Duisburg. Tabletten, Spülmittel, Kosmetik -- Man entsorgt sie über Toilette und Spüle, aber die Chemie ist damit noch lange nicht aus der Welt.

Die Gewässer in NRW sind immer stärker mit so genannten Mikroschadstoffen belastet. „Diese Herausforderungen werden tendenziell weiter zunehmen“, warnte die Präsidentin des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv), Elke Reichert, am Mittwoch bei der Jahres-Pressekonferenz der Behörde in Duisburg.

Mikroschadstoffe: Jeder hat sie zu Hause

Mikroschadstoffe sind Chemikalien, die in Haushalten und in Unternehmen verwendet werden. Dazu zählen zum Beispiel Arzneien, Kosmetika, Putzmittel, Biozide und Pestizide. Das Problem: Die meisten Kläranlagen sind heute in NRW nicht in der Lage, Mikroschadstoffe aus dem Wasser zu filtern. Die Anlagen müssen daher laut dem Lanuv in den kommenden Jahren um eine weitere „Reinigungsstufe“ ausgebaut werden. Geschehe dies nicht, könnten Menschen und Tiere in Gefahr geraten.

Wer macht sich schon Gedanken darum, was mir dem Putzmittel, mit alten Tabletten oder mit einer Hautcreme geschieht, die in der Toilette oder in der Spüle entsorgt werden? Diese Chemikalien sind schnell aus den Augen und aus dem Sinn, aber sie sind nicht aus der Welt.

Mikroschadstoffe im Wasser: Für den Menschen (noch) recht unbedenklich

„Mikroschadstoffe können schon in geringen Mengen den Lebensraum Wasser negativ beeinflussen“, erklärt das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv). Es gebe zwar keine Grenzwerte für Mikroschadstoffe, und Menschen würden aktuell auch nicht Gefahr laufen, sich in Gewässern oder beim Trinken von Trinkwasser daran zu vergiften. Für Fische, Muscheln, Schnecken und andere Kleinlebewesen seien die derzeitigen Konzentrationen aber nicht mehr unbedenklich, warnt das „Kompetenzzentrum Mikroschadstoffe NRW“ beim Lanuv.

Es geht zum Beispiel um Arzneimittel, Röntgenkontrastmittel, Inhaltsstoffe in Kosmetikprodukten, Haushaltschemikalien, Biozide, Pestizide oder Industriechemikalien. Mikroschadstoffe können über Abwasser aus Wohnungen oder aus Industrie und Gewerbe in unsere Gewässer gelangen oder auch aus der Landwirtschaft kommen.

Mikroschadstoffe: Klimawandel und demografischer Wandel verschärfen das Problem

Das Problem dürfte sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen. „Der demografische Wandel wird einen höheren Bedarf an Arzneimitteln mit sich bringen. Durch medizinische und technologische Entwicklungen werden weitere und neue Substanzen in die Umwelt gelangen. Wir haben auch den Klimawandel im Blick, denn Dürre erhöht die Anreicherung von Schadstoffen in unseren Gewässern“, betonte Elke Reichert.

Nordrhein-Westfalen sei mehr noch als viele andere Bundesländer vom Risiko, das von Mikroschadstoffen ausgehe, betroffen, so das Lanuv. Denn hier werde etwa die Hälfte des für die Trinkwassergewinnung benötigten Wassers direkt aus Oberflächengewässern wie Talsperren oder Seen entnommen.

Wasser fliesst durch ein Becken der Kläranlage in Kamp-Linfort. Etwa jede sechste Kläranlage in Nordrhein-Westfalen soll bis spätestens 2039 auch Mikroschadstoffe aus Haushalt, Industrie und Gewerbe herausfiltern können, die derzeit noch die Gewässer belasten.
Wasser fliesst durch ein Becken der Kläranlage in Kamp-Linfort. Etwa jede sechste Kläranlage in Nordrhein-Westfalen soll bis spätestens 2039 auch Mikroschadstoffe aus Haushalt, Industrie und Gewerbe herausfiltern können, die derzeit noch die Gewässer belasten. © DPA Images | Arnulf Stoffel

Mikroschadstoffe: Normale Kläranlagen kommen damit nicht klar

Konventionelle Kläranlagen können Mikroschadstoffe praktisch nicht aus dem Wasser entfernen. Sie müssten um eine so genannte „vierte Reinigungsstufe“ aufgerüstet werden, um dieser Zukunftsaufgabe gerecht werden zu können.

22 von 592 Kläranlagen in NRW sind schon entsprechend ausgebaut worden. Zehn Anlagen befinden sich laut dem Lanuv im Bau und weitere 17 in der Planung. Bis zum Jahr 2039, so die Pläne, soll die Zahl der Kläranlagen mit „vierter Ausbaustufe“ auf 101 steigen.

Die neue EU-Kommunalabwasser-Richtlinie, im April durch das EU-Parlament verabschiedet, dürfte demnächst die Nachrüstung der Kläranlagen sogar zur Pflicht machen.

Mikroschadstoffe vermeiden: Arzneien gehören nicht in die Toilette

Bürgerinnen und Bürger können übrigens selbst durch einfache Maßnahmen dafür sorgen, dass weniger Mikroschadstoffe ins Wasser gelangen. „Arzneien gehören nicht in die Toilette, sondern in den Hausmüll“ sagte Lanuv-Abwasserexpertin Kerstin Menn. Alte, ungenutzte Medikamente sollten sogar einschließlich ihrer Verpackung in die Schadstoffsammlung gegeben werden.

Der Jahresbericht des Landesamtes Lanuv steht im Internet unter https://www.lanuv.nrw.de/jahresbericht-2023

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