Düsseldorf/Fröndenberg. Es ist ein einmaliger Fall in der Justizgeschichte in NRW. Ein Mann hungert sich im Knast zu Tode. Jetzt diskutiert die Politik über den Fall.
Ein Mann hungert sich in staatlichem Gewahrsam zu Tode. Der Fall Klaus S. sucht in der nordrhein-westfälischen Justizgeschichte seinesgleichen, und er wirft Fragen auf. Die wichtigste: War der Untersuchungshäftling, der am 13. Dezember 2020 im Alter von 67 Jahren im Haftkrankenhaus Fröndenberg starb, geistig so gesund, dass er aus freiem Willen verhungerte?
Klaus S. war am 19. Mai 2020 in die JVA Köln eingeliefert worden, weil er seine Ehefrau erdrosselt hatte. In den folgenden Monaten war er häufig auffällig, ehe er im November 2020 in der JVA Aachen die Nahrungsaufnahme verweigert hatte. Jedoch habe keiner der Psychiater, die ihn untersucht hatten, dem Häftling eine dauerhafte Störung attestiert, hatte Justizminister Peter Biesenbach (CDU) in der vergangenen Woche im Rechtsausschuss erklärt; deswegen habe er laut der jüngeren Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichtes nicht zwangsernährt werden dürfen.
Mehrere Suizidversuche
Berichte, die nach dem Tod von S. verfasst wurden, lassen Zweifel aufkommen. Am Tag seiner Einlieferung in der JVA Köln begeht S. einen Suizidversuch. Ein Psychiater untersucht ihn, er hält die Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung für erforderlich, sollte es zu einem weiteren Versuch kommen. Einen Tag später erklärt S. dem psychologischen Dienst, er sei vom Teufel besessen. Nach einem weiteren Suizidversuch wird er ins Haftkrankenhaus Fröndenberg verlegt, wo er laut einem nichtöffentlichen Bericht der Landesregierung nur medizinisch versorgt wird.
Vor seiner Verlegung in die JVA Aachen schreibt die Leiterin der dortigen Abteilung „Sicherheit und Ordnung“, eine besorgte Mail an den zuständigen Bonner Staatsanwalt, da der Gefangene „erheblich psychisch auffällig“ sei und fragt, ob seine Haftfähigkeit begutachtet worden sei. Der Staatsanwalt sieht dafür keine Notwendigkeit.
Ab Anfang November verweigert S. die Nahrungsaufnahme, weil er der Meinung ist, sein Essen sei vergiftet. Ende November erzählt er erneut, der Teufel sei in ihm. Er gehöre in „die Klapse“. Obwohl er laut dem Bericht der JVA-Leiterin niemals „konkret und eindeutig die Absicht äußert, mittels Verhungern sterben zu wollen“, geht eine Psychiaterin davon aus, dass er seine Entscheidung, nicht mehr leben zu wollen, bewusst getroffen hat. Spätestens ab dann seien die Bediensteten davon ausgegangen, dass er sich freiwillig im „Sterbefasten“ befinde.
Am 4. Dezember wird S. körperlich schon deutlich angeschlagen erneut in das Haftkrankenhaus Fröndenberg eingeliefert. Neun Tage später stirbt er an einem Multiorganversagen. Am heutigen Freitag beschäftigt sich der Rechtsausschuss erneut mit dem Fall.