Berlin. Der Minister lächelt den Wirbel um sein Ministerium betont gelassen weg, die Union diskutiert eine neue Theorie – die Grünen schwärmen.
Es ist ein sonniger Freitagmorgen, als Robert Habeck (Grüne) zum politischen Gefecht erscheint. Paul-Löbe-Haus, ein Betonklotz unter den Berliner Bundestagsgebäuden, Raum 4700. Hier warten sie schon, die Abgeordneten des Energieausschusses, zu einer Sondersitzung. Einige haben Habeck vorgeworfen, er könne es nicht: Er sei ein Wirtschaftsminister, der sich Fakten so zurechtdrehe, wie es ihm passe. Der den Ausstieg aus der Atomenergie durchsetzte – wider besseres Wissen.
Das sollen zumindest Dokumente belegen, die das Magazin „Cicero“ zunächst eingeklagt und dann veröffentlicht hat. Von einem „Habeck-Verhör“ ist die Rede an diesem Morgen. Mancher munkelt von einem Rücktritt, einige wenige fordern ihn ganz offen. Um 7.54 Uhr trifft der Minister am Raum 4700 ein. Dunkler Anzug, eine große Aktentasche aus Leder. Als er an den aufgebauten Mikrofonen vorbeikommt, fragt er die Journalisten, ob sie schon ein Statement haben wollen. Sie wollen natürlich. Habeck wartet, bis die Kameras eingestellt, die Scheinwerfer aufgebaut sind. Er witzelt: „Strom ist genug da.“
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Dann sagt er mit fester Stimme: „Wir müssen feststellen, dass alle Unkenrufe sich nicht bewahrheitet haben: Die Energieversorgung ist komplett gesichert.“ Verhör? Rücktritt? War da was? Habeck lächelt, nein, er strahlt. Und sagt dann, er freue sich auf die Sitzung. Es ist ein wichtiger Morgen für ihn. Die CDU versucht, maximalen Druck auszuüben. Und Habeck reagiert mit maximaler Gelassenheit. Großer Rückhalt kommt von den Grünen, seine Partei steht hinter ihm. Eine Ausschussabgeordnete sagt: „Wenn irgendjemand bewiesen hat, dass er zum Wohle des Landes handelt und nicht ideologisch, dann ist es Minister Habeck.“
Habecks Botschaft: Der Ausstieg aus der Kernenergie war richtig
Die Sitzung im Energieausschuss zeigt, wie der Wirtschaftsminister versucht, wieder in die Offensive zu kommen – damit er nicht zum Getriebenen wird. Seine Botschaft: Der Ausstieg aus der Kernenergie war richtig, vertuscht oder verdreht wurde nichts. Ein Hauptvorwurf vom „Cicero“ in den enthüllten Akten um den Atomausstieg lautet, die Bewertungen im Haus von Habeck seien so geändert worden, dass ein Weiterbetrieb der Reaktoren unmöglich erschien – obwohl Experten ihn für möglich hielten.
Habeck sagt, das sei nicht zutreffend. Und um das zu bekräftigen, lässt er an diesem Morgen ein Papier an die Ausschussmitglieder verteilen: 23 Seiten Text – die einst geheimen Akten, die nur der „Cicero“ hatte. Auch unserer Redaktion liegt das Dokument inzwischen vor, in dem zwar noch einiges geschwärzt ist, das aber zeigen soll: Wir haben nichts zu verbergen, gehen Sie bitte weiter, es gibt hier nichts zu sehen.
Um kurz nach 8 Uhr setzt sich Habeck in einen schwarzen Sessel vor den Ausschuss, die Fernsehkameras müssen den Raum verlassen. Er erklärt noch mal in allen Details das Jahr 2022, als der Atomausstieg so intensiv diskutiert wurde. Über den Frühling 2022 sagt Habeck: „Die Hauptsorge damals war nicht: Kommen wir über den Winter? Sondern: Kommen wir über den Sommer?“ Habeck sagt, er habe immer mit den Betreibern der Atomkraftwerke gesprochen, das sei für ihn die wichtigste Maßgabe gewesen – nicht Papiere aus seinem Ministerium.
CDU: War Ergebnis zu Ausstieg „politisch gewünscht“?
„Können eure Dinger länger laufen?“, habe er die Betreiber gefragt. „Und hilft es uns was?“ Die Laufzeitverlängerung sei nicht möglich gewesen, weil die Brennelemente verbraucht gewesen seien. So hätten es ihm die Betreiber erklärt. Dann schaltet sich der CDU-Politiker Andreas Jung ein. Er sagt, es werde ein „Zweifel genährt“, dass beim Atomausstieg am Ende ein Ergebnis gestanden hätte, das „politisch gewünscht“ gewesen sei. Habeck schaut zu Jung, holt Luft und sagt dann: „Es war ausdrücklich mein Wunsch, alle Varianten zu prüfen. Inklusive einer Laufzeitverlängerung.“
Draußen leuchtet mittlerweile die Sonne über dem Reichstag. Habeck nimmt einen Schluck Wasser, macht sich Notizen, hört zu. Eine Geschichte, die mittlerweile in den Reihen der Union kursiert, geht so: Habeck war in Wahrheit offen dafür, die Kernkraftwerke weiterlaufen zu lassen. Doch die grüne Umweltministerin Steffi Lemke habe sich strikt dagegen ausgesprochen. Das sei die Gemengelage gewesen im Jahr 2022, am Ende habe sich Lemke durchgesetzt. Auch sie redet an diesem Morgen vor dem Umweltausschuss und erklärt ihre Entscheidung.
Habeck redet Klartext: Betreiber haben anders informiert
Nach exakt einer Stunde, um 8.54 Uhr, geht Habeck aus dem Ausschuss. Er stellt sich wieder vor die Kameras, wo er vorhin schon stand – und erinnert daran, dass der Atomausstieg eigentlich von der Union und der FDP beschlossen worden war. Ihm hätten die Betreiber im März 2022 versichert, dass die Brennelemente Ende des Jahres ausgebrannt sein würden. „Später wurde diese Information dann korrigiert“, so Habeck. „Dann hieß es, die könnten doch zwei, drei, vier, fünf Monate länger laufen.“
Infolgedessen sei die Laufzeit am Ende verlängert worden. Im Klartext soll das heißen: Dafür, dass die AKW-Betreiber plötzlich ihre Einschätzung geändert haben, können wir nichts. Die Frage, ob er denn der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, was die Union aktuell fordert, gelassen entgegensehe? „Absolut“, entgegnet Habeck und geht dann in Richtung Aufzug. Da stürzt plötzlich ein junger Mann auf ihn zu und bittet um ein Selfie. Und Habeck? Geht ein wenig in die Knie, lächelt gelassen in die Kamera. Nur kein Stress.