Düsseldorf. Drei Monate vor dem Start der Fußball-EM drängen Sicherheitsfragen immer stärker auf die Agenda. Stadien sind nicht das größte Problem.

Nach dem islamistischen Terroranschlag von Moskau bemühte sich NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Dienstag um so etwas wie gelassene Wachsamkeit: Den Sicherheitsbehörden lägen gegenwärtig keine Erkenntnisse vor, die auf eine konkrete Gefährdung der EM hindeuteten, hieß es aus seinem Ministerium. „Die gesamte Veranstaltung unterliegt insoweit einem abstrakten Gefährdungspotenzial, das solchen internationalen Sportgroßveranstaltungen grundsätzlich innewohnt.“

Polizeigewerkschafter Mertens: „Die Bedrohung hat sich dynamisch entwickelt“

Der NRW-Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Michael Mertens, erklärt auf Nachfrage, dass Terror-Abwehr grundsätzlich zur EM-Planung gehöre. Die Bedrohung habe sich in den vergangenen Monaten allerdings dynamisch entwickelt, und die Polizei werde alles unternehmen, um dieser Bedrohung Herr zu werden. „Eine 100-prozentige Sicherheit kann aber niemand versprechen“, sagte Mertens dieser Redaktion

Für relativ unproblematisch hält der Polizeigewerkschafter die Sicherheit in den Stadien: „Sie werden die sichersten Orte während der EM sein.“ Schwieriger sei der Schutz vor Anschlägen an den Orten für für Public Viewing, auf den Fanmeilen, auf den Wegen zu den Stadien. Für die Polizei gilt übrigens während der EM eine Urlaubssperre.

Datenschutz gegen Sicherheit: Braucht die Polizei in Deutschland mehr Kontrollrechte?

Mertens spricht ein grundsätzliches Problem bei der Terror-Abwehr hierzulande an: „Zuletzt haben wiederholt ausländische Nachrichtendienste über mögliche Anschläge in NRW informiert. Hierzulande ist die Überwachung von Terroristen schwierig, weil zwischen Datenschutz und Sicherheit für die Bevölkerung abgewogen wird.“ Mertens plädiert für Vertrauen in den Staat. „Die Sicherheitsbehörden benötigen mehr Kontrollmöglichkeiten im Rahmen der Terrorismusbekämpfung“, betont er.

„Die englischen Fans sind sozusagen eine Wundertüte“, sagt GdP-Landeschef Michael Mertens.
„Die englischen Fans sind sozusagen eine Wundertüte“, sagt GdP-Landeschef Michael Mertens. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Es gibt trotz der guten Vorbereitung der Polizei auf die Europameisterschaft gebe es einige Unwägbarkeiten. Sollte sich zum Beispiel Griechenland für die EM qualifizieren, dann gäbe es ein Spiel Türkei-Griechenland mitten im Ruhrgebiet, in Dortmund.

„Wundertüte“ englische Fans: Sind sie friedlicher als früher?

Der GdP-Landesvorsitzende weist auch auf Fans aus dem Mutterland des Fußballs hin, die in der Vergangenheit durch Ausschreitungen auffielen, inzwischen aber schwer einzuschätzen seien: „Die englischen Fans sind sozusagen eine Wundertüte. Bei den Turnieren in den autoritär regierten Ländern Katar und Russland konnte es keine Krawalle geben. Die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland ist zum ersten Mal seit Langem für Fans wieder ein Turnier unter normalen Bedingungen.“

Schon vor Monaten hatte das EM-Organisationsteam das Bedrohungsszenario islamistischer Anschläge auf dem Radar. Damals stand man unter dem Eindruck des Hamas-Überfalls auf israelische Zivilisten und des eskalierenden Nahost-Konflikts. „Sicherheit ist für uns ein Riesenthema. Hier ist sicherlich auch herausfordernd, was in den letzten Wochen leider zu sehen ist“, sagte der Geschäftsführer der Euro GmbH, Markus Stenger, seinerzeit im Sportausschuss des Landtags.

Inzwischen ist es um Islamisten-Aufmärsche in NRW ruhiger geworden. Dafür bereitet der besonders kaltblütige IS-Ableger ISPK, der in Moskau massenhaft gemordet haben soll, ernste Sorgen. Internationale Großveranstaltungen wie Fußball-Europameisterschaften gehören als Orte von Konsum und Feierfreude immer zu möglichen islamistischen Anschlagszielen.

Fußball-EM: Europäische Polizei-Zusammenarbeit wird von Neuss aus koordiniert

NRW ist mit den Spielorten Dortmund, Gelsenkirchen, Düsseldorf und Köln das Zentrum der EM. In Neuss ist zudem das „International Police Cooperation Center“ angesiedelt, in dem die europäische Polizei-Zusammenarbeit koordiniert wird. Seit Monaten werden von Experten europaweit allerlei Szenarien durchgespielt.

Dabei gibt es laut NRW-Innenministerium eine klare Aufgabenteilung. „Für die Sicherheit im Stadion anlässlich der UEFA EURO 2024 liegt die Zuständigkeit grundsätzlich bei der Veranstalterin, der EURO 2024 GmbH.“ Die Polizei nehme ihre gesetzlichen Aufgaben zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung wahr. Sie habe Gefahren für die öffentliche Sicherheit abzuwehren. „Damit ist sie insbesondere für den öffentlichen Raum zuständig“, so das Innenministerium.

Riesige Partys: Fan-Feste in Dortmund, Gelsenkirchen, Düsseldorf und Köln

Das ist gleichwohl während einer EM deutlich anspruchsvoller als an einem normalen Bundesliga-Spieltag. Laut Turnierdirektor Philipp Lahm, der ebenfalls im vergangenen November dem Landtag Rede und Antwort stand, werden neben den Fans in den Stadien bundesweit über zehn Millionen Besucher der sogenannten offiziellen Fanzones in den Austragungsstädten („Host Cities“) erwartet.

 Laut Turnierdirektor Philipp Lahm werden neben den Fans in den Stadien bundesweit über zehn Millionen Besucher der sogenannten offiziellen Fanzones in den Austragungsstädten („Host Cities“) erwartet.
 Laut Turnierdirektor Philipp Lahm werden neben den Fans in den Stadien bundesweit über zehn Millionen Besucher der sogenannten offiziellen Fanzones in den Austragungsstädten („Host Cities“) erwartet. © dpa | Daniel Reinhardt

Dortmund wird Fanfeste im Westfalenpark (Kapazität: 25.000 Besucher) und auf dem Friedensplatz (6.200) anbieten, Gelsenkirchen am Nordsternplatz (5000) und im Amphitheater (7000), Düsseldorf am Burgplatz (7950), Gustav-Gründgens-Platz (1200) und an der Unteren Rheinwerft (9200), Köln am Heumarkt (8000), Alter Markt (6000) und am Tanzbrunnen (12.500).

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