Essen. Fast die Hälfte der Spielwaren wird online gekauft, daran riechen kann man nicht. Warum Eltern beim Kauf die Sinne einschalten sollten.
Kaum eine Branche setzt so auf Plastik wie die Hersteller von Spielzeug. Hunderttausende Tonnen landen Jahr für Jahr in den Kinderzimmern. Gutes von schlechtem Spielzeug zu unterscheiden, ist für Verbraucher jedoch sehr schwer. Die Qualität und Sicherheit eines Produktes lässt sich auf den Werbebildern einer Online-Plattform nicht ablesen. Oft auch sind wichtige Produktinformationen im Internet nur mühsam zu recherchieren. Wie Eltern nachhaltiges Spielzeug erkennen und was den Unterschied zum Plastik-Ramsch ausmacht.
Spielzeug, das in Deutschland in einem Geschäft verkauft wird, muss strengen gesetzlichen Vorschriften entsprechen. „Die Spielzeugrichtlinie regelt, welche Sicherheitsanforderungen bei der Herstellung von Spielzeug gelten. Sie legt Grenzwerte etwa für Schadstoffe fest“, sagt Bastian Kortus vom Umweltbundesamt.
Unsere Berichterstattung zum Fund des verbotenen Weichmachers:
- Weichmacher im Urin: Toxikologen appellieren an Industrie
- Weichmacher bei Kindern gefunden: Was wir bislang wissen
- Weichmacher im Urin: Spur zu Sonnencremes verdichtet sich
- Weichmacher-Funde: Chemiekonzern BASF weist Verdacht zurück
- Weichmacher im UV-Filter: Erste Spur führt zu BASF
- Toxikologen wehren sich: Weichmacher-Fund nicht verschwiegen
- Weichmacher in Kinderurin: Ist es noch zu früh für Alarm?
- Weichmacher im Urin: Wurde der Stoff in die EU geschleust?
- Weichmacher im Kinder-Urin: Behörde schlägt EU-weit Alarm
„Kaufen Eltern hingegen Spielzeug in Online-Shops, in denen auch Produkte aus fernen Ländern angeboten werden, können sie nicht automatisch sicher sein, dass die Ware den europäischen Sicherheitsstandards entspricht“, so der Fachmann.
Immer wieder finden unabhängige Stellen wie Stiftung Warentest oder Öko-Test Mängel in Spielzeug, warnen Verbraucherschützer. Daher raten sie Eltern, Spielzeug nur bei seriösen Händlern mit Sitz in der EU zu kaufen – am besten im Laden, denn diese Ware ist geprüft.
Sicherheit von Kinderspielzeug: Das CE-Zeichen ist kein Prüfsiegel
Damit Kinder lange Freude an Spielsachen haben, sind Qualität und gute Verarbeitung wichtig. Die CE-Kennzeichnung ist dabei kein sicherer Hinweis, schreibt der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Dabei handelt es sich nicht um ein Prüfsiegel. Mit dem Zeichen bestätigen Hersteller lediglich, dass ihre Ware alle Sicherheitsanforderungen erfüllt. Die Realität sieht laut BUND oft anders aus: Spielzeug könne dennoch mit Schadstoffen – weit über den gesetzlichen Grenzwerten – belastet sein. Mögliche Schadstoffe in Plastikspielzeug sind Weichmacher (Phthalate), Hartmacher wie Bisphenol A (BPA), polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs) oder Lösemittel.
Wollen Eltern auf der sicheren Seite sein, sollten sie auf Siegel achten – insbesondere wenn ihnen Kriterien wie Nachhaltigkeit, Umwelt und faire Arbeitsbedingungen am Herzen liegen. „Der Blaue Engel geht in Bezug auf die Begrenzung des Schadstoffgehalts etwa über die gesetzlichen Mindestanforderungen der europäischen Spielzeugrichtlinie hinaus“, erklärt Kortus. Neben Schadstoffen und Sicherheit nehmen manche Prüfinstitute auch die Produktionsbedingungen genauer unter die Lupe. Das Gütesiegel Fair Toys Organisation setzt sich laut „Öko-Test“ etwa dafür ein, dass sich ein Hersteller „ernsthaft für arbeitsrechtliche Verbesserungen in seiner Zulieferkette“ engagiert.
>>Tipp: Einen Überblick über die wichtigsten Spielzeugsiegel führt der BUND online auf dieser Seite. Wollen Eltern sich unabhängig zur Bewertung von Schadstoffen und Sicherheit von Spielzeug informieren, finden sie auch beim Bundesinstitut für Risikobewertung hilfreiche Fakten.
Spielzeug aus Plastik: Chemischer Geruch ist ein schlechtes Zeichen
Aber auch die für das Spielzeug verwendeten Materialien spielen beim Thema Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle. „Grundsätzlich gibt es keinen Grund, Plastikspielzeug zu verteufeln. Denn Kunststoff kann man in unterschiedlichen Qualitäten herstellen“, sagt Kortus.
Beim Kauf von Plastikspielsachen sollten Eltern sich auf ihre Nase verlassen. „Wenn Spielsachen chemisch riechen, ist das ein schlechtes Zeichen“, sagt Kortus. Umweltbewusste Käufer schauen genau hin. „Kunststoffe werden häufig auf Erdölbasis hergestellt. Die Mineralöl-Gewinnung kann mit umstrittenen umweltschädlichen Verfahren, wie dem Fracking, verbunden sein“, so der Fachmann. Hinzu kommt, dass Erdöl zu den endlichen Rohstoffen gehört. „Es gibt aber auch Spielzeug, das aus Recycling-Kunststoffen oder Bio-Kunststoffen hergestellt wird“, erklärt Kortus.
