Der NRW-Ministerpräsident schaltet sich in die Kursdebatte der Union ein - mit einem interessanten Satz zu den „90er Jahren“.
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat einen Auftritt vor der nordrhein-westfälischen Landespressekonferenz am Donnerstag genutzt, um sich in der unionsinternen Kursdebatte über künftige Koalitionsoptionen im Bund zu positionieren.
„Schwarz-Grün hat viel Potenzial. Das ist schon lange kein Projekt oder Experiment mehr“, sagte Wüst, der seit Sommer 2022 die erste schwarz-grüne Landesregierung in NRW anführt. „Was in Nordrhein-Westfalen funktioniert, in Schleswig-Holstein funktioniert, in Baden-Württemberg funktioniert, das kann auch eine Option für den Bund sein“, so Wüst weiter.
CDU-Bundesparteichef Friedrich Merz hatte in der vergangenen Woche mit einer Rundmail an seine Partei die Koalitionsspekulationen ausgelöst. Darin hatte er die Grünen, die er bislang als „Hauptgegner“ in der Ampel-Koalition betrachtete, erstmals als möglichen Koalitionspartner benannt. „Keine besonders verlockende Aussicht, aber eine regierungsfähige Mehrheit muss es geben“, fügte Merz hinzu. Innerhalb der Union regte sich selbst gegen diese zaghafte rhetorische Annährung Widerspruch.
Wüst warnt vor „90er Jahre-Debatten“ - eine Spitze gegen Merz?
Wüst bezog nun klar Stellung für ein schwarz-grünes Bündnis: „Wer heute noch Debatten darüber führt, ob das grundsätzlich geht und im Bereich des Vorstellbaren liegt, der führt nach meiner festen Überzeugung Debatten aus den 90er Jahren.“ Es blieb unklar, ob diese Aussage auf Merz gemünzt war, der von SPD und Grünen gern als „90er Jahre-Politiker“ verspottet wird.
In Umfragen liegt die Union gut anderthalb Jahre vor der nächsten Bundestagswahl weit vorn. Als realistische Regierungsoptionen gelten derzeit nur Schwarz-Grün oder eine Neuauflage der Großen Koalition unter CDU-Führung. Neben Merz gelten Wüst und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder als Anwärter auf die Kanzlerkandidatur der Union. Eine Entscheidung soll im Herbst nach den Landtagswahlen in Ostdeutschland fallen.
Auf die Frage, ob ihn Merz‘ Sinneswandel im Verhältnis zu den Grünen überrascht habe, sagte Wüst: „Das müssen Sie ihn selber fragen. Vielleicht war es gar kein Sinneswandel.“ Er finde jedenfalls gut, „was er heute dazu sagt“.
Wüsts Umgang mit Söders Aschermittwochs-Tiraden gegen die Grünen
Zugleich versuchte Wüst, die wiederholten Absagen von CSU-Chef Markus Söder an jedwede schwarz-grüne Gedankenspiele zu relativieren. Erst beim Politischen Aschermittwoch in Passau hatte sich der bayerische Ministerpräsident wieder auf die Grünen eingeschossen und klargestellt: „Wir wollen keine Grünen in der nächsten Bundesregierung.“
Für Wüst sind Söders Worte keine finale Absage an Schwarz-Grün: „Man kann bei diesen Reden am Aschermittwoch nicht davon absehen, dass sie am Aschermittwoch gehalten werden. Ich habe auch keinen Ausschluss gehört, sondern eine Meinung, die der CSU-Vorsitzende kundgetan hat, die wahrscheinlich darauf basiert, dass er sich gar nicht vorstellen kann, wie gut das ist, mit einem verlässlichen Partner zu arbeiten.“ Er wolle jedenfalls nicht mit Söder tauschen, der mit den Freien Wählern koaliert.