsentieren.

Trump hat sich das Ende des Schweigegeld-Prozesses ausgesucht, um sein Profil zu aktivieren.

Und nicht nur das: Er traf sich am Samstag zu einer großen Kampfsportveranstaltung mit dem Geschäftsführer Dana White. Dieser kündigte im Video an, Trump sei jetzt übrigens auf TikTok – was Trump mit „Es ist mir eine Ehre“ kommentierte. Schnitt, danach sieht man ihn in die Arena schreiten. Das Video hat innerhalb von kürzester Zeit 6,2 Millionen Likes bekommen und wurde 643.000 Mal geteilt. Donald Trump hat inzwischen 5,8 Millionen Follower bei TikTok. Zum Vergleich: Biden landet bei 360.000 Followern, nach gut 300 publizierten Videos.

Wie erklären Sie sich das?

Wer polarisiert, hat bessere Chancen. Aber Biden tritt als „bidenhq“ auf, also „Biden Headquarter“ (dt.: Hauptquartier) auf. Trump ist als „President Donald Trump“ da. Es macht einen wichtigen Unterschied, wie man sich präsentiert. Spricht hier das Team? Oder ist es personalisiert und man kriegt den Eindruck, hier spricht Trump selbst, ungefiltert und ganz direkt? Dazu kommt: Wenn einer so bombastisch kommuniziert wie Trump es eben tut, dann ist es wie gemacht für TikTok.