Kiew. In der Ukraine gilt Walerij Saluschnyj als Volksheld – allerdings nicht ohne Tadel. Sein Rauswurf soll gescheitert sein; dank der USA.
Steht der beliebte Befehlshaber Walerij Saluschnyj vor dem Aus? Um den Posten des Generals ranken sich seit Tagen Gerüchte. Den Auftakt lieferte Boryslaw Beresa, ein zum Präsidenten Wolodymyr Selenskyj oppositionell eingestellter Ex-Abgeordneter des Parlaments. Am Montagabend verkündete Beresa einen Paukenschlag: Walerij Saluschnyj, der Oberkommandierende der ukrainischen Armee, der im Juli 2021 von Selenskyj persönlich auf diese Position gesetzt wurde, sei entlassen worden.
Es folgte eine Welle widersprüchlicher Medienberichte: Unterschiedliche anonyme Quellen aus Kreisen um Saluschnyj, im Sicherheitsrat sowie im Präsidentenbüro bestätigten die Nachricht – oder sie dementierten sie. Auch die Namen möglicher Nachfolger kursierten schon: zum einen Kyrylo Budanow, Chef des Militärgeheimdienstes HUR, zum anderen Oleksandr Syrskyj, Kommandeur der Landstreitkräfte. Schließlich kamen zwei Dementis.
Sowohl das Verteidigungsministerium als auch Serhij Nykyforow, Pressesprecher des Präsidenten, bestritten mit deutlichen Worten, dass an den Berichten etwas dran ist. Die Spekulationen über die Zukunft von Saluschnyj konnte das jedoch nicht beenden. Spät in der Nacht veröffentlichte die Onlinezeitung „Dserkalo Tyschnja“ („Spiegel der Woche“) einen weiteren Bericht, der sich sowohl auf Saluschnyj-nahe Quellen als auch auf Informationen aus der Präsidialverwaltung berief. Demzufolge hätten sich Selenskyj und Saluschnyj tatsächlich persönlich getroffen.
Ukraine: Auch US-Medien berichten über Druck auf Saluschnyj
Bei diesem Treffen soll Selenskyj dem Armeebefehlshaber den Rücktritt angeboten haben. Saluschnyj habe dem Präsidenten erwidert, es sei dessen Recht auszuwählen, mit wem Selenskyj, der laut Gesetz Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte ist, zusammenarbeiten möchte. Einen freiwilligen Rücktritt soll Saluschnyj jedoch abgelehnt haben. Er habe auch kein ernsthaftes Angebot für einen anderen Job erhalten.
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Auch mehrere US-Medien berichten über einen Versuch des Präsidenten, Saluschnyj abzulösen. Auf Druck der USA und Großbritanniens sowie hochrangiger Militärs habe Selenskyj diese Entscheidung jedoch rückgängig machen müssen, berichtete die „Times“ am Dienstagabend. Auch der „Guardian“ und die „New York Times“ meldeten unter Berufung auf Oppositionsabgeordnete, Saluschnyj sei am Montag zum Rücktritt aufgefordert worden, was dieser jedoch abgelehnt habe.
Was dran ist an den Spekulationen, bleibt indes unklar. Augenscheinlich ist, dass sich die Beziehung zwischen Selenskyj und Saluschnyj weiter verschlechtert hat. Doch der General genießt weiterhin eine hohe Beliebtheit in der ukrainischen Bevölkerung: Laut einer aktuellen Umfrage des Kiewer Internationalen Soziologie-Instituts vertrauen Saluschnyj 88 Prozent der Ukrainer.
Selenskyj: Entlassung des Befehlshabers wäre politisches Risiko
Neben der möglichen Unzufriedenheit mit der missglückten Militäroperation im vergangenen Jahr dürfte das Präsidentenbüro ebenso mit der öffentlichen und nicht öffentlichen Kommunikation von Saluschnyj hadern. So war der ernüchternde Essay des Befehlshabers zum Kriegsverlauf im britischen „Economist“ angeblich mit niemandem in der politischen Führung abgesprochen. Ohnehin gilt die Umgebung von Saluschnyj einigen im Machtzentrum als zu „gesprächslaunig“ in der inoffiziellen Kommunikation.
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Gleichzeitig galt die Kritik von Marjana Besuhla, einer Abgeordneten der Präsidentenpartei, an Saluschnyj als unter der Gürtellinie. Besuhla hatte dem Befehlshaber in mehren scharfen Social-Media-Posts Unfähigkeit vorgeworfen. Er habe die Offensive 2023 nicht richtig durchgeplant, und seine Interviews seien kontraproduktiv. Die Entlassung eines derart beliebten Generals wäre für Selenskyj dennoch riskant. Ausgeschlossen ist sie deshalb aber längst nicht mehr.