Berlin. Markus Söder redet bei der CDU und demonstriert seinen Machtanspruch. Merz überreicht ihm ein Geschenk mit einer versteckten Botschaft.

Es ist 16.10 Uhr an diesem Dienstagnachmittag, als es dann doch aus Markus Söder herausplatzt. Vorher hat er sich noch beherrscht, ob mühsam oder nicht, lässt sich nicht sicher sagen. Doch jetzt geht es nicht mehr. Das Thema ist die Kanzlerkandidatur der Union. Söder setzt an: „Wir werden diese Frage gemeinsam lösen.“ Sein Blick gleitet über die 1001 CDU-Delegierten vor seinem Rednerpult in der Halle. Hinter ihm, auf dem Podium, sitzt Friedrich Merz. Söders Gesicht zuckt kurz, dann fängt er sich. Und dann sagt er: „Ich verspreche euch: An mir wird der Erfolg 2025 nicht scheitern.“ Er macht eine Pause und lächelt. Mehr sagt er nicht.

Ein Raunen geht durch die Reihen. Wie bitte? An ihm werde der Erfolg nicht scheitern? Das kann natürlich alles heißen. Auch, dass Söder glaubt, nur mit ihm als Kanzlerkandidaten könne man Erfolg haben. Es ist eine der vielen Spitzen in Söders Rede. Und es wird nicht die einzige bleiben.

Sein Auftritt beim CDU-Parteitag sollte ein „Grußwort“ werden. Söder machte daraus eine Machtdemonstration. Genau so, wie es manche schon befürchtet hatten, Söder ist eben Söder. Manchmal erinnerte sein Auftritt an den Satz eines berühmten Reformators: Hier stehe ich, ich kann nicht anders.

Markus Söder nervt die CDU, doch wird von den Wählern geschätzt

Söders Rede fand in einem Spannungsverhältnis statt: In der Kongresshalle sind viele CDU-Delegierte schon genervt, wenn sie Söder nur sehen. Doch draußen, außerhalb der Halle, wird Söder von vielen Wählern geschätzt. Kürzlich fragte „Infratest Dimap“ ab, wie zufrieden die Deutschen mit der Arbeit der Politiker sind. Zufrieden oder sehr zufrieden mit CDU-Chef Friedrich Merz sind 27 Prozent. Söder kommt auf 37 Prozent. Er bleibt ein Liebling der Wähler. Das weiß er. Und das weiß auch die CDU.

NameFriedrich Merz
Geburtsdatum11. November 1955
AmtCDU-Vorsitzender
ParteiCDU
Parteimitglied seit1972
FamilienstandVerheiratet, drei Kinder
Größe1,98 Meter
WohnortArnsberg

Die CDU-Delegierten wollen sich loyal zu ihrem Parteichef Merz zeigen. Doch gleichzeitig wollen sie Söder nicht brüskieren. Man wisse schließlich nicht, ob man ihn nicht doch noch für die Kanzlerkandidatur brauche, raunen manche. Noch sei Merz intern unumstritten, aber man wisse nie, in der Politik gehe alles so schnell. Markus Söder wiederum versucht bei seinem Auftritt seine Macht demonstrieren, doch gleichzeitig nicht zu forsch auftreten. Es ist ein Balanceakt.

Söders Witze kommen nicht immer an

Schon als Söder die Halle betritt, drehen sich alle Köpfe nach ihm um. Viele hier mögen ihn nicht. Doch aus den Augen lassen wollen sie ihn auch nicht. CDU-Chef Merz holt ihn am Eingang ab, gemeinsam schreiten sie durch die Halle. Kein Blatt passt zwischen uns, soll das wohl heißen. Söder federt auf die Bühne und macht ein paar Witze zum Warmwerden. Erst lobt er die vorderste CDU-Riege, nur um danach den Applaus abzuwürgen: „Jetzt genug gelobt. Am Ende glaubt das jemand, liebe Freundinnen und Freunde.“ Söder grinst wieder. Sonst grinst niemand. Einige CDU-Delegierte hüsteln verlegen.

Söder tastet sich weiter heran, spricht über aktuelle politische Themen: „Möglicherweise war manche Einbürgerung vielleicht ein Fehler. Wenn jemand ein Kalifat fordert und eine doppelte Staatsbürgerschaft hat, dem muss diese wieder entzogen werden, liebe Freundinnen und Freunde!“, sagt Söder mit Bezug auf die kürzlich stattgefunden, umstrittene Demonstration in Hamburg. Schwarz-Grün als mögliche nächste Bundesregierung finde er übrigens auch nicht gut, sagt Söder.

Noch lieber als über Inhalte redet Markus Söder übers Essen. „Ich habe das erste Mal eine vegane Wurst gegessen, diese Woche. Liebe Freunde: Lasst es!“ Er sei sicher, CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann habe für den Parteitag dieses Mal besseres Essen organisiert als beim letzten Mal. Wieder ein kurzes Raunen. Doch Söder setzt noch nach: „Das Sellerie-Steak hat nicht einmal Ursula von der Leyen geschmeckt“. Sein Blick geht wieder zu den Zuhörern. Eine Spitze zu viel? Das Lachen der Delegierten wird schon weniger.

Söders Rede klingt wie eine Bewerbung für die Kanzlerkandidatur

Er witzelt, er stichelt, er attackiert. Der 57-Jährige beobachtet jedes Klatschen und jedes Kopfschütteln. So saugt er die Stimmung auf, um entsprechend zu reagieren. Er spricht ohne festes Redemanuskript, nur ein paar Stichpunkte hat er sich notiert. Söder, der Mann, der sonst immer nur gern über Bayern redet und erklärt, wie großartig er sein eigenes Bundesland findet? Muss jetzt umsteuern. Er übt schonmal den parteiübergreifenden Pathos. Zumindest dann, wenn er nicht gerade Witze reißt.

Er sagt Sätze wie: „Denkt doch mal an den gesamten Mittelstand im Land! Diejenigen brauchen unsere Fürsorge, dafür sind wir da!“ Oder: „Es bräuchte wieder mehr Goethe-Institute für Deutschland!“ Und: „Wir werden länger arbeiten müssen. Aber dann muss sich das auch lohnen! Endlich Steuerfreiheit für Überstunden!“ Kein Thema lässt Söder aus. Es geht um die Ampelkoalition, um die Wirtschaft, um die Cannabis-Legalisierung. Und darum, was die CDU und CSU im Innersten zusammenhält. Streckenweise klingt die Rede wie eine Bewerbung für die Kanzlerkandidatur, er schlägt den großen Bogen. Und das dürfte kein Zufall sein, Söder weiß genau, was er sagt.

CDU-Chef Merz (l.) überreicht CSU-Chef Söder einen Bären. Friedensangebot oder Warnung?
CDU-Chef Merz (l.) überreicht CSU-Chef Söder einen Bären. Friedensangebot oder Warnung? © DPA Images | Michael Kappeler

Friedrich Merz hat die Rede genau verfolgt. Nach dem Auftritt von Söder kommt er nach vorne zu ihm auf der Bühne, dankt ihm und überreicht ihm einen Bären als Geschenk. In Türkisblau, die neue Farbe der CDU. Merz verweist darauf, dass der Bär ja größer und schwerer sei als der Löwe – das bayerische Wappentier. Und dann sagt Merz noch: „Löwe und Bär legen sich in der Regel nicht miteinander an.“ Er lacht zwar auch, doch er schaut Söder dabei direkt an. Man kann das als Friedensangebot sehen. Oder als Warnung.