Düsseldorf. Immer weniger Beschäftigte in NRW arbeiten in Betrieben mit Tarifvertrag. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert eine Trendwende.
Düsseldorf. Weil immer weniger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in NRW in Betrieben mit Tarifbindung arbeiten, fordert der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die Landesregierung auf, die Tarif-Beschäftigung gesetzlich zu stärken.
„Tarifverträge und gute Arbeitsbedingungen hängen eng zusammen. Dennoch sinkt die Tarifbindung in NRW seit Jahrzehnten“, sagte die DGB-Landesvorsitzende Anja Weber am Dienstag.
Nicht einmal jeder dritte Betrieb in NRW habe heute einen Tarifvertrag, so der Gewerkschaftsbund. Im Jahr 2000 seien es noch 56 Prozent gewesen. Vor 25 Jahren hätten drei von vier Beschäftigten mit Tarifvertrag gearbeitet, heute nur etwa jeder Zweite. Die Folgen: im Schnitt deutlich weniger Einkommen und mehr Arbeitszeit für jene, die nicht nach Tarif arbeiten.
Die schwarz-grüne Landesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag für eine „umfassende Tarifbindung“ ausgesprochen. Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sollten tarifgebundene Firmen bevorzugt werden, und das Land solle hier mit der eigenen Verwaltung als Vorbild vorangehen. CDU und Grüne haben das Thema also schon seit 2022 auf dem Schirm, aber sie liefern nach Einschätzung des DGB nicht. Die Landesregierung müsse schnell ein Tariftreuegesetz auf den Weg bringen. Nicht nur Landes- und Kommunalverwaltungen dürften Aufträge nur noch an Firmen geben, die nach Tarif beschäftigen. Auch Tochter- und Beteiligungsfirmen der Städte und des Landes müssten dazu verpflichtet werden.
Lesen Sie hier die Geschichte des Betriebsrates Dennis Schneider, der bei einem Getränkehersteller im Ruhrgebiet für einen Tarifvertrag kämpft. „Ohne Tarif gab es 1000 Euro weniger im Monat“, sagt er.
Das NRW-Arbeits- und Sozialministerium sagte auf Nachfrage, NRW wolle noch im Laufe dieses Jahres klären, wie Beschäftigte vor ungeregelter Arbeit geschützt werden könnten. „Die Landesregierung unterstützt eine starke Sozialpartnerschaft und eine möglichst umfassende Tarifbindung“, bestätigte das Ministerium. Tarifgebundene Firmen sollten bei Aufträgen künftig bevorzugt werden. Dafür würden – falls nötig – „neue Regeln“ geschaffen.
Unternehmer NRW warnen: „Tarifgesetz wäre Rückfall in längst überwunden geglaubte Zeiten“
Der Dachverband der Unternehmensverbände, Unternehmer NRW, warnt eindringlich vor einem solchen Schritt. „Ein Tariftreue- und Vergabegesetz ist aus meiner Sicht reine Symbolpolitik und wäre ein fataler Rückfall in längst überwunden geglaubte Zeiten“, sagte Johannes Pöttering, Hauptgeschäftsführer von Unternehmer NRW, dieser Redaktion.
Das in NRW zwischen 2010 und 2017 gültige Tariftreue- und Vergabegesetz sei „ein einziges Bürokratiemonster“ gewesen, kritisiert Pöttering. Er kenne kein einziges Unternehmen, das wegen dieses Gesetzes in den Flächentarifvertrag eingestiegen sei. Einziger Effekt: Die Auftragsvergabe sei teurer geworden, und der Steuerzahler habe es am Ende bezahlen müssen.
Tarifbindung könne nicht durch „Gesetze von oben“ geschaffen werden. Diese Dinge müssten autonom zwischen den Tarifparteien geregelt werden, meint Pöttering.