Düsseldorf. Das NRW-Verfassungsgericht verhandelt am Dienstag, welche Akten eine Ministerin offenlegen muss. Ein Urteil mit Signalwirkung - auch für die AfD.

In einem bundesweit beachteten Verfahren entscheidet der NRW-Verfassungsgerichtshof am Dienstag ab 10.30 Uhr über den Umgang von Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) mit Regierungsakten zur Flutkatastrophe aus dem Sommer 2021 für den Untersuchungsausschuss des Landtags.

„In Kern geht es in dem Verfahren darum, ob es einer Ministerin obliegt zu entscheiden, was sie dem Parlament vorlegen will und was nicht. Weil leider nicht mehr auszuschließen ist, dass die AfD irgendwo in Deutschland demnächst Ministerämter besetzt, ist das eine zentrale Frage der demokratischen Kontrolle“, sagte der SPD-Obmann des Untersuchungsausschusses „Hochwasserkatastrophe“, René Schneider, unserer Redaktion.

Bei der Hochwasser-Katastrophe 2021 starben allein NRW 49 Menschen

Das Düsseldorfer Parlament rekonstruiert seit mehr als zwei Jahren das Regierungshandeln im Juli 2021, als bei einem historischen Unwetter allein in NRW 49 Menschen starben. Es sollen mögliche Fehler bei der Warnung der Bevölkerung vor dem damaligen Starkregen und im akuten Krisenmanagement beleuchtet werden. Ein Untersuchungsausschuss hat gerichtsähnliche Befugnisse und kann Zeugen vorladen oder regierungsinternen Schriftverkehr einsehen.

Die Landesregierung ist eigentlich verpflichtet, entsprechende Akten zur Verfügung zu stellen. Kommunalministerin Scharrenbach hat jedoch nur zehn Seiten geliefert und verweist darauf, dass der Ausschuss ja bloß das Regierungshandeln „während“ der Flutkatastrophe untersuchen wolle, also an den akuten Tagen vom 14. bis 16. Juli 2021. Für SPD-Mann Schneider ist das eine pure Provokation der Ministerin, da der Einsetzungsbeschluss des Ausschusses klar den zweimonatigen Untersuchungszeitraum vom 9. Juli bis 9. September 2021 umfasse. Das habe auch jedes andere mit der Flutkatastrophe befasste NRW-Ministerium so verstanden und Zehntausende Aktenseiten geliefert.

Querverweise zeigen: Im NRW-Kommunalministerium schlummern noch Flut-Akten

Querverweise zeigten, dass im Kommunalministerium noch deutlich mehr Flut-Akten vorhanden sein müssen, wird im Untersuchungsausschuss parteiübergreifend eingeräumt. Scharrenbach war nach der Katastrophe schließlich mit Aufräumarbeiten, der Soforthilfe und dem Kontakt zur Bundeswehr befasst. Das Verfassungsgerichtsurteil in Münster gilt als bundesweiter Präzedenzfall für das Verhältnis von Exekutive (Regierung) und Legislative (Parlament). „Wenn eine Ministerin selbst interpretieren darf, was sie herausgibt, ist ein Untersuchungsausschuss nicht länger das schärfste Schwert des Parlaments“, findet Schneider.

Dass die fehlenden Akten eine völlig neue Perspektive auf die Flutkatastrophe eröffnen, glauben in Düsseldorf wenige. Im Frühjahr 2022 musste bereits Umweltministerin Ursula Heinen-Essen (CDU) zurücktreten, weil sie im Flutsommer 2021 länger auf Mallorca weilte und sich darüber in Widersprüche verstrickt hatte. An einer Geburtstagsfeier auf der Baleareninsel zu Ehren von Heinen-Essers Mann hatte am 23. Juli 2021 auch Scharrenbach teilgenommen. Ob der Verfassungsgerichtshof noch am Dienstag eine Entscheidung verkündet oder dafür einen Verkündungstermin festlegt, ist nach Angaben eines Sprechers noch offen. (mit dpa)