Washington/New York. Nach den Schlussplädoyers beraten die zwölf Geschworenen über die Schuldfrage im Fall Trump. Ob sie zu einem Urteil kommen? Ungewiss.
Anklage und Verteidigung hatten das letzte Wort. Jetzt beginnt die heikelste Phase im Schweigegeldprozess um Donald Trump, den Porno-Star Stormy Daniels und mutmaßlich illegal verbuchte Zahlungen: Die Geschworenen müssen in 34 Anklagepunkten über Schuld oder Unschuld befinden. Ein kurzer Leitfaden bis zum Votum – und darüber hinaus.
Prozess gegen Donald Trump: Was folgt nach den Schlussplädoyers?
Jetzt schlägt die Stunde von Richter Juan Merchan. Er allein gibt den zwölf Geschworenen einen detaillierten Fahrplan, wie sie die vergangenen Prozesstage und die dort vorgetragenen Beweise der Staatsanwaltschaft sowie die Konterargumente von Trumps Anwälten im Sinne der Gesetze und der komplexen „Huckepack“-Anklage zu beachten haben. Wichtigster Merkposten: Alle zwölf müssen „über jeden vernünftigen Zweifel hinaus“ von der Schuld des Ex-Präsidenten überzeugt sein. Andernfalls können sie am Ende nicht auf „guilty“ plädieren.
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Das heißt konkret: Das ausgewählte Dutzend muss sich sicher sein, dass Donald Trump die angeklagte Fälschung seiner Geschäftsunterlagen (für die Abwicklung der 130.000 Dollar an Stormy Daniels und die Erstattung an seinen früheren Anwalt und Mittelsmann Michael Cohen) mit der Absicht angebahnt und autorisiert hat, eine weitere Straftat (Verstoß gegen nationale und bundesstaatliche Wahlkampffinanzierungsgesetze) zu begehen. Dabei muss die Jury Trump nicht in allen 34 Anklagepunkten schuldig sprechen, es können auch einzelne Vorwürfe gemeinschaftlich zurückgewiesen werden.
Für ihre internen Beratungen, die nach Lage der Dinge an diesem Mittwoch beginnen könnten, gibt es kein Zeitlimit. Falls Unklarheiten bestehen, dürfen sich die Juroren aus den mittlerweile 4500 Seiten füllenden Protokollen des Prozesses Dokumente und Wortlautpassagen erneut vorlegen lassen und den Richter dezidiert um Rat fragen. Das ganze Prozedere kann wenige Stunden dauern. Aber auch etliche Tage oder Wochen sind denkbar. Prozessbeobachter halten es für möglich, dass die Würfel schon bis Ende dieser Woche fallen könnten.
Wie wird das Urteil der Geschworenen kommuniziert?
Der sogenannte Vormann der Jury nimmt Kontakt mit Juan Merchan auf. Wenn die Geschworenen ein einstimmiges Urteil gefällt haben, wird der Vorsitzende Richter alle Prozessbeteiligten (auch Trump) in den Gerichtssaal im Süden Manhattans rufen und das Urteil verlesen lassen. Merchan muss es offiziell bestätigen. Er könnte aus eigenem Antrieb – oder auf Antrag der Anklage wie der Verteidigung – die Geschworenen überstimmen. Dafür spricht aber nach gegenwärtigem Stand nichts.
Muss Donald Trump ins Gefängnis, falls er schuldig gesprochen würde?
Nein. Einen Trump im orangefarbenen Gefängnis-Overall, wie er in den sozialen Medien in Karikaturen herumgeistert, würde es kurzfristig nicht geben. Nach der Urteilsfindung vergehen in der Regel einige Monate bis zur Strafmaßverkündung. Juraprofessoren gehen nicht davon aus, dass Richter Merchan die nach der Gesetzeslage im Bundesstaat New York maximal vier Jahre betragende Strafe gegen Trump vor der Präsidentschaftswahl am 5. November vollstrecken lassen würde. Zum einen, weil es den republikanischen Präsidentschaftskandidaten de facto aus dem Wahlkampf nehmen würde. Zum anderen, weil Trumps Anwälte im Falle eines Schuldspruchs definitiv in Berufung gehen würden.
Dieses Verfahren kann Monate oder sogar Jahre dauern und am Ende, wie so oft bei Trump, vor dem Supreme Court in Washington landen. Dazu kommt: Eine Haftstrafe ist überhaupt nicht ausgemacht. Trump ist nicht vorbestraft. Bei ihm käme auch eine hohe Geldbuße (analog zu den bereits verhängten rund 500 Millionen Dollar in zwei Zivilverfahren) in Betracht oder eine Bewährungsstrafe. Damit ist klar: Bis zum Abschluss eines Berufungsverfahrens bliebe Trump ein freier Mann.
Was wären die politischen Konsequenzen für Trump im Fall einer Verurteilung?
Das ist die Eine-Million-Dollar-Frage, auf die es de facto erst nach dem Wahltag am 5. November eine belastbare Antwort geben wird. Trumps Basis und viele Millionen Amerikaner darüber hinaus glauben, dass Trump das Opfer einer angeblich von den Demokraten gesteuerten feindseligen Justiz geworden ist, die ihn, Donald Trump, vor der Wahl aus dem Verkehr ziehen wolle. Das könnte ihm Sympathien an der Wahlurne einbringen.
Auf der anderen Seite sagen rund 20 Prozent der republikanischen Wähler, dass sie Trump nicht mehr im Weißen Haus sehen wollen, falls er als erster Ex-Präsident in der amerikanischen Geschichte von einer Jury aus der Mitte des Volkes strafrechtlich schuldig gesprochen wird. Trotz der Breitbandberichterstattung in allen großen Medien über jeden einzelnen Prozesstag hielt sich das Interesse der Amerikaner bisher in Grenzen.
Über 55 Prozent geben an, das Verfahren in New York gar nicht oder kaum verfolgt zu haben. Ähnlich hoch sind die Werte derer, die sagen, dass ein Urteil ihre Wahlentscheidung für oder gegen Trump nicht beeinflussen wird. Angesichts des leichten Umfragenvorsprungs, den Trump in mutmaßlich entscheidenden Bundesstaaten gegenüber Amtsinhaber Joe Biden hält, ist nicht festzustellen, dass Trump der Prozess bisher nennenswert geschadet hat. Ob das so bleibt, ist offen.
Was, wenn sich die Jury nicht auf ein einmütiges Votum verständigen kann?
Dazu reichte schon ein einziger der zwölf Juroren aus. Dann ist der Tatbestand der „Hung Jury“ erfüllt und der Prozess geplatzt. Die Staatsanwälte um Chefankläger Alvin Bragg, der einigermaßen blamiert wäre, könnten eine Neuauflage des Prozesses anstreben. Vor der Präsidentschaftswahl im November lägen die Chancen dafür aber bei null.
Was, wenn die Jury Trump in allen Punkten freisprechen sollte?
Dann ist das Verfahren sofort vorbei und kann von der Staatsanwaltschaft auch nicht mehr neu aufgerollt werden. Donald Trump würde nach Einschätzung von Wahlkampfstrategen triumphieren und den juristischen Sieg nach allen Regeln der Kunst für seinen Wahlkampf instrumentalisieren.
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