Düsseldorf. CDU-Innenminister Reul muss sein Lagebild vorerst doch nicht umbenennen. Aber der grüne Koalitionspartner lässt nicht locker.
Im schwarz-grünen Ringen um eine Neudefinition der Clankriminalität in Nordrhein-Westfalen hat sich Innenminister Herbert Reul (CDU) vorerst auf ganzer Linie durchgesetzt. Das jährliche „Lagebild Clankriminalität“ des Landeskriminalamtes (LKA), das in den kommenden Wochen in Düsseldorf vorgestellt werden soll, werde voraussichtlich auch in diesem Jahr genau diesen Titel auf dem Deckblatt tragen, kündigte Grünen-Landtagsfraktionschefin Verena Schäffer gegenüber unserer Redaktion an.
Eine genauere Definition des Kriminalitätsphänomens, „die eine bessere Analyse von kriminellen Strukturen bietet und dabei unbescholtene Menschen nicht wegen ihres Familiennamens stigmatisiert“, sei noch nicht da, räumte Schäffer ein. „Aber der Innenminister und der Justizminister arbeiten dran.“
LKA verfolgt "namensbasierten Ansatz"
Seit CDU und Grüne im vergangenen Sommer in NRW eine Regierung gebildet haben, muss Reul seine Gangart immer wieder gegen Kritik aus Reihen der Grünen verteidigen. Der Innenminister hatte 2018 das bundesweit erste „Lagebild Clankriminalität“ vorgelegt und seither immer weiter fortgeschrieben. Darin werden türkisch-arabische Großfamilien kenntlich gemacht, die über mehrere Generationen fest in illegales Glückspiel, Sozialleistungsbetrug oder Drogenhandel verwickelt sind. Die Stadt Essen gilt dabei als Hotspot der Szene.
Nachdem das Phänomen der Clankriminalität in NRW über Jahre bestritten oder kleingeredet wurde, hatte Reul den Ermittlern des LKA erstmals eine Erfassungs- und Auswertesystematik mit einem „namensbasierte Ansatz“ offiziell gestattet. Sämtliche Straftaten, die im Umfeld polizeibekannter Großfamilien verortet werden können, werden wenigen türkisch-arabischen Namen zugeordnet. Nach jüngsten Ausschreitungen im Ruhrgebiet sollen künftig auch syrische Clans in diese isolierte Auswertung aufgenommen werden.
Künftig werden auch syrische Clans stärker durchleuchtet
Dahinter steckt der Gedanke, dass es sich nicht nur um eine Spielart der Organisierten Kriminalität handelt, sondern eine verschwiegene Parallelwelt mit eigenen Wertvorstellungen und Rechtsnormen bekämpft werden muss. Die Grünen hingegen finden den namensbasierten Ansatz diskriminierend. „Es ist mir ein wichtiges Anliegen, dass wir die Familienmitglieder, die nicht kriminell werden wollen und die nicht weiter kriminell sein wollen, nicht stigmatisieren mit bestimmten Begriffen, sondern dass wir ihnen eine Brücke bauen in die Legalität“, hatte noch zu Monatsbeginn Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) im WDR betont. Deswegen bevorzuge er die Formulierung „Organisierte Kriminalität aus Familienstrukturen“, so Limbach.
Reul blieb jedoch hart. Das neue „Lagebild Clankriminalität“ ist längst überfällig. 2022 hatte es Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) bereits im April, kurz vor der Landtagswahl, präsentieren lassen.