Holzspielzeug aus nachwachsenden Rohstoffen: Auf das GS-Zeichen achten
Wollen Eltern auf langlebige Produkte setzen, sind Holzspielsachen eine gute Wahl. Zumal Holz zu den nachwachsenden Rohstoffen gehört. Für Bauklötze, Perlen und Babyspielzeug eignet sich Holz an sich als Material, erklärt die Verbraucherzentrale NRW. Holz aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern ist an Siegeln wie Naturland oder dem FSC-Label erkennen.
Achten sollten Verbraucher beim Kauf auf das GS-Zeichen, das die Angabe der Prüfinstitution (etwa TÜV Rheinland oder TÜV SÜD) und die Prüfnummer trägt. Es garantiert, dass die gesetzlichen Anforderungen in Bezug auf Sicherheit und Schadstoffe auch tatsächlich eingehalten werden.
Spielzeug gebraucht kaufen: Vorsicht bei älteren Puppen und Figuren aus Weichplastik
Second-Hand-Spielzeug kann eine nachhaltige Alternative sein. Wer gebrauchte Produkte kauft, schont neben dem Geldbeutel auch die Umwelt: Die Lebensdauer eines Spielzeugs wird verlängert, wodurch der Verbrauch von Ressourcen reduziert wird. Auch verringert sich die Umweltbelastung, die bei der Produktion des Artikels entsteht. Der Kauf gebrauchter Spielzeuge hat jedoch einen großen Haken: Verbraucherzentralen warnen davor, ältere Produkte aus Weichplastik wie Puppen oder weiche Plastikfiguren zu kaufen.
Der Grund: Bis einschließlich 2006 durfte noch Spielzeug in den Handel gebracht werden, in dem nach heutigem Wissen gesundheitsschädliche Weichmacher (Phthalate) verwendet wurden. Diese Stoffe, die heute weitestgehend verboten oder streng reguliert sind, wirken auf das Hormonsystem und können die Fruchtbarkeit oder das ungeborene Kind schädigen. Auch können sie Diabetes oder Fettleibigkeit begünstigen.
Die Verbraucherzentrale rät, ältere Spielzeuge aus Weichplastik auf keinen Fall gebraucht zu kaufen. Eltern sollten zudem nicht die Lieblingspuppen aus ihrer Kindheit an die eigenen Kinder weitergeben. Unproblematisch sei Second-Hand-Spielzeug aus unbehandeltem Massivholz oder gebrauchte Bausteine aus hartem Kunststoff.
Hartplastik wie etwa Lego- oder Duplosteine besteht oft aus dem Kunststoff ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymer). Dieser Kunststoff wird von Experten als unbedenklich eingestuft wird. Aufpassen sollten Verbraucher hingegen bei durchsichtigen harten Kunststoffen, warnen die Verbraucherzentralen. Für diese Produkte könne Polycarbonat verwendet werden. Dieser Stoff kann die hormonähnlich wirkende Substanz Bisphenol A oder andere Bisphenole freisetzen, so die Warnung.
Phthalate, PVC und Etikett: Auf diese Hinweise sollten Verbraucher achten
Bei Plastikspielzeug sollten Verbraucher generell bei No-Name-Produkten aus weichem Plastik vorsichtig sein, raten die Verbraucherschützer. Bei Markenartikel ist es hilfreich, auf den Hinweis „PVC-frei“ oder „Phthalat-frei“ zu achten. Empfohlen wird Plastikspielzeug aus PE (Polyethylen), PP (Polypropylen) oder ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymer). Darin sind in der Regel keine Weichmacher enthalten. Über das „Spiel-gut-Siegel“, das laut Selbstauskunft der Hersteller auf PVC-freien Produkten klebt, informiert diese Seite.
Bei Kuscheltieren und Stoffspielzeug rät die Verbraucherzentrale NRW Eltern dazu, das Spielzeug oder etwa auch die Puppenkleidung vor dem ersten Spielen gemäß Etikett zu waschen. Beim Kauf sollten Verbraucher auf das GS-Zeichen („Geprüfte Sicherheit“) achten.
Stofftiere für Kleinkinder: Warum aufgestickte Gesichter sicherer sind
Die Verbraucherzentrale verweist auf einen Test von Stiftung Warentest aus 2020. Von den 22 geprüften Teddys, Hasen oder Disney-Figuren fiel damals die Hälfte durch, weil sie Schadstoffe enthielten oder sich Kleinteile lösten. Daher auch der Rat der Verbraucherzentrale NRW: Stofftiere und Stoffpuppen, die für Kleinkindern gedacht sind, sollten besser aufgestickte Gesichter haben. Schlecht befestigte Augen und Nasen aus Plastik oder Glas könnten sonst verschluckt werden. mit dpa
Dies ist ein Artikel aus der Digitalen Sonntagszeitung. Die Digitale Sonntagszeitung ist für alle Zeitungsabonnenten kostenfrei. Hier können Sie sich freischalten lassen.Sie sind noch kein Abonnent? Hier geht es zu unseren Angeboten.