Düsseldorf. Kurz vor der Sondersitzung am Montag werden neue Fragen zur Kommunikation der Landesregierung beim umstrittenen „Kohle-Deal“ laut.
Im Streit um den „Hinterzimmer-Deal“ zwischen der schwarz-grünen Landesregierung und dem Essener RWE-Konzern über einen um acht Jahre vorgezogenen Kohleausstieg gibt es neue Hinweise auf ein Fehlverhalten der Regierung.
Laut einem Gutachten, das die FDP beim Parlamentarischen Beratungs- und Gutachterdienst des Landtags in Auftrag gegeben hat, hätte Schwarz-Gelb den Landtag praktisch zeitgleich mit der Presse am 4. Oktober 2022 über seine Verständigung mit RWE informieren müssen. Stattdessen wurde nur die grüne Landtagsfraktion darüber in Kenntnis gesetzt.
Bei sehr wichtigen Entscheidungen darf eine Regierung das Parlament nicht übergehen
„Eine Unterrichtung des Landtags dürfte noch am 4. Oktober 2022 geboten gewesen sein“, steht in dem Rechtsgutachten, das dieser Redaktion vorliegt. Das ist relevant, weil sich Schwarz-Grün beim Thema Kohleausstieg und bei anderen Themen dem Vorwurf ausgesetzt sieht, das Parlament bei wichtigen Entscheidungen einfach zu übergehen.
In diesem Fall geht es um eine der umstrittensten energiepolitischen Entscheidungen der Landesgeschichte: den von 2038 auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg. Diese Entscheidung wurde offenbar an Kabinett, Parlament und Öffentlichkeit vorbei zwischen vier Grünen-Politikern und RWE-Chef Markus Krebber getroffen. Beteiligt waren Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, sein inzwischen wegen der „Trauzeugen-Affäre“ zurückgetretener Staatssekretär Patrick Graichen, NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur und NRW-Umweltminister Oliver Krischer (alle Grüne).
Der Gutachterdienst des Landtags
Dem Parlamentarischen Beratungs- und Gutachterdienst obliegt die wissenschaftliche Beratung des Parlaments, seiner Fraktionen, Gruppen, Ausschüsse und Gremien, sowie der einzelnen Mitglieder des Landtags. Die Tätigkeit darf nicht der Formulierung oder Untermauerung eines bestimmten parteipolitischen Standpunktes oder zur Lösung politischer Konflikte dienen. Der Wissenschaftliche Dienst arbeitet unparteilich und leistet dementsprechend bei rechtlichen Auseinandersetzungen keine parteiliche Unterstützung.
Neigt Schwarz-Grün zu Hinterzimmer-Entscheidungen?
Am 4. Oktober 2022 wurde zwar die Presse über den zuvor ausgehandelten „Deal“ informiert, nicht aber der Landtag, obwohl zwischen Regierung und Landtag vereinbart wurde, das Parlament bei so wichtigen Entscheidungen unverzüglich zu informieren. Laut dem Rechtsgutachten hat die Regierung diese Vereinbarung missachtet. Abgeordnete, Fraktionen und Ausschüsse dürfen sich Rat suchend an den politisch neutralen Beratungs- und Gutachterdienst des Landtags wenden. Die Gutachten führen aber nicht zu unmittelbaren Konsequenzen.
Seit Monaten hält die Opposition der Landesregierung vor, sie treffe Hinterzimmer-Entscheidungen am Parlament vorbei. Jüngstes Beispiel ist die von der Landesregierung überraschend angekündigte Neuverschuldung, mit der sich der Landtag an diesem Montag in einer Sondersitzung beschäftigen wird. Auch hier wurde zwar die Presse grob über die Haushaltspläne informiert, nicht aber der Landtag.
FDP-Landeschef Höne: „Irritierendes Regierungs- und Medienverständnis“
FDP-Landesvorsitzender Henning Höne sagte dazu: „Die verdeckte Art und der eingeschränkte Empfängerkreis dieser Informationen zeugen von einem irritierenden Regierungs- und Medienverständnis“. SPD-Landtagsfraktionschef Jochen Ott unterstellt Schwarz-Grün eine Kommunikation auf „unterstem Kreisklasse“-Niveau und führt als weiteres Beispiel die geplante Reform der gymnasialen Oberstufe an.