Berlin. Das neue Wachstumschancengesetz bremst die Steuerlast bei Neurentnern: Welche Jahrgänge bis zu 12.000 Euro und mehr sparen können.
Gute Aussichten für viele Millionen Rentner in den nächsten Jahren: Die Steuerlast auf die Rentenbezüge soll deutlich langsamer steigen als bislang geplant – das kann künftigen Ruheständlern viele tausend Euro sparen. Das entsprechende Wachstumschancengesetz hat der Bundesrat am Freitag nach langem Ringen endgültig beschlossen.
Darum geht es: Die Besteuerung der Rentenbezüge steigt schon jetzt für jeden neuen Rentenjahrgang an, bislang sollte ab 2040 die Rente zu hundert Prozent versteuert werden. Wer zum Beispiel 2023 in den Ruhestand ging und 1.500 Euro im Monat ausgezahlt bekommt, müsste nach Angaben des Bundesfinanzministeriums jährlich 463 Euro Steuern abführen. Doch mit dem neuen Gesetz wird der Belastungsanstieg für alle künftigen Rentnerinnen und Rentner gebremst: Erst bei einem Rentenbeginn ab 2058, nicht schon 2040, müssen auf die Altersbezüge vollständig Steuern bezahlt werden –Freibeträge natürlich ausgenommen. Um das zu gewährleisten, soll rückwirkend ab dem Jahr 2023 der Anstieg des Besteuerungsanteils für jeden neuen Renteneintrittsjahrgang nicht mehr einen Prozentpunkt betragen, sondern nur noch einen halben Prozentpunkt jährlich.
Für den Rentner-Jahrgang 2023 beträgt der Anteil anstatt 83 Prozent nur noch 82,5 Prozent. Wer 2030 in Rente geht, dessen Altersbezüge werden zu 86 Prozent versteuert. Neurentner ab 2040 hätten ihre Rente nach bisheriger Gesetzeslage voll versteuern müssen, jetzt soll die Besteuerung für 91 Prozent der Bezüge greifen. Und noch 2050 liegt der Steueranteil erst bei 96 Prozent. Der jeweilige Steueranteil eines Jahrgangs gilt für die gesamte Dauer des Rentenbezugs, also oft über Jahrzehnte. Deshalb zahlen sich die Änderungen langfristig spürbar aus, auch wenn die Prozent-Korrekturen erstmal mickrig wirken.
Am stärksten profitieren nach Expertenrechnungen die Jahrgänge 1975 bis 1980 von der Verschiebung: Ein Durchschnittsverdiener des Jahrgangs 1975 könnte nach Modellrechnungen insgesamt über die Jahre rund 12.500 Euro weniger Steuern bezahlen, ein Spitzenverdiener sogar 23.500 Euro, hat der Rentenexperte Werner Siepe errechnet. Für Durchschnittsverdiener des Jahrgangs 1980 könnte die Entlastung demnach immerhin noch knapp 10.000 Euro betragen, im Jahrgang 1960 allerdings nur 1.500 Euro und im Jahrgang 1990 noch insgesamt 2800 Euro.
Lob fürs Wachstumschancengesetz
Der Bund der Steuerzahler lobt den Plan: „Für Rentnerinnen und Rentner ist es ganz wichtig, dass die Rente jetzt erst im Jahr 2058 komplett versteuert werden muss statt wie bisher bereits 2040.“ Die Koalition setzt damit ein Urteil des Bundesfinanzhofs um, das den Gesetzgeber verpflichtet hatte, eine „doppelte Besteuerung“ von Altersvorsorgeaufwendungen und Rentenleistungen zu verhindern.
Allerdings soll noch ein weiteres Gesetz folgen: Zur vollständigen Vermeidung einer „doppelten Besteuerung“ sowohl für zukünftige Rentenjahrgänge, aber auch zur Beseitigung von im Einzelfall bereits eingetretener „doppelter Besteuerung“ in Bestandsrenten sind nach Angaben des Finanzministeriums weitere Regelungen erforderlich, die „zeitnah in einem dritten Schritt“ gesetzlich geregelt werden sollen.
Gesetz enthält weitere Entlastungen
Das Wachstumschancengesetz enthält auch eine Reihe weiterer Entlastungen bei Steuern und Bürokratieauflagen, vor allem für Unternehmen: Das betrifft etwa die Einführung einer degressiven Abschreibung auf bewegliche Wirtschaftsgüter oder die Ausweitung der steuerlichen Forschungsförderung. Das Gesetz war von den Bundesländern im Bundesrat zunächst gestoppt worden: Im Vermittlungsverfahren wurde das Volumen der steuerlichen Entlastungen und des Bürokratieabbaus von einst geplanten 7 Milliarden Euro auf 3,2 Milliarden zusammengestrichen. Die Union ließ bis zuletzt ihre Zustimmung im Bundesrat offen, um zusätzliche Entlastungen für Landwirte zu erzwingen.
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) kritisierte, die positiven Effekte des abgespeckten Gesetzes würden „kaum spürbar sein“. Bis zum Ende des Jahrzehnts dürften die Investitionen dank des Gesetzes real insgesamt um sechs Milliarden Euro höher ausfallen, dies entspreche 1,5 Prozent der Investitionen im Jahr 2023. „Damit das Wachstumschancengesetz kraftvoll wirkt, müsste es vervielfacht werden“, sagt IW-Ökonom Tobias Hentze. Dennoch habe das Gesetz „eine Signalwirkung“ für die Unternehmen. „Kleine Schritte in die richtige Richtung zu machen, ist besser, als auf der Stelle zu treten“, meint Hentze.