Jerusalem. Seit dem Hamas-Angriff ist in Israel nichts wie zuvor: Zwei Lehren lassen sich ziehen – doch nur eine bietet Hoffnung für die Region.
Als in den Morgenstunden des 7. Oktober die ersten Meldungen über Dutzende nach Israel eindringende Terroristen aus Gaza und verschleppte Israelis eintrafen, war der Schock groß: Niemand hatte gedacht, dass die so massiv technologisierte und streng überwachte Grenze, die Israel vom Gazastreifen trennt, einfach von ein paar Männern mit Motorrädern und Paraglidern überwunden werden könnte. Zu diesem Zeitpunkt ahnte noch niemand, dass es mehrere Tausend Männer waren, die brandschatzten, mordeten, Frauen vergewaltigten und Kinder und Alte in ihre Gewalt brachten.
Israel lag plötzlich so verwundbar da, wie es niemand für möglich gehalten hätte. Nicht einmal die Israelis selbst. Nun sind sechs Monate vergangen. Der Krieg, den der Überfall der Hamas ausgelöst hat, tobt nach wie vor, kein Ende ist in Sicht. Immer noch sind 134 Menschen, die am 7. Oktober verschleppt wurden, in der Gewalt der Terroristen. Viele von ihnen sind nicht mehr am Leben.
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Die Wunde klafft immer noch. Israel nach dem 7. Oktober ist nicht mehr das Land, das es vorher war. Die teuerste Überwachung, die stärksten Mauern, sie schützen nicht. Daraus kann man zwei Lehren ziehen – doch diese könnten unterschiedlicher nicht sein. Die erste lautet: noch mehr Kontrolle, noch mehr militärische Gewalt.
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Eine Zwei-Staaten-Lösung ist nicht nur im Interesse der Palästinenser
Tausende Soldaten und Zivilisten werden aus Israel nach Gaza geschickt, um Gebiete zu besetzen, die Menschen dort in Enklaven zurückzudrängen – und möglichst zu verhindern, dass sich einige von ihnen zu Terroristen erklären und Israel überfallen. Das ist jahrzehntelang erprobt: im Westjordanland. Israel hält die Gebiete westlich des Jordanflusses besetzt. Viel Geld fließt in die Besatzung, viele Menschenleben hat sie gefordert. Vor allem auf palästinensischer Seite, aber auch unter Israelis.
Die zweite Lehre aus dem 7. Oktober kann sein, dass selbst die härteste Hand und die schärfste Kontrolle keine Sicherheit bieten, solange es keine politische Lösung gibt. Es gibt auf beiden Seiten, unter Israelis wie auch unter Palästinensern, moderate Kräfte, die das längst verstanden haben. Was fehlt, sind politische Führungen, die solche Schritte wagen. Es erfordert Mut, neue Modelle zu riskieren – viel mehr Mut als jeder Kriegsplan.
Wer glaubt, dass eine Zwei-Staaten-Lösungnur im Interesse der Palästinenser ist, der irrt sich. Spätestens der 7. Oktober sollte die Welt lehren, dass es auch für die künftigen Generationen in Israel keinen anderen Weg gibt, als klare Tatsachen zu schaffen – und klare Staatsgrenzen. Seit Jahrzehnten leben Israelis und Palästinenser in der vagen Illusion, dass die jeweils andere Seite schon irgendwann verschwinden werde. Aber das wird nicht passieren.
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Gaza-Krieg: Es ist höchste Zeit, dass nun wieder Besonnenheit einkehrt
Seit Jahrzehnten sind auf beiden Seiten Führungen an der Macht, die ihren Menschen keine Perspektive bieten. Entweder weil sie nicht können, wie die Palästinenserführung in Ramallah, oder weil sie nicht wollen, wie die konservativen Regierungen in Jerusalem.
Davon profitieren dann jene fundamentalistischen Kräfte, die so tun, als hätten sie eine Lösung – dabei kennen sie kein anderes Rezept als Blut und Hetze. Das gilt vor allem für die Hamas und andere Terrorgruppen. Es gilt aber auch für die Fundamentalisten auf israelischer Seite. Sie sind heute so stark wie nie zuvor.
Es ist höchste Zeit, dass nun wieder Besonnenheit einkehrt. Viel schlimmer als jetzt kann es nicht werden. Besser also, man zieht die richtige Lehre aus dem Schrecken des 7. Oktober. Auch den künftigen Generationen zuliebe.