Berlin/Brüssel. AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah lässt sich bei Wahlkampf-Auftritten bejubeln. Doch erste Hinweise deuten auf einen neuen Skandal.

Der Mann hat Nerven. Maximilian Krah, der Spitzenkandidat der AfD zur Europawahl, steht seit Wochen wegen Spionagevorwürfen gegen einen Mitarbeiter und angeblichen Verbindungen zu prorussischen Propaganda-Netzwerken unter Druck. Jetzt gibt es einen neuen Verdacht: Ermittler sind auf seltsame Geldflüsse an Krah in fünfstelliger Höhe gestoßen, die womöglich vom chinesischen Geheimdienst stammen.

Krah dementiert – und tourt als Wahlkämpfer durch die Republik, lässt sich auf AfD-Bühnen feiern, als sei nichts gewesen. Und Partei-Anhänger machen mit. Im sächsischen Dresden wird der 47-Jährige von Fans als „Unser Krahnzler“ bejubelt, im bayerischen Holzkirchen fährt er im Jaguar-Cabrio zur „reaktionärsten Wahlparty des Jahres“ vor, am Freitag erwartete die AfD tausend Besucher für einen Krah-Auftritt im badischen Bretten.

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Der Europaabgeordnete darf sich sicher fühlen: Zum Wahlkampfauftakt der AfD wollten die Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla zwar erstmal nicht mehr mit ihm auf einer Bühne stehen, aber offizieller Spitzenkandidat bleibt er trotz der heiklen Vorwürfe – sein Name kann ohnehin nicht mehr von Platz eins der AfD-Wahlliste gestrichen werden.

Krah unter Verdacht: Aufhebung der Immunität über Monate nicht in Sicht

Seinen Abgeordnetensitz für die nächsten fünf Jahre im europäischen Parlament kann Krah niemand mehr nehmen – höchstens er selbst, aber es gibt keinerlei Hinweis, dass der AfD-Politiker von sich aus auf das Mandat verzichten wird. Und die Ermittlungen der Justiz könnten bald an Grenzen stoßen: Ein förmliches Ermittlungsverfahren, das umfangreiche Durchsuchungen und Beweissicherung ermöglichen würde, ist vorerst gar nicht möglich – sollte die deutsche Justiz den Antrag stellen, müsste das EU-Parlament erst die Immunität Krahs als Abgeordneter aufheben, aber wegen der Europawahl am 9. Juni ist das über Monate nicht in Sicht.

AfD Spitzenkandidat Krah
Die AfD-Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla gingen vorübergehend auf Distanz zu Krah. Den AfD-Wahlkampfauftakt zur Europawahl absolvierte die Parteiführung ohne den Spitzenkandidaten. © DPA Images | Kay Nietfeld

Das Plenum, das entscheiden müsste, und der zuständige Rechtsausschuss tagen nicht mehr – und das neue Parlament konstituiert sich erst Mitte Juli. Das Verfahren dauere dann in Regel ohnehin Monate, heißt es im Brüsseler Parlament auf Anfrage. Da hat es Krah besser als sein Parteifreund Petr Bystron, der auf dem sicheren zweiten Listenplatz ebenfalls für das EU-Parlament kandidiert, aber im Moment noch Bundestagsabgeordneter ist: Bystrons Immunität hob der Bundestag am Donnerstag auf, gleich danach durchsuchten elf Staatsanwälte und 70 Polizisten Byrons Büro in Berlin, Objekte in Bayern und auf Mallorca – die Münchner Generalstaatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Geldwäsche.

Gegen Krah hat die Generalstaatsanwaltschaft in Dresden Ende April Vorermittlungen eingeleitet wegen angeblicher Zahlungen aus russischen und chinesischen Quellen. Öffentlich wurden vor allem wie bei Bystron zunächst Vorwürfe aus tschechischen Geheimdiensterkenntnissen, beide hätten über Verbindungen zu prorussischen Netzwerken russisches Geld für Propaganda im Sinne des Kreml erhalten. Das in Prag ansässige Portal „Voice of Europe“ soll demnach rechtspopulistischen Kandidaten für das Europaparlament auch aus Deutschland heimlich Geld gezahlt haben, hunderttausende Euro insgesamt. Krah und Bystron bestreiten vehement.

Erhielt Krah über seinen Mitarbeiter Jian G. 50.000 Euro aus China?

Krah steht aber außerdem unter Druck, weil sein ehemaliger Mitarbeiter Jian G. wegen des Verdachts der Agententätigkeit für China seit dem 24. April in Untersuchungshaft sitzt. Der Deutsch-Chinese soll Informationen über Verhandlungen im EU-Parlament weitergegeben und chinesische Oppositionelle in Deutschland ausgespäht haben. Die Bundesanwaltschaft hatte im Zuge der Ermittlungen gegen Jian G. auch Krahs Büroräume und die seines Mitarbeiters im Brüsseler EU-Parlament durchsuchen lassen; Krah ist in diesem Verfahren kein Beschuldigter, sondern Zeuge.

Petr Bystron
Der AfD-Bundestagsabgeordnete Petr Bystron: Gegen ihn ermittelt die Münchner Justiz. © DPA Images | Christoph Soeder

Die Dresdner Staatsanwälte verfolgen jedoch nach Informationen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung eine brisante Spur: Mitarbeiter Jian G. soll seinem Chef Krah demnach unter anderem durch fingierte Rechnungen mehrmals fünfstellige Summen überwiesen haben, insgesamt über 50.000 Euro. Die Ermittler gehen dem Bericht zufolge dem Verdacht nach, dass das Geld nicht aus Jian G. eigenem Vermögen stammt, sondern aus chinesischen Geheimdienstquellen, wobei die Herkunft verschleiert worden sein soll – durch Transfers über mehrere Firmen, in denen der Mitarbeiter eine Rolle spielte.

Parteifreunde wunderten sich über Krahs aufwendigen Lebensstil

Vor seiner Verhaftung war die Kommunikation von Jian G. ein Jahr lang überwacht worden. In den Medienberichten hieß es weiter, vermutet werde, dass unter anderem Krahs Büro und seine frühere Dresdner Anwaltskanzlei Scheinrechnungen ausgestellt hätten. Auf den Kanzleikonten sollen sich etwa 14.000 Euro befunden haben, die unter anderem von einer chinesischen Firma stammten. In zwei Fällen soll Jian G. den Rechnungstext vorformuliert und an Krah und eine Mitarbeiterin der Kanzlei geschickt haben.

Krah ließ über seinen Anwalt erklären, ihm seien die Vorwürfe nicht bekannt, auch die Ermittlungsbehörden hätten ihn nicht informiert. Bei ordnungsgemäß ausgestellten Kanzleirechnungen sei davon auszugehen, dass die darin ausgewiesenen Rechtsberatungsleistungen auch tatsächlich erbracht worden sind, lässt sich der Anwalt zitieren. Doch sollen die Zahlungsvorgänge jetzt erst noch überprüft werden.

Hinweise auch von Parteifreunden, Krah habe einen für einen Abgeordneten ungewöhnlich aufwendigen Lebensstil geführt, kontert Krah mit der gegenteiligen Erzählung: Der Süddeutschen Zeitung versicherte der Vater von acht Kindern, bei hohen Ausgaben spare er an anderer Stelle – etwa, indem er als Abgeordneter schon mal mit dem Flixbus nach Brüssel gereist sei. Doch hatte Krah früher auch gern Fotos von teuren Restaurants und Bällen gepostet und nichts dabei gefunden, dass ihn Parteifreunde „Schampus-Max“ nannten.