Der Untersuchungsausschuss zum A45-Brückendesaster bei Lüdenscheid vernimmt Ingenieure als Zeugen - mit verblüffenden Erkenntnissen.

Die fatale Verschleppung eines Ersatzneubaus für die inzwischen gesprengte A45-Talbrücke „Rahmede“ bei Lüdenscheid gibt politisch weiter Rätsel auf. „Meine Aufgabe war es nicht, Zeitschienen festzulegen“, erklärte der für die marode Brücke seit 2016 zuständige Bauingenieur einer eigens eingerichteten „Projektgruppe A45“ am Montag als Zeuge des Untersuchungsausschusses im Landtag. Der 50-Jährige arbeitet heute für die Autobahngesellschaft des Bundes in Hagen.

„Das klingt seltsam“, räumte der Mann ein, aber eine genaue Vorgabe, wie lange die Standfestigkeit der alten Brücke gewährleistet ist und wann die neue fertig sein soll, habe er nie bekommen. Er habe sogar zur plötzlich auftauchenden Notwendigkeit eines Planfeststellungsverfahrens, das den Ersatzbau angeblich um Jahre verzögerte, nie eine „Papierform“ gesehen. Auch die Restnutzungsdauer der „Rahmede“ sei nie genau berechnet worden. „Standsicher auf absehbare Zeit“ habe es bloß geheißen.

Rahmedetalbrücke sollte eigentlich schon 2019 neu errichtet werden

Die A45-„Rahmedetalbrücke“ musste vor zwei Jahren vollständig für den Verkehr gesperrt und später abgerissen werden.

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    Gefährliche Verformungen an der Stahlträgerkonstruktion waren Ende 2021 bei einer Lasermessung aufgefallen. Seither versinken Teile Südwestfalens im Verkehrschaos. Eigentlich hatte das Land einen Ersatz für das gut 450 lange Bauwerk schon 2019 errichten wollen. Die A45 als hochbelastete „Schlagader“ zwischen Dortmund und der hessischen Landesgrenze bereitet den Fachleuten seit langer Zeit Sorgen. Ein Vorentwurf für den „Rahmede“-Ersatz wurde bereits 2016 bei einem externen Planungsbüro in Auftrag gegeben.

    Warum der Baustart in der Amtszeit des damaligen Verkehrsministers und heutigen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU) um sieben Jahre auf 2026 verschoben wurde, ist die zentrale Frage der Ermittlungen. Der Untersuchungsausschuss des Landtags geht der Frage nach, wie es zur fatalen Fehleinschätzung der Restlebensdauer der alten „Rahmedetalbrücke“ kommen konnte. Die Abgeordneten wollen wissen, ob es sich um eine falsche Prioritätensetzung der damals für Autobahnplanung zuständigen Landespolitik gehandelt hat, um Organisationsversagen im Verkehrsressort oder schlicht um Pech.

    War die „Rahmede“ für die Projektgruppe A45 nur eine marode Brücke von vielen?

    Ein weiterer Mitarbeiter der „Projektgruppe A45“ verwies am Montag darauf, dass die „Rahmede“ nur eine von vielen maroden Brücken gewesen sei und sich die Priorisierung von Ersatzbauten vornehmlich daran ausgerichtet habe, ob Baurecht vorliege. Bei der „Rahmedetalbrücke“ soll sich der ursprüngliche Plan zerschlagen haben, ohne aufwendiges Planfeststellungsverfahren rasch eine neue Querung zu errichten. Wer das aber entschieden und die Verzögerung für verantwortbar gehalten hat, blieb am Montag auch nach mehrstündigen Zeugenvernehmungen weiter offen.

    Gordan Dudas, SPD-Obmann im Untersuchungsausschuss des Landtags und leidgeprüfter Wahlkreisabgeordneter aus Lüdenscheid, will Organisationsversagen oder falsche Prioritäten im NRW-Verkehrsministerium aufdecken..
    Gordan Dudas, SPD-Obmann im Untersuchungsausschuss des Landtags und leidgeprüfter Wahlkreisabgeordneter aus Lüdenscheid, will Organisationsversagen oder falsche Prioritäten im NRW-Verkehrsministerium aufdecken.. © IKZ | Bernd Manthey

    Der SPD-Obmann im Untersuchungsausschuss, Gordan Dudas, vermutet eine Überlastung der zuständigen Projektmitarbeiter. „Es ist nicht erkennbar, dass die Landesregierung an irgendeiner Stelle versucht hatte, auf diese Überlastung zu reagieren“, erklärte Dudas nach den Vernehmungen. Rätsel gibt auch der Sitzungsturnus der „Projektgruppe A45“ auf. Bis Ende 2019 tagte sie monatlich, danach offenbar gar nicht mehr - obwohl sich die Lage an der A45 zuspitzte. Allein mit der Corona-Pandemie sei das nicht zu erklären, da allerorten Videokonferenzen Einzug gehalten hätten, meint die Opposition. „Gab es eine neue Priorisierung? Wurden andere Projekte vorgezogen?“, fragte Dudas